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Kölner StadtratDie großen Fraktionen kämpfen mit ihren eigenen Problemen

Lesezeit 6 Minuten

Christiane Martin, Die Grünen

Köln – Eigentlich ist die Sache klar vor der morgigen Sitzung des Stadtrates, der letzten Zusammenkunft der Kommunalpolitik vor der Sommerpause: Das Bündnis aus Grünen, CDU und Volt hat eine klare Mehrheit und stützt die Politik der parteilosen Oberbürgermeisterin Henriette Reker. Alle anderen bilden die Opposition. Doch die Performance der größeren Fraktionen im Stadtrat fällt seit der Kommunalwahl im September 2020 höchst unterschiedlich aus. Eine Analyse.

Der Erfolg der CDU hat die Konflikte lange verdeckt

Nach Wahlverlierer sieht hier nichts aus. Zwar war die CDU bei der Kommunalwahl im September 2020 auf ihr historisch schlechtestes Ergebnis abgerutscht, hatte gerade mal 21,5 Prozent der Stimmen geholt. Dennoch gelang es dem starken Mann der CDU, Partei- und Fraktionschef Bernd Petelkau, mit einer simplen Taktik, eine echte Debatte über die Niederlage zu verhindern: Er ging einfach als gefühlter Sieger in die Bündnisverhandlungen mit den Grünen und Volt – und kam als echter Sieger wieder heraus.

Obschon bei der Wahl hinter den Grünen und der SPD gelandet, stellt die CDU auch künftig vier Dezernenten inklusive Stadtdirektorin in der Stadtspitze – genau so viele wie die Grünen. Er selbst verhandelte sich zudem (trotz anfänglicher Gegenwehr der Grünen) wieder in das einflussreiche Amt des Rhein-Energie-Aufsichtsratsvorsitzenden. Und auch bei der Kandidatenaufstellung für die Bundestagswahl setzte sich Petelkau auf ganzer Linie durch – Parteifreund Heribert Hirte, der auf der Strecke geblieben war, keilte in einem langen Radiointerview zwar wütend, aber weitgehend wirkungslos gegen Petelkau.

Bernd Petelkau, CDU

Alles prima also für den Fraktionschef. Dass es dennoch gerade kräftig rumpelt in der CDU, liegt vordergründig daran, dass Niklas Kienitz, der langjährige Fraktionsgeschäftsführer (der lange auch als Vertrauter von Petelkau galt), nun in die Riege der Dezernenten aufrücken soll. Dass kurz zuvor das (für die CDU von Kienitz unterzeichnete) Geheimpapier auftauchte, mit dem bei der Stadtwerke-Affäre die Posten verteilt wurden, brachte für die Petelkau-Gegner innerhalb der CDU das Fass zum Überlaufen. Am Dienstag gab der immer noch populäre Alt-OB Fritz Schramma den Ehrenvorsitz der Partei wütend zurück, am Mittwoch legte CDU-Urgestein Konrad Adenauer nach und forderte Petelkau selbst zum Rücktritt von allen Ämtern auf: Das Geheimpapier beweise, „mit welcher Dreistigkeit auch Führungspersonen der Kölner CDU Anforderungen an Qualität beiseite geschoben haben nur um des eigenen persönlichen Vorteils willen“. Sie hätten damit „ihrer Partei und ihren Ämtern geschadet“.

Der Konflikt liegt also tiefer – schon seit Monaten sammelt sich die CDU-interne Opposition, in einem Papier mit dem Namen „Lust auf CDU“ hat sie ihre Forderungen formuliert: Rückkehr zur innerparteilichen Diskussion, mehr Eigenständigkeit auch gegenüber den Grünen, weniger Zugeständnisse an den Bündnispartner vor allem bei den Themen Autoverkehr und Umwelt. Ob sich die Rebellen durchsetzen, bleibt abzuwarten. Bislang hat Petelkau noch jeden Sturm überstanden.

Die Grünen sind als stärkste Fraktion nicht sichtbar

Die Grünen haben bei der Kommunalwahl das beste Ergebnis ihrer Geschichte erzielt – entsprechend hoch waren die Erwartungen. Das Führungsduo aus Fraktionschefin Christiane Martin und Fraktionsgeschäftsführer Lino Hammer agiert jedoch unerwartet unscheinbar. So gelang es bislang kaum, eigene politische Akzente zu setzen. Für die stärkste Fraktion im Stadtrat ist es deutlich zu wenig, einige Straßenzüge für den Radverkehr zu optimieren und im Ungefähren bleibende Pläne für die Klimawende vorzustellen.

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Die Kritik gilt auch der fehlenden Präsenz der Fraktionschefin: Es wirkt, als sei Christiane Martin seit der Wahl weitgehend abgetaucht. Als mächtiges und einflussreiches Gegengewicht zu CDU-Fraktionschef Bernd Petelkau ist sie bislang nicht in Erscheinung getreten.

So können die Grünen auch nicht mit dem Verhandlungsergebnis für den Bündnisvertrag zufrieden sein, aus dem die CDU – gemessen am eigenen schlechten Wahlergebnis – als Gewinner hervorgegangen ist. Statt Stadtkämmerin Dörte Diemert zur Stadtdirektorin zu machen, überließ man den Posten der Stellvertreterin von Oberbürgermeisterin Henriette Reker der CDU. Immerhin gelang es den Grünen, der Union das für die eigenen Ziele wichtige Verkehrsdezernat abzunehmen.

Wie zu hören ist, sind Martin und Hammer vor allem damit beschäftigt, die aus vielen Neuzugängen bestehende Fraktion zusammenzuführen. In der politischen Arbeit zeigt sich oftmals ein Mangel an Erfahrung im Umgang mit wichtigen Themen. Das zeigte sich zuletzt etwa bei der Debatte rund um die Neugestaltung am Ebertplatz, beim Bebauungsplan für das Belgische Viertel und der Frage, ob die Stadt für die ehemalige KHD-Hauptverwaltung in Mülheim das Vorkaufsrecht nutzen soll. Eine Klausurtagung der Fraktion soll nun die Situation bei den Grünen verbessern.

Die SPD zeigt sich als ungewohnt zahme Opposition

Die Zeiten, in denen die SPD die Rolle der harten Oppositionskraft im Stadtrat übernahm, sind spätestens seit der letzten Wahl vorbei. Die zweitstärkste Kraft im Stadtrat unter Führung von Fraktionschef Christian Joisten und dem neuen Fraktionsgeschäftsführer Mike Homann zeigt sich ungewohnt zahm gegenüber dem Ratsbündnis aus Grünen, CDU und Volt.

Christian Joisten, SPD

Es wirkt fast so, als wolle man nicht zu sehr attackieren, um als alternativer Partner bereitzustehen, sollte sich das Bündnis zerstreiten. Thematisch lässt die SPD derzeit auf jeden Fall einiges liegen. Da Grüne und CDU insbesondere beim Thema Verkehr oft uneins sind, könnten die Sozialdemokraten dort öfter den Finger in die Wunde legen – die Chancen bleiben jedoch meist ungenutzt.

Ein weiterer Grund könnte sein, dass der SPD viel Erfahrung verloren gegangen ist. So hat die Geschäftsstelle als Basis der Fraktion gleich mehrere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verloren, die in Richtung städtischer Gesellschaften und Ämter abwanderten – diese Posten konnten bislang nicht gleichwertig neu besetzt werden.

Die Linke bleibt angriffslustig, sucht aber nach ihrer Form

Über Jahre hinweg hat der ehemalige Fraktionschef Jörg Detjen die Geschicke der Linke-Fraktion gelenkt und diese geprägt. Auch aufgrund der Corona-Pandemie fällt es der neuen Fraktionsspitze um Güldane Tokyürek und Heiner Kockerbeck noch schwer, sich ähnlich prominent und markant zu präsentieren.

Güldane Tokyürek (Mitte), Die Linke

Die Linke zeigt sich dennoch gewohnt angriffslustig und nimmt ihre Rolle als Oppositionskraft an.

Die FDP hat alles schon mal gesehen

Sie zählen zu den erfahrensten Politikern im Stadtrat: Fraktionschef Ralph Sterck und Fraktionsgeschäftsführer Ulrich Breite haben alles schon mal gesehen – und machen daraus auch kein Hehl.

Ralph Sterck, FDP

Weitreichende Initiativen oder Ideen kamen dagegen lange nicht mehr von der FDP. Immerhin ist dem Engagement der Liberalen ein neuer Wasserspielplatz im Grüngürtel zu verdanken.

Volt fällt noch durch fehlende Erfahrung auf

Grundsätzlich ist es nachvollziehbar, dass für die vier Vertreterinnen und Vertreter von Volt im Stadtrat fast alle Themen Neuland bedeuten.

Jennifer Glashagen, Volt

Insofern kann es auch nicht verwundern, dass ein Mangel an Erfahrung zu erkennen ist. Dennoch wäre es klüger, nicht an jeden seit Jahren laufenden Vorgang so heranzugehen, als handele es sich um etwas grundsätzlich Neues – bloß weil man diesen selbst noch nicht kennt.