Die Gastronomie ist von der Corona-Pandemie besonders gebeutelt. Mit Kreativität und Krediten halten die Kölner Gastwirte durch – einen zweiten Shutdown würden viele Betriebe aber nicht überleben.
Partybar, Restaurant, Brauhaus, Weinbar – wir haben mit einigen Gastwirten über die Herausforderungen gesprochen.
Und auch über das Problem, dass einige Gastronomen über die Corona-Sicherheitsbestimmungen allzu großzügig hinwegsehen.
Köln – Die Terrassen sind voll in diesen Hochsommertagen: „Bei Bepi“, dem Italiener in der Breite Straße, ist am späten Nachmittag jeder Tisch besetzt, im Außenbereich des „Bier-Esel“ auch. Die Bänke vor dem „Waschsalon“ in der Ehrenstraße füllen sich gegen Abend, im „Café de Paris“ warten Menschen nach dem Shoppen auf einen Platz.
Wenn die Kellnerinnen keine Masken trügen und nicht in jedem Eingang eine Flasche Desinfektionsmittel stünde – man könnte denken, es wäre ein normaler Sommer. In Wahrheit könnte es für viele Gastronomen der letzte Sommer sein: Einige wie das Eiscafé Don Gelati in der Neumarkt-Galerie haben schon Insolvenz angemeldet, viele mussten hohe Kredite aufnehmen, um ihre Kosten für die nächsten Monate decken zu können. Die Probleme sind bei der kleinen Weinbar und dem Brauhaus, beim Restaurant und der Partybar etwas unterschiedlich gelagert – vereint sind sie in großer Sorge um ihre Zukunft und in der bangen Frage: Was wird aus meinem Lokal im Herbst, wenn die Terrassen dichtmachen – und die Infektionszahlen wieder steigen?
Die Partybar
Dirk Holzmann sagt: „Ohne Darlehen hätten wir nicht überlebt. Und wenn es eine zweite Welle und einen zweiten Shutdown gibt, werden wir auch nicht überleben.“ Der 66-Jährige sitzt auf einem Hocker des Waschsalons in der Ehrenstraße, er hat ein Schwarz-Weiß-Foto von 1993 mitgebracht, als die Bar eröffnete und sich als Goldgrube erwies. Das Bild ist zerknittert und vergilbt, wie aus einer fernen Zeit. „Wir sind eine Bar, in der am Wochenende Party ist, wir stellen die Stühle hoch, die Menschen wippen ein bisschen – das findet nicht mehr statt und wird auch auf absehbare Zeit nicht mehr stattfinden“, sagt er.
Holzmann ist seit 1987 Gastronom, mit seinem Partner Jürgen Walter gehört ihm auch das Brauhaus ohne Namen in Deutz und das Sülzer Wirtshaus, zudem haben die beiden einen Catering-Betrieb. Im Waschsalon liege der Umsatz aktuell bei 50 Prozent, im Brauhaus und im Wirtshaus jeweils bei 30 Prozent eines normalen Jahres, sagt er. „Der Cateringbetrieb liegt bei Null.“ Mit dem Kredit in sechsstelliger Höhe, dem Entgegenkommen einiger Vermieter und den staatlichen Zuschüssen könnten die Betriebe bis Jahresende über die Runden kommen – „eine Insolvenz wäre das letzte, was ich will, aber wir haben auch das schon durchgespielt“.
Es sei „die Zeit des großen Zitterns“, sagt Holzmann. „Alle warten darauf, was im Herbst passiert: Wenn die Terrassen zumachen und die Menschen sich nicht nach drinnen trauen.“ Der Frust ist ihm anzumerken. „Das liegt daran, dass man sieht, wie die Leistung eines Lebens einfach so zerfließt, ohne, dass man etwas tun kann, und daran, dass wir als Gastronomen keine große Lobby haben. Ich ärgere mich aber auch darüber, dass einige Kollegen die Abstandsregeln aus Profitgier nicht einhalten – und das Ordnungsamt das hinzunehmen scheint.“
Das gehobene Restaurant
Das Restaurant Hase an der St.-Apern-Straße durfte wie viele andere Kölner Lokale in den vergangenen Wochen seine Außenterrasse erweitern – das sei großzügig, helfe aber nur bedingt, sagt Geschäftsführer Babak Navaei, der den „Hasen“ seit 2012 mit seinem Partner Sergio Clerici führt. „Als Lokal mit gehobenem Anspruch haben wir sehr viel Personal, die Abstandsregelungen führen zudem dazu, dass wir statt 65 nur 22 oder 23 Sitzplätze haben.“
Clerici und Navaei haben einen Kredit über 150000 Euro aufgenommen – „mit der großen Ungewissheit, was die Zukunft bringt“. Leider sei der Vermieter ihnen in der Krise nicht entgegengekommen, sagt Navaei. 25000 Euro staatlicher Zuschuss waren „nett, aber letztlich nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Wir haben in kurzer Zeit unverschuldet sehr viel Geld verloren“. Im Moment laufe das Geschäft dank des Sommerwetters draußen gut – „im Herbst würden wir den Außenbereich gern zur Winterterrasse umgestalten, das könnte helfen, uns zu retten, geht aber nicht so einfach, es ist unsicher, ob wir das genehmigt bekommen“.
Das Brauhaus
Über Heizpilze hat auch Alexander Manek, Wirt des „Bier-Esel“ in der Breite Straße, schon nachgedacht. Der 46-Jährige, dem auch das „Haus Unkelbach“ auf der Luxemburger Straße und das Lokal „Zum Alten Brauhaus“ auf der Severinstraße gehören, sieht im Terrassenbetrieb so etwas wie die letzte Chance. „Hier in der City wäre es dringend erforderlich, dass die Biergärten bis 0 Uhr statt wie bislang bis 23 Uhr oder in manchen Straßen nur bis 22 Uhr geöffnet bleiben dürfen“, sagt er. Für den Winter überlege er, im Biergarten des Haus Unkelbach Heizstrahler aufzustellen und Glühwein auszuschenken. Sorgen bereiten Manek auch Gedanken an die Karnevalssession: „Ich glaube nicht, dass es Karneval so geben wird“, sagt er. „Vielleicht werden wir am 11.11 morgens und nachmittags jeweils ein bestimmtes Kontingent an Leuten reinlassen dürfen, die dann auf Abstand feiern – mit richtigem Karneval wird das wenig zu tun haben.“
Mit einem lohnenden Geschäft auch nicht: Zwischen Weiberfastnacht und Rosenmontag macht das Haus Unkelbach normalerweise zehn Prozent seines Jahresumsatzes. „Was für uns am Ende des Jahres übrig bleibt, verdienen wir normalerweise im Karneval. Das sehe ich auch für nächstes Jahr nicht.“ Größtes Sorgenkind von Manek ist das Lokal „Zum Alten Brauhaus“ – „weil wir dort keine Außengastronomie haben“. Die Einbußen lägen im Severinsviertel bei gut 60 Prozent, „im Unkelbach und im Bier-Esel sind es nur 20 Prozent – solange das Wetter mitspielt“.
Das Traditionslokal
Erst mal möchte Paulo Ferraresso klarstellen: „Wir sind froh, dass wir alle gesund sind. Und froh, dass die Menschen wieder da sind.“ Natürlich habe er Angst um die Existenz seines Restaurants, sagt der Wirt des italienischen Traditionslokals „Bei Bepi“ in der Breite Straße. „Aber das ist nichts gegen das Leben, das jeder von uns nur einmal hat. Ich wundere mich, dass in einigen Cafés in der City jeden Tag Karneval zu sein scheint. Aber es zeigt sich schon jetzt, dass es gefährlich ist, unvorsichtig zu sein: Die Zahlen steigen wieder – und die Quittung kriegen wir vielleicht, wenn die Sommersaison vorbei ist.“
Ferraresso sitzt mit seiner Frau Anne Klünter im Inneren des Lokals. „Der Lockdown hat uns getroffen wie der Blitz“, sagt er. „Es ist schlimm, Berufsverbot zu bekommen, ohne etwas getan zu haben. Aber es war wohl nötig.“ Für die nächsten Monate könne er nur hoffen: „Wir hatten Glück, dass unser Vermieter uns entgegengekommen ist. Wir freuen uns, dass einige Kunden unseren Kellnern ein Corona-Trinkgeld geben. Aber wir brauchen bald einen Impfstoff, damit die Menschen wieder normal ins Restaurant gehen – und wir wieder wirtschaftlich arbeiten können. Denn hohe Umsatzeinbußen haben wir auch jetzt – obwohl die Terrasse voll ist.“
Die Weinbar
„Ich verdränge im Moment ein bisschen“, sagt Valentine Mühlberger. „Meine Stimmung schwankt zwischen Verzweiflung und so einer Jetzt-erst-recht-Einstellung.“ Ihre charmante „Weinbar Rix“ hat Mühlberger im Mai 2018 am Friesenwall eröffnet. Gäste können bei ihr aus fast 200 Flaschenweinen wählen – die Bar war für die Weinakademikerin ein Lebenstraum, den zu erfüllen sie viel Geld kostete. Dann kam Corona, die Schließung der Lokale – Mühlberger bewarb sich erfolglos als Spargelstecherin, inzwischen hilft sie auf einem Weingut aus.
Ihre Weinbar hat auch wieder geöffnet, dass sie die Außenterrasse erweitern durfte, helfe ihr, sagt sie. „Trotzdem rechne ich für dieses Jahr mit einem Verlust von 20000 bis 30000 Euro. Dazu muss ich auch noch privat meine Miete zahlen – und habe keinen doppelten Boden.“
Mühlberger bietet inzwischen Online-Weinproben mit renommierten Winzern an, sie kooperiert auch mit einem Kneipier und einer italienischen Pasta-Bar in der Nachbarschaft. „Da ich keine Angestellten habe, bin ich etwas flexibler“, sagt sie. „Dieses Jahr schaffe ich es, weiterzumachen. Und wenn ich dieses Jahr schaffe, schaffe ich es auch nächstes Jahr. Hoffe ich jedenfalls. Aber wenn ich richtig nachdenke, ist die Lage natürlich dramatisch – und ich weiß nicht, was wird.“