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„Ex-Corner“-Wirt„Als schwules Pärchen geht man in Chorweiler eher nicht Hand in Hand“

Lesezeit 6 Minuten
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„Ex-Corner“-Betreiber Dieter Hennes

  1. Mitten im sogenannten „Bermudadreieck“ auf der Schaafenstraße reiht sich eine Bar an die nächste. Die Schaufenster der Eckkneipe sind in Regenbogenfarben bemalt, drinnen ist es poppig-bunt.
  2. Dort befindet sich seit 29 Jahren auch die Schwulen- und Lesbenkneipe Ex-Corner, die seit 20 Jahren von Dieter Hennes betrieben wird.
  3. Wir haben mit ihm über den Wandel und die Probleme der Schaafenstraße, den Streit um das aktuelle CSD-Motto sowie die angebliche Toleranz der Kölner gesprochen.

KölnHerr Hennes, wie stehen Sie zur Änderung des CSD-Mottos von „Einigkeit! Recht! Freiheit!“ zu „Für Menschenrechte“, der ein Streit zwischen dem Kölner Schwulen- und Lesbentag (Klust) und mehreren Organisationen vorausging?

Aus jedem Thema kann man etwas machen. Beim ersten Motto dachte ich: Zur diesjährigen Fußball-Europameisterschaft passt es irgendwie. Und man hätte natürlich auch viel Negatives hinein interpretieren können. Es hat mich zwar nicht so angesprochen, aber wir hätten garantiert etwas Schönes daraus zaubern können. Das neue Motto ist eher schwammig. Ich mag es, wenn man eine Meinung hat. „Für Menschenrechte“ – damit hat man eins gewählt, das auf jeden Fall der Allgemeinheit gefällt.

Wie bringt sich das Ex-Corner beim CSD ein?

Wenn meine Mitarbeiter Lust auf das Motto haben, dann wird das richtig cool. Natürlich war das Thema 50 Jahre Community – 50 Jahre Pride „Viele. Gemeinsam stark“ vom vergangenen Jahr sehr wichtig und dankbar: Wir haben eine Zeitreise unternommen und Bilder von Transparenten hier aufgehängt. Es war auch sehr politisch und ging eben nicht nur um das Feiern. Denn wir führen intern auch Grundsatz-Diskussionen über den CSD: Wird eigentlich nur noch gefeiert oder was steckt noch dahinter?

Hier lesen Sie mehr: „Peinliche Entscheidung“ – Viele äußern Kritik am geänderten CSD-Motto für Köln

Das Ex-Corner gibt es seit 29 Jahren, seit 20 Jahren sind Sie der Betreiber der Eckkneipe. Wie hat sich die Schaafenstraße gewandelt?

Damals war es eine Sensation, dass es eine Bar für Schwule und Lesben gab, die komplett offen war. Das liebe ich bis heute immer noch daran. Bis Anfang der Neunzigerjahre war es üblich, dass Schwulen-und Lesbenkneipen versteckt lagen. Man musste klingeln: Dann kam jemand zur Tür und bemusterte einen. Hier im Corner war es ein anderes Lebensgefühl. Man konnte Hand in Hand sein, sich hier drin liebhaben, und jeder konnte das sehen. Die Schaafenstraße war zwar noch nicht so geschäftig wie heute, aber der Nachbarfriseur erzählt mir immer, dass hier schon früher Transvestiten unterwegs waren. Da wo die Sparkasse ist, war die Pimpernel-Diskothek.

Was sind die Probleme der Schaafenstraße?

Seit des Neubaus am Westgate am Rudolfplatz führen die Lieferanwege nun hierher: Jetzt hat man mindestens zehn LKW pro Tag und die Leute rasen hier lang. Durch die Öffnung der Szene sind wir seit Jahren außerdem mehr zur Zielscheibe geworden und es kommen Menschen, die klauen wollen: Probleme, die bisher eher die Zülpicher Straße oder das Friesenviertel hatten. Ich habe mich auch schon an Frau Reker gewandt, denn ich wünsche mir, dass die Politik sich mehr bekennt. In Hamburg gibt es zum Beispiel einen regenbogenfarbenen Zebrastreifen. In der ganzen Welt ist Köln als Schwulenmetropole bekannt und die Stadt verdient nicht schlecht Geld mit dem Tourismus, aber warum ist es so schwer, dieses Viertel zum Regenbogenviertel zu deklarieren? Und es gab Überlegungen, die Schaafenstraße verkehrsmäßig zu beruhigen – aber das ist gekippt worden.

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Wie versuchen Sie, diese Herausforderungen zu meistern?

Seit ein paar Jahren arbeiten wir mit Türstehern. Ich habe mich lange gewehrt, weil unsere Tradition eigentlich besagt, dass jeder hier willkommen ist. Gerade dieses kölsche Feeling, das Miteinander, halten wir hoch. Das ist ein Konflikt, der nicht leicht zu lösen ist. Wir haben einen Mann gefunden, der ein gutes Fingerspitzengefühl hat. Und im Zweifel lassen wir jemanden rein und schauen, wie er sich verhält. Man merkt ja, ob sich jemand integriert, mitfeiern will oder in der Ecke steht.

Wie setzt sich das Publikum im Ex-Corner zusammen?

Durch unsere Aktionen und das politische Aufbrechen der Klischees sind wir beliebter geworden für alle Menschen. Gerade viele Frauen kommen zu uns und sagen, dass sie hier entspannt feiern können. Es gibt auch Hetero-Männer, die Fans geworden sind. Es gibt immer noch genug, die wissen, dass sie schwul sind, sich aber nicht trauen, es sich einzugestehen. Oft scharwenzeln Menschen um das Ex-Corner herum, schauen rein und sind offiziell erst einmal hetero. Eigentlich weiß man, dass derjenige seine ersten Kontakte knüpfen will – dann stellt sich heraus: Er ist schwul. Das nehmen wir als Kompliment.

Wie tolerant sind die Menschen in Köln tatsächlich, wenn man sich außerhalb der Szene bewegt?

In der Innenstadt fühlt man mehr Toleranz, aber es ist nicht überall gleich. Als schwules Pärchen geht man in Chorweiler eher nicht Hand in Hand über die Straße, während die Schaafenstraße eine kleine Oase und sehr familiär ist. Über Toleranz diskutiere ich im Freundeskreis sehr heiß. Wo fängt sie an, wo hört sie auf? Es gibt zum Beispiel gerade so einen Trend: die so genannten „Puppies“, die ziehen sich eine Hundemaske übers Gesicht und man sieht nur ihre Augen. Die sind hier überall zu Gast. Ist das zu viel? Ich persönlich habe damit ein Problem, nur die Augen meines Gegenübers zu sehen. Dies entspricht nicht meinem Gefühl von Offenheit. Und ich habe mitbekommen, dass sich auch viele andere Gäste durch diese Verkleidung überfordert fühlen. Hier gibt es für mich ein Spannungsfeld. Ich würde es daher begrüßen, wenn die „Puppies“ ihre Maske abnehmen, wenn sie meine Gaststätte betreten. Denn so, wie diese Fetischliebhaber möchten, dass ich ihre Vorliebe toleriere, so möchte ich gleichzeitig auch, dass sie tolerieren, dass ich sie mit ganzem Gesicht sehen möchte. Dies würde ich gerne direkt nach Karneval mal in einer öffentlichen Diskussion bei uns im Ex-Corner zusammen mit Fetischliebhabern und den Gästen diskutieren.

Berüchtigt ist die Freizügigkeit im Nachtleben. Beispiel Dark Rooms...

In den Achtzigern waren Dark Rooms in. In Köln gibt es keine Kneipen mehr mit Dark Rooms, außer es sind richtige Fetisch-Kneipen. Toleranz ist ja, wenn ich das nicht verurteile. Sie können das gerne für sich machen, aber das Corner ist nicht dafür gemacht. Manche ziehen sich hier aus, dann gehe ich hin und fordere sie auf, sich wieder anzuziehen. Das passt hier nicht hin. Wir sind eine Gesellschaft und müssen den Konsens finden.

Wie bewerten Sie das Nachtleben-Angebot für Schwule und Lesben in Köln?

Nach oben ist immer Luft. Im Vergleich zu früher fehlt eine richtig coole Diskothek. Wenn ich auf die Aachener Straße blicke, bin ich etwas neidisch. Da ist eine coole Lokalität neben der anderen. Die Schaafenstraße steckt mit ihren sechs Bars noch in den Kinderschuhen. Die Altstadt hat ein spezielles Zielpublikum und ist nicht so vom Mainstream betroffen. In der Kettengasse kann man nicht wirklich von Nachtleben reden. Eigentlich war es das schon. Sehr überschaubar.