Erst ein Treffen am Brüsseler Platz, dann im Golfclub: Will Oliver Kehrl OB-Kandidat der CDU werden, obwohl die Partei es eventuell nicht will?
„Nein, um Gottes Willen“Bereitet CDU-Politiker Oliver Kehrl eine OB-Kandidatur vor – und torpediert das Verfahren?
Auf seiner Internetseite beschreibt der Marienburger Golfclub sich als „eine exklusive Gemeinschaft von Golfliebhabern, die sich durch ihre Leidenschaft, ihren Zusammenhalt und ihre Spitzenleistungen auszeichnet“. Und in eben jenen Golfclub hat der frühere CDU-Landtagsabgeordnete Oliver Kehrl unter dem Titel „Aufbruch für Köln“ eingeladen, für die Gäste gibt es Fingerfood und kühle Getränke.
Kehrl, Vorsitzender des CDU-Stadtbezirksverbandes Rodenkirchen, schreibt: „Wir brauchen Aufbruch und einen politischen Neustart in Köln. Es muss und kann sich etwas ändern.“ Und weiter: „Wir als CDU müssen das Rathaus in Köln gewinnen.“
Und Kehrl, 57, organisiert eine solche Veranstaltung nicht nur in seinem Stammgebiet Rodenkirchen, beispielsweise lädt er für diesen Freitag in eine Bar am Brüsseler Platz ein. Dort findet ein „Get together“ statt mit „Drinks for free“.
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In Teilen der Kölner CDU kursieren diese Einladungen und sorgen für Fragen, die wichtigsten lauten: Warum macht Kehrl diese aufwendigen Veranstaltungen, zumal in der Innenstadt fernab seines Stadtbezirks Rodenkirchen? Will er damit etwa eine Oberbürgermeister-Kandidatur vorbereiten? Seit Wochen hält sich das Gerücht, dass Kehrl unbedingt Kölns OB werden will.
Vorschlagskommission wählt Kandidaten aus
Kehrl sagte dieser Zeitung vorige Woche auf die entsprechende Frage: „Nein, um Gottes Willen.“ Er begründete das Treffen in Marienburg damit, dass er in Rondorf 2025 für den Stadtrat kandidieren und Unterstützer finden will.
Diese Begründung glauben ihm einige prominente Parteimitglieder nicht, bezeichnen das hinter vorgehaltener Hand als „Unsinn“ und rechnen mit einer Kampfkandidatur, falls die Vorschlagskommission der Partei nicht ihn als Kandidaten auswählt. Kehrl sagte, er wolle das Vorgehen der Kommission überlassen. Aber: „Wenn ich gefragt werden würde, würde ich mich der Verantwortung stellen und mich nicht verwehren.“
Kehrl zog in Landtag ein und flog dann raus
Vor sieben Jahren war Kehrl einer der Kölner CDU-Gewinner der NRW-Landtagswahl 2017. Erst ein Jahr zuvor war er in die Partei eingetreten – und plötzlich war der Betreiber von Modeläden Landtagsmitglied. Kehrl sprach damals von einer Geschichte wie vom „Tellerwäscher zum Millionär“, weinte am Wahlabend. Doch 2022 flog der selbstbewusste Kehrl aus dem Landtag, im März 2023 ging die AIDA Textilvertriebs GmbH insolvent, deren Geschäftsführer er war. So steht es im Handelsregister.
Wie berichtet, sucht eine achtköpfige Vorschlagskommission um CDU-Parteichef Alexander Mandl eine OB-Kandidatin oder einen OB-Kandidaten, am 30. November sollen die Mitglieder ihn oder sie wählen. Mandl sagte am Dienstag: „Wir haben uns als Parteivorstand auf ein geordnetes Verfahren geeinigt. Dieses Verfahren läuft noch und ich gehe davon aus, dass sich alle an dieses geordnete Verfahren halten.“ Er hatte es vor einem Jahr als „Chefsache“ bezeichnet.
Untergräbt Kehrl das Verfahren?
Falls Kehrl tatsächlich vorprescht und sich für eine Kandidatur öffentlich bewirbt, bevor die Kommission ein Ergebnis präsentiert, gilt das als Affront gegenüber der Parteiführung. Und das aus mehreren Gründen. Kehrl ist seit der Wahl von Mandl im März 2023 zum neuen Parteichef kooptiertes Mitglied des geschäftsführenden Vorstandes.
Auf den Bildern dieses März-Tages steht er leicht versetzt direkt hinter Mandl, als dieser das Wahlergebnis erfährt und seinen Erfolg über den damaligen Parteichef Bernd Petelkau. Kehrl klatscht. Und jetzt, rund eineinhalb Jahre später, will er möglicherweise das Verfahren seines Parteichefs und seiner Vorstandskollegen untergraben? Am Dienstag wollte Kehrl darüber nicht mehr reden.
Und sollte Kehrl seine Kandidatur verkünden, erschwert er die Arbeit der Vorschlagskommission, ist zu hören. Der Gedanke dahinter: Welcher aufstrebende Kandidat, der beispielsweise in anderen Städten schon einen guten Job hat, traut sich auf einem Parteitag gegen Kehrl anzutreten – mit dem Risiko als Verlierer in seinen alten Job zurückzukehren?
Auch bei der Aufstellungsversammlung des Kandidaten für die Bundestagswahl im Kölner Südwesten hat Kehrl vor zwei Wochen manch Parteikollegen verwundert. Obwohl sein Stadtbezirk die Vizechefin der Kölner CDU, Janina Jänsch, nominiert hatte, unterstützte Kehrl an dem Abend Daniel Otte – und nicht seine prominente Vorstandskollegin. Das kam nicht überall gut an.
Nominierungen sind zwar nicht bindend, gelten aber zumindest als wichtige Empfehlung. Und Otte hatte sich erst Wochen vorher für die Kandidatur entschieden. Alexander Hirte, Sohn des früheren Bundestagsabgeordneten Heribert Hirte, hatte Ottes Kandidatur vorbereitet und Wählerinnen und Wähler mobilisiert. Jener Alexander Hirte hatte auch Kehrls Wahlkampf 2017 für den Landtag organisiert. Kehrl wollte sich dazu vorige Woche nicht äußern.
In der Kölner CDU stöhnen einige Mitglieder angesichts Kehrls möglichem Alleingang auf. Mittlerweile hat sich demnach das Verhältnis der beiden früheren Kontrahenten um den Parteivorsitz, Mandl und Rats-Fraktionschef Bernd Petelkau, normalisiert. „Und jetzt geht der öffentliche Streit nur in anderer Besetzung wieder los“, sagt einer.