Die Unternehmerin Herta Reiss ist am Sonntag im Alter von 85 Jahren gestorben.
43 Jahre lang war sie für den guten Geschmack in Köln zuständig.
Sie bewirtete Staatsmänner wie Helmut Kohl, Richard von Weizsäcker oder Fürst Albert von Monaco, Stars von Udo Jürgens bis Vicky Leandros und sämtliche Karnevalsoberen ihrer Zeit.
Köln – „Wie immer perfekt frisiert, kümmerte sich Messe-Gastronomin Herta Reiss um das Wohl der 1250 Gäste, unterstützt wurde sie von 300 Mitarbeitern. 1500 Austern, 400 Hummer, 200 Stück Gänseleber und 600 Steaks wurden an diesem Abend verspeist, 1800 Flaschen Wein getrunken.“ Das schrieb der „Kölner Stadt-Anzeiger“ in einem Artikel über den Presseball 1998 im Kristallsaal. Ein Satz, der viel erzählt über eine Gastronomin, die über Jahrzehnte Maßstäbe setzte, ehe sie sich 2002 aus dem Berufsleben zurückzog. Am vergangenen Sonntag ist Herta Reiss im Alter von 85 Jahren gestorben.
Herta Reiss, die zierliche Frau mit der stadtbekannten, an ein elfisches Vogelnest gemahnenden blonden Hochfrisur, stets perlenbehangen und in oft grellen Farben gekleidet, stand für Eleganz und Perfektion, aber auch für Fleiß. Rund 1000 Veranstaltungen pro Jahr organisierte ihre Firma. Die aus Oldenburg stammende Unternehmerin hatte nach dem Tode ihres Mannes Hans die Reiss GmbH und Co KG übernommen und war damit nicht nur für alle Gastronomien im Bereich der damaligen Osthallen der Kölner Messe zuständig.
Herta Reiss machte die Gastfreundschaft zum Kölner Markenzeichen
Mit Dependancen in Düsseldorf und Hannover gehörten ihr zeitweise 42 Küchen, 56 Restaurants und 30 Snack-Shops, der Jahresumsatz lag bei rund 25 Millionen Euro. 43 Jahre lang war sie für den guten Geschmack dieser Stadt zuständig, machte Gastfreundschaft zum Kölner Markenzeichen für Gäste aus aller Welt.
Sie bewirtete Staatsmänner wie Helmut Kohl, Richard von Weizsäcker oder Fürst Albert von Monaco, Stars von Udo Jürgens bis Vicky Leandros und sämtliche Karnevalsoberen ihrer Zeit. Sie vergaß aber auch nie die kleinen Leute, die Fahrer oder die Sicherheitsbeamten, die in einem Nebenraum das gleiche Essen serviert bekamen, und auch hier sah die Chefin immer persönlich nach dem Rechten. Keiner ihrer Gäste wird vergessen, wie bei einem der großen Messe-Essen zur Anuga, Photokina oder der Möbelmesse lange Reihen gleichgewandeter Kellnerinnen und Kellner in einer fließenden Choreographie scheinbar schwerelos und gleichzeitig den Hauptgang servierten, tischweise synchron die Teller von den Cloches befreiten und guten Appetit wünschten. Wer das für ein Wunder hielt, wurde von Herta Reiss schnell in die Realität geholt: „Das ist kein Geheimnis“, sagte sie einmal. „Das ist eine Frage der Organisation.“
Kölns OB Schramma dankte Reiss für Lebensleistung
Bei ihrer Verabschiedung dankte ihr der damalige Oberbürgermeister Fritz Schramma „für eine Lebensleistung, die in ihrer Art einzigartig ist“. Kaum jemand habe in den vergangenen Jahrzehnten das gesellschaftliche Leben in der Stadt so mitgeprägt wie sie, ihr Name sei „Synonym für Stil, für gastronomische Spitzenleistung, für Zuverlässigkeit und besten Service“. Schramma erinnerte an „grandiose Hummerbuffets“ und die legendären süßen Buffets. „Reiss war immer eine Sünde wert. Meist auch mehrere.“
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Die opulenten Dekorationen, das Tafelsilber, die Perfektion des an den Tafeln Gebotenen waren Markenzeichen und ein Stück unverwechselbarer, bundesweit beachteter „Kölner Handschrift“ von Herta Reiss. Rund 80.0000 Teile Porzellan und Besteck besaß die Messe-Gastronomin. Etwa eine halbe Million Mark gab sie im Jahr für Neuanschaffungen aus.
Herta Reiss war die erste Frau, die 1988 in die Vollversammlung der Industrie- und Handelskammer gewählt wurde, 1999 wurde sie mit der selten verliehenen Brillat-Savarin-Plakette ausgezeichnet, der international höchsten Auszeichnung für herausragende Leistungen in Gastronomie, Hotellerie und Zulieferindustrie. Die Laudatio hielt ein frommer Mann – Dompropst Bernard Henrichs, der Gaumenfreuden und Bonmots schätzte und sich als gottgefälliger, kabarettistisch begabter Redner erwies: „Es handelt sich hier ja nicht um den Dom, sondern um den Kristallsaal und nur um eine Laudatio, nicht um eine Heiligsprechung.“ Viel gefehlt hat aber nicht.