- Die Überstunden-Affäre in der Kölner Stadtverwaltung war Thema einer Aktuellen Stunde in der letzten Ratssitzung vor der Kommunalwahl.
- Die SPD nutzt die hitzige Debatte, um in der Endphase des Wahlkampfes zu punkten.
- CDU und Grüne reagierten mit Gegenangriffen.
Köln – Die Diskussion über die Überstunden-Affäre, die der Stadtrat am Donnerstag in einer Aktuellen Stunde führte, war geprägt von wechselseitigen Vorwürfen – neue Erkenntnisse brachte sie nicht.
In der Endphase des Wahlkampfes kritisierte die SPD vor allem die parteilose, von CDU und Grünen unterstützte Oberbürgermeisterin Henriette Reker. Sie habe als Verwaltungschefin nichts gegen ein seit Jahren bestehendes System unternommen, das Beamten das pauschale Abrechnen Überstunden ermöglicht. Damit habe Verwaltung gegen das Landesbeamtengesetz verstoßen.
Denn den Vorschriften zufolge dürfe zusätzliche Arbeit von Staatsdienern nur im Ausnahmefall und unter besonderen Bedingungen vergütet werden; im Regelfall müssten Beamte einen Freizeitausgleich erhalten. Der Vorgang zeige, dass die von Reker gestartete Verwaltungsreform erfolglos sei, sagte SPD-Fraktionsvorsitzender Christian Joisten. „Deswegen muss am kommenden Montag ein neues Kapitel aufgeschlagen werden“, fügte er hinzu.
CDU: Wir sind hier nicht auf einer Wahlkampfveranstaltung“
CDU-Fraktionschef Bernd Petelkau widersprach umgehend: „Wir sind hier nicht auf einer Wahlkampfveranstaltung der Sozialdemokratie, sondern wir sind im Rat der Stadt Köln.“ Die Reform greife. Köln habe eine sehr gute Verwaltung, das habe sich „gerade in den letzten Wochen der Pandemie“ erwiesen.
Worum geht es: Laut einem Bericht des Rechnungsprüfungsamtes sollen in der Verwaltung über Jahre hinweg vorschriftswidrig Überstunden an Beamte ausgezahlt worden sein. „Es steht zu vermuten, dass diese regelwidrige Auszahlung nicht nur in den geprüften Einzelfällen, sondern auch in nahezu sämtlichen Dienststellen der Stadtverwaltung erfolgt“, heiß es in dem Bericht. Die Prüfer rügen in dem Zusammenhang „erhebliche personalrechtliche Defizite“.
SPD spricht von einer „Reker-Affäre“
Nach Recherchen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ sollen zwei Beamte der Kulturverwaltung hunderte Stunden abgerechnet haben, ohne diese geleistet zu haben. Das sei ihnen als Ausgleich für eine nicht erfolgte Beförderung zugebilligt worden. Die Staatsanwaltschaft prüft den Anfangsverdacht einer Straftat.
Die SPD hatte nach Bekanntwerden der Vorgänge von einer „Reker-Affäre“ gesprochen und vergeblich eine Sondersitzung des Rates beantragt. „Wahlkampfzirkus auf unterstem Niveau“ rief FDP-Ratsherr Volker Görzel den Sozialdemokraten zu. Zum Thema Überstunden von Beamten gebe es „ein Dickicht von Bestimmungen, die Sache sei keinesfalls so klar, wie von der SPD dargestellt“.
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Reker selber hatte sich in ihrer Eröffnungsrede bei den Beschäftigten für die Bereitschaft bedankt, „Überstunden zu leisten und damit die Stadtverwaltung am laufen zu halten“. Wenn in Einzelfällen Zweifel an der Auszahlungspraxis angebracht sein könnten, so sei das auf „veraltete, missverständlich formulierte und teilweise falsche Richtlinien“ zurückzuführen. Aufgrund des Prüfberichts habe sie eine Expertengruppe gebildet und diese beauftragt, das Regelwerk zu überarbeiten. Kämmerin Dörte Diemert kündigte an, die Experten würden sich ebenfalls mit der Überstundenpraxis bei Angestellten befassen.
Nach Auffassung der Grünen-Fraktionschefin Brigitta von Bülow hat Reker angemessen reagiert. Das Gleiche gelte für das Rechnungsprüfungsamt und das zuständige Kontrollgremium des Rates. „Es wird gehandelt, wenn Dinge nicht korrekt laufen“, sagte von Bülow.
277 Stunden beraten, 330 Anträge beschlossen
Die Anschaffung von 27000 Tablet-Computern für Kölner Schüler war der letzte Beschluss in dieser Ratsperiode – verhandelt im nichtöffentlichen Teil der 62. und letzten Zusammenkunft der Politiker. Seit 2014 hat der Stadtrat in seinen Sitzungen insgesamt 277 Stunden beraten, hat Oberbürgermeisterin Henriette Reker ausrechnen lassen. Dabei wurden mehr als 330 Anträge beschlossen und rund 2700 Beschlussvorlagen behandelt. Eine Sitzung dauerte teilweise bis zu acht Stunden. Die erste Ratssitzung im Gürzenich im vorigen März, die wegen der Corona-Pandemie dorthin verlegt wurde, dauerte 92 Minuten, in denen 59 Beschlüsse gefast wurden. „Das ist ein strammes Programm“, sagte Reker, „und es zeigt, dass der Rat gewiss keine Feierabendveranstaltung ist“.
Zur letzten Sitzung der Legislatur ist der Stadtratbwieder in seinen angestammten Saal im Spanischen Bau zurückgekehrt – unter strengen Hygiene-Regeln. Jeder Platz im Saal ist mit Plexiglas-Scheiben angetrennt. Messgeräte ermitteln permanent, og dr Ratssaal ausreichend belüftet ist. (og)
CDU-Chef Petelkau warf der SPD den unfairen Versuch vor, aus dem Fehlverhalten gerade einmal zweier von 21 000 Beschäftigten „den Zustand der gesamten Verwaltung abzuleiten“. Von einem System könne nicht die Rede sein. Der Vorsitzende des Rechnungsprüfungsausschusses, Jörg Detjen (Linke), verwies auf interne Gespräche des Gremiums. „In der Diskussion wurde klar, dass es systemische Probleme gibt“,zitierte Detjen aus einem einstimmigen Beschluss. Und fasst es so zusammen: Beamte der Stadtverwaltung meinten, sie könnten von Regelungen für Angestellte profitieren und dabei ihren Status behalten.