Im Vergleich zu den Vorjahren blieb es an Weiberfastnacht im Zülpicher Viertel, auf der Uniwiese und am Aachener Weiher deutlich leerer.
Kölner KarnevalJunge Jecken feiern friedlich und ausgelassen auf der Zülpicher Straße

11.11 Uhr auf der Zülpicher Straße: Junge Jecken feiern im Konfettiregen.
Copyright: Alexander Schwaiger
Pünktlich um 11.11 Uhr beweisen die Ratsbläser, dass Brauchtum und Zülpicher Straße entgegen vieler Behauptungen vielleicht doch zusammenpassen: Als sie ihr Überraschungskonzert aus den Fenstern von „Oma Kleinmann“ mit „Denn wenn et Trömmelche jeit“ beginnen, stimmen die Umstehenden schnell mit ein. Zu „Stääne“ liegen sich die Jecken bis ans andere Ende der Kreuzung in den Armen und schunkeln gemeinsam. Nach rund einer Viertelstunde ruft die Menge immer noch „Einer geht noch, einer geht noch rein“ – und die Ratsbläser müssen sich nicht zweimal bitten lassen. Erst nach rund 25 Minuten beenden sie ihren Spontan-Auftritt mit „Heidewitzka, Herr Kapitän“.

Die Ratsbläser haben ein Überraschungs-Konzert auf der Zülpicher Straße gespielt.
Copyright: Thomas Banneyer/dpa
„Das war sowas von geil! Ich komme aus Berlin, da kennt man sowas nicht. Dieser Zusammenhalt, das ist einfach richtig schön“, sagt Max nach dem Spontankonzert. Paula, im Gegensatz zu ihm in Köln geboren, stimmt zu: „Das war einfach richtig toll, das ist Karneval. Das ist für mich auch definitiv das Tages-Highlight.“
Auch wenn man es um 11.11 Uhr mitten auf der Zülpicher Straße nicht direkt merkt: Der Andrang ist dieses Mal deutlich geringer als sonst. Waren die Zugänge in den vergangenen Jahren um 11.11 Uhr oft schon zu, weil zu viele Jecke auf die Zülpicher Straße strömten, bleiben sie am Donnerstag den ganzen Tag geöffnet.
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Erhöhte Sicherheitsmaßnahmen im Zülpicher Viertel
Dass es leerer ist als sonst, fällt auch den als Bauarbeitern verkleideten Jakob, Can und Yannik auf. Sie kommen jedes Jahr aus Bergisch Gladbach zum Straßenkarneval auf die Zülpicher Straße. „Wegen der jungen Leute, hier ist gute Stimmung“, sagt Can. „Und uns ist aufgefallen, dass mehr Polizei unterwegs ist. Das ist gut, wir fühlen uns sicherer.“ Die erhöhten Sicherheitsmaßnahmen sind deutlich sichtbar: An Kreuzungen und Eingängen stehen nun überall mobile Terrorsperren und Poller, die Autos aufhalten sollen.
Auch Aicha und Nele fühlen sich durch die vielen Kontrollen und Polizeipräsenz auf der Zülpicher Straße sicher. „Wir haben uns vorher schon Gedanken gemacht“, sagt Aicha und spielt damit auf die im Netz veröffentlichte IS-Drohung an. Aber sie wollten trotzdem feiern.

Aicha und Nele feiern jedes Jahr auf der Zülpicher Straße, weil sie hier viele Freunde treffen.
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Polizeipräsident Johannes Hermanns und Einsatzleiter Martin Lotz verschaffen sich am Mittag einen Überblick in der Altstadt, Hermanns zieht ein zufriedenes Zwischenfazit: „Aus Polizeisicht ist die Lage bisher sehr ruhig. Die Stadt ist gut gefüllt, aber es sind deutlich weniger Menschen unterwegs als voriges Jahr.“ Ob das an der Terrordrohung liegt?
„Mein Eindruck ist, dass die Kölner das mit der nötigen Gelassenheit aufnehmen, sie sind entspannt und feiern friedlich“, sagt Hermanns. „Und es ist auch wichtig, dass wir uns nicht beeindrucken lassen.“ Vor allem rund um Alter Markt und Heumarkt ist die starke Polizeipräsenz auffällig. „Wir wollen dafür sorgen, dass alle friedlich feiern können. Dafür bringen wir alles auf die Straße, was wir haben. Wir haben die Stadt gut im Blick“, betont der Polizeipräsident.
Um Punkt 11.11 Uhr bricht Jubel aus auf der Zülpicher Straße. Konfetti fliegt durch die Luft. Kurz danach geht ein einzelner Böller hoch. In den vergangenen Jahren zündeten einige Jecken Bengalos. Die Stimmung ist ausgelassen und größtenteils friedlich. Nur wie es die Jecken geschafft haben, einen Verkehrsmast an der Zülpicher Straße kaputtzukriegen, bleibt ein Rätsel. Der Mast liegt verbogen mitten auf der Straße. Sicherheitsleute versuchen den Mast nun komplett von der Straße zu entfernen – was ihnen in der Menge sichtlich schwerfällt.
Kaum Jecken am Aachener Weiher
Auch die Clubbetreiber im Kwartier Latäng merken, dass weniger Jecke unterwegs sind. Vor der Roonburg ist mittags schon keine Schlange mehr. „Das ist nicht normal“, sagt Betriebsleiter Paulo Soares und zeigt in seinem Büro auf die Bilder der Überwachungskameras.
Im Studentenclub Ding sei es am Mittag voll, sagt Chefin Claudia Wecker. „Die Leute kommen ganz gezielt hierher.“ Dass es auf den Straßen deutlich leerer ist, ist aber auch ihr aufgefallen. Im „Stiefel“ sei der Andrang überschaubar, mit dem einsetzenden Nieselregen am Nachmittag füllt es sich aber langsam.
Auch Michael Neumann von der Bürgergemeinschaft Rathenauplatz ist überrascht ob des geringen Andrangs im Zülpicher Viertel. „Auf der Ausweichfläche auf den Uniwiesen waren um kurz vor 12 vielleicht 15 Prozent der Menschen, die hier sonst unterwegs sind“, sagt er. „Klar, leer ist es nicht. Aber man kann hier noch relativ entspannt durch die Straßen laufen. Sonst watet man um 11 Uhr schon durch den Müll auf der Zülpicher Straße. Das ist heute bei weitem nicht so schlimm.“ Gleichzeitig registriert Neumann deutlich mehr Polizisten, Security-Personal und auch Toiletten. Das mache sich positiv bemerkbar. Ein ähnliches Bild ergibt sich für Neumann am Aachener Weiher. „Mit den vergangenen Jahren ist das nicht vergleichbar.“

Ein letztes Mal soll die Uniwiese für den Straßenkarneval als Ausweichfläche dienen.
Copyright: Alexander Schwaiger
Warum dieses Jahr weniger Jecke ins Zülpicher Viertel drängen, darüber könne er nur spekulieren. „Ich glaube aber nicht, dass das mit Angst vor möglichen Terroranschlägen zu tun hat.“ Vielleicht sei das Zülpicher Viertel langsam einfach out: „Die jungen Menschen sehen ja, wie unattraktiv das Angebot hier ist: Auf der Uniwiese gibt’s keinen Alkohol und keine Musik. Und auch auf der Zülpicher Straße kann man im Prinzip nur rumstehen und trinken.“
Dass die Stadt die Uniwiese in dieser Session das letzte Mal als Ausweichfläche nutzen will und sich um Alternativflächen bemüht, freut Neumann trotzdem. Die Skepsis, dass es auch wirklich so kommt, bleibt aber: „An allen Orten, die im Raum stehen, sagen die Anwohner natürlich, dass sie darauf keine Lust haben.“ Das könne er gut nachvollziehen, sagt Michael Neumann.

Anne (r.) feiert mit ihren Freunden in ihrer neuen Wohnung direkt auf der Zülpicher Straße.
Copyright: Annika Müller
Während andere Anwohner sich über die Zustände beim Straßenkarneval beschweren, nutzt Anne die Lage ihres neuen WG-Zimmers für eine Party. Aus dem Fenster in der Erdgeschosswohnung in der Zülpicher Straße schallt „Superjeilezick“, junge Frauen sitzen auf der Fensterbank und lassen ihre Beine nach draußen baumeln. „Es ist ultrageil“, sagt Anne, die seit drei Monaten hier wohnt. Die 19-Jährige ist für das Studium aus Bergisch Gladbach hergezogen – gefeiert hat sie auch die letzten Jahre schon genau hier.
Nur zum Aachener Weiher zieht es in diesem Jahr kaum jemanden. War es im Hiroshima-Nagasaki-Park in den Vorjahren noch proppenvoll, ist diesmal ein großes Areal mit Zäunen abgesperrt, erstmals herrscht Glasverbot, es gibt bewachte Ein- und Ausgänge. Den Feiernden bleibt nur ein eher schmaler Korridor mitten auf dem Hügel. Und auch dort ist den ganzen Tag über viel Wiese zu sehen, kaum Jecke.
Noch leerer wird es schlagartig, als gegen 15 Uhr der Regen einsetzt. Eine junge Frau im Feen-Kostüm fragt ihre Freundinnen beim Blick auf den leeren Park: „Und dafür hat die Stadt hier alles abgesperrt?“