Köln – Weniger Mitglieder, weniger Einnahmen und ein banger Blick in die Zukunft. Die Corona-Pandemie hat Spuren bei zahlreichen Sportvereine in der Stadt hinterlassen. Etwa beim TuS Köln rechtsrheinisch 1874, der in Höhenberg sein Domizil und im vergangenen Jahr 200 seiner 1200 Mitglieder durch Kündigung verloren hat. „Das bleibt nicht aus, wenn man ein Jahr lang keinen Sport anbieten kann“, erläutert Peter Menne, Mitarbeiter im Vorstand.
Der Mitgliederschwund könnte den Klub empfindlich treffen. Denn eigentlich wollte dieser bald einen Kunstrasenplatz bauen, der Bauantrag sei bereits gestellt. Der Plan ist nun wegen der Pandemie in Gefahr, denn der Verein müsste einen Teil der Baukosten – 80.000 bis 100.000 Euro – selbst tragen. Schwierig, wenn die Einnahmen wegbrechen.
Die Deutsche Sporthochschule hat in einer bundesweiten Umfrage herausgefunden, dass 52,4 Prozent der Klubs in den kommenden zwölf Monaten eine existenzbedrohende Lage erwarten. Ursache hierfür ist für zwei von fünf Vereinen (41,3 Prozent) der Mitgliederrückgang aufgrund der Covid-19-Pandemie. Andere Vereine sorgen sich um einen Rückgang der ehrenamtlichen Helfer, jeder fünfte Verein (22,1 Prozent) rechnet mit einer existenziellen Bedrohung wegen pandemiebedingter finanzieller Engpässe. Die Befürchtungen seien größer als im ersten Lockdown im Frühjahr 2020, so die Forscher um Studienleiter Christoph Breuer.
Peter Pfeifer, Vorstand im Stadtsportbund, spricht von einer „dramatischen Lage“ für die Kölner Klubs. „Einige Vereine stehen auf der Kippe, andere werden die Krise nicht überleben.“ Die Solidarität der Mitglieder, die den Klubs im ersten Lockdown unterstützt habe, bröckle aber mittlerweile. Unter dem Strich hätten größere Vereine mit höheren Kosten mehr Probleme als kleinere. Ganz so schwarz wie die Studie sieht Pfeifer die Situation aber nicht. Denn die Stadt habe nicht nur einen Notfalltopf eingerichtet, sondern das Budget mittlerweile auf 600.000 Euro verdoppelt. Auch die Summe der Jugendbeihilfe sei um eine Million Euro auf 2,3 Millionen Euro erhöht worden.
Ob das reicht, damit die Vereine die Pandemie durchstehen können, ist ungewiss. Der MTV Köln, einer der größten Breitensportvereine der Stadt, hat im vergangenen Jahr von den einst 5200 Mitgliedern 600 verloren, sagt Geschäftsführer Holger Dahlke. Eine empfindliche Einbuße, denn der Verein finanziere sich zu 90 Prozent aus Mitgliedsbeiträgen und Kursgebühren. „Die Kündigungen sind das eine. Wenn aber keine neuen Mitglieder dazukommen, brennt die Fackel von beiden Seiten“, sagt Dahlke. Er könne aber die Mitglieder auch verstehen, denn manche müssten derzeit „jeden Euro umdrehen“.
Die Pandemie trifft den MTV zu einer Unzeit. Denn erst 2019 hatte der Klub ein neues Sportzentrum mit Multifunktionshalle, Geschäftsräumen und Außenbereich am Herler Ring in Buchheim errichten lassen und dafür Darlehen in Höhe von 3,6 Millionen Euro bei Banken aufgenommen. Viele Rücklagen habe der Klub nicht aufbauen können, weil das seinem Status als gemeinnütziger Verein widersprochen hätte, so Dahlke. In den vergangenen Wochen mussten Mitarbeiter in Kurzarbeit gehen, andere Gehaltskürzungen hinnehmen. Noch könne der Verein die Lage meistern. „Auf Dauer kann man das aber nicht verkraften.“
TV Wahn zog Handballteam zurück
Der TV Jahn Wahn musste 2020 seine erste Handballmannschaft zurückziehen, die in der vierten Liga spielt, weil sie schlicht zu teuer wurde, sagt Sportvorstand Harald Grüner. Zehn Prozent der Mitglieder seien abgesprungen, ein Teil der Sponsoren hätten ihre finanziellen Mittel gekürzt, der Flughafen Köln/Bonn um die Hälfte. Für das erste Quartal habe man die Mitgliedsbeiträge ausgesetzt. Existenzbedrohend sei die Lage aber noch nicht, ergänzt Geschäftsführer Manfred Slodwinsky.
Andere Vereine haben offenbar weniger Probleme: Der Turnerkreis Nippes zum Beispiel sieht sich finanziell nicht in Gefahr. Von den Mitgliedern, insgesamt sind es 640, seien kaum welche ausgetreten, ein finanzielles Polster sei zudem vorhanden, sagt Geschäftsführer Gernot Schmitz. Während des ersten Lockdowns habe der Klub die Mitgliedsbeiträge reduzieren können. Derzeit sei es möglich, dass die Mitglieder ihre Mitgliedschaft ruhen lassen. „Das ganze Jahr 2021 können wir das aber nicht durchstehen.“ Mitglieder habe auch Deutz 05 nicht verloren, so Geschäftsführer Sascha Fröhlingsdorf. „Aber wir schauen natürlich mit Sorge in die Zukunft.“ Denn die Kosten etwa für die Platzwarte liefen weiter. „Wir können die Plätze ja nicht zusperren und erst ein halbes Jahr später wieder aufmachen.“
Sponsorengelder bleiben aus
Studienleiter Breuer von der Deutschen Sporthochschule betont die Bedeutung der Vereine: „Je länger Sportvereine ihrem Zweck nicht nachkommen dürfen, desto schwächer wirken sie als stabilisierendes Element der Gesellschaft“, so Breuer. „Es geht sozialer Kitt verloren, der gerade in einer individualisierten Zuwanderungsgesellschaft von Bedeutung ist. Damit treffen die Folgen nicht nur die Vereinsmitglieder sondern die gesamte Gesellschaft.“