Das Oberlandesgericht Köln lässt die Frage zu einem möglichen Meineid Kardinal Woelkis offen.
Prozess um PresseberichteKölner Kardinal siegt gegen „Bild“ – hat durch Zeugenaussage aber ganz andere Probleme
Der Kölner Kardinal Rainer Woelki hat vor dem Oberlandesgericht (OLG) Köln einen weiteren Sieg gegen die „Bild“-Zeitung errungen und sich damit erfolgreich gegen Berichte gewehrt, in denen es um die Beförderung eines Pfarrers in ein herausgehobenes Kirchenamt im Jahr 2017 ging – und ganz konkret um die Frage, ob Woelki vorher brisante Dokumente zu dem Pfarrer aus dessen Personalakte kannte und ignorierte.
Köln: Streit um Polizeiwarnung zu befördertem Pfarrer
Der beförderte Pfarrer hatte im Jahr 2001 am Kölner Hauptbahnhof einen sexuell motivierten Kontakt zu einem 16 Jahre alten Stricher. Die Polizei empfahl den kirchlichen Vorgesetzten daraufhin schriftlich, der Geistliche solle aufgrund von Wiederholungsgefahr nicht mehr in einem Bereich eingesetzt werden, wo er Kontakt zu Kindern und Jugendlichen haben könnte. Der Vermerk wanderte auch in die Personalakte des Pfarrers.
Nachdem die „Bild“ berichtet hatte, dass Woelki die Personalakte mit dem Polizeivermerk gekannt und den Pfarrer trotzdem befördert habe, klagte der Kardinal. Und zwar erfolgreich. Die Richter am OLG bestätigten mit Urteil vom 13. Juni (Aktenzeichen 15 U 70/23) eine vorangegangene Entscheidung des Landgerichts Köln, wonach die „Bild“ ihre Angaben nicht habe beweisen können. Die Zeitung habe damit eine Tatsachenbehauptung mit „fehlendem Wahrheitsgehalt“ aufgestellt und den Kardinal auch nicht zuvor um eine Stellungnahme gebeten. Das OLG ließ keine Revision zu seinem Urteil zu.
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Woelkis Anwalt: Sieg des Kardinals
Woelkis Anwalt Carsten Brennecke von der Kölner Kanzlei Höcker sprach von einem Sieg des Kardinals. Das Urteil des OLG räume mit der „Legende“ auf, Woelki habe bei der Beförderung des Pfarrers die Warnung der Polizei und Protokolle aus der Missbrauchsakte des Geistlichen gekannt.
Ein Sprecher des Medienhauses Axel Springer SE, in dem die „Bild“ erscheint, betonte hingegen auf Anfrage die Berechtigung von Kritik an Woelkis Amtsführung: „Die Beförderung eines aktenkundigen Missbrauchspriesters war schlichtweg skandalös.“
Kölner Richter kritisierten Woelki bei Prozessauftakt
Juristisch hat Woelki somit gewonnen, moralisch aber nach Auffassung von Prozessbeobachtern verloren. So hatte der Kardinal in einer Vernehmung vor dem Landgericht etwa eingeräumt, „von der Sache am Hauptbahnhof“ gehört zu haben. Ihm sei aber versichert worden, dass sich der Pfarrer seit vielen Jahren gut bewährt habe. Weitere Gerüchte wie „Saunagänge mit Leuten“ hätten sich indes nicht bewahrheitet.
Die OLG-Richter hatten zum Prozessauftakt zwar kritisch angemerkt, es wäre für Woelki vor einer solchen Beförderung naheliegend gewesen, sich als Behördenleiter vor einer Beförderung die Personalakte anzuschauen. „Man hätte schon maximal sensibilisiert sein können“, übte ein Richter scharfe Kritik. Doch um dieses Versäumnis Woelkis sei es in der presserechtlichen Auseinandersetzung nicht gegangen, betonte eine Gerichtssprecherin.
Kölner Kardinal: Strafrechtliche Ermittlungen gehen weiter
Deshalb spielten für die Entscheidung des Gerichts auch etwaige „Bedenken gegen die Richtigkeit einzelner – für die hiesige Beweisfrage nicht relevanter – weiterer Angaben“ Woelkis keine Rolle.
Insbesondere ließ das OLG die Frage offen, die derzeit die Staatsanwaltschaft Köln beschäftigt: Hat Woelki in seiner damaligen Zeugenaussage vor dem Landgericht zum Fall des beförderten Priesters einen Meineid geleistet? Selbst wenn dies so wäre, wäre es für den Rechtsstreit zwischen Woelki und der „Bild“ ohne Belang. Daher sei auch eine „mit Blick auf die gegen den Kläger laufenden strafrechtlichen Ermittlungen denkbare Aussetzung des Verfahrens nicht veranlasst“ gewesen.
Der „Bild“-Sprecher zeigte sich zuversichtlich, dass das Ermittlungsverfahren die bislang fehlenden Nachweise gegen Woelki erbringen werde. „Bereits jetzt steht aber fest: Kardinal Woelki hat entweder dreist (und strafrechtlich relevant) vor Gericht gelogen oder – anderenfalls – seine Dienstpflicht in nicht tragbarer Art und Weise verletzt.“
Die Kölner Staatsanwaltschaft hatte einen Anfangsverdacht eines möglichen Meineids Woelkis vor dem Landgericht sowie zweier falscher eidessstattlicher Versicherungen bejaht. Woelki bestreitet die Vorwürfe. Nach einer Razzia beim Kardinal und der Beschlagnahmung dessen Mobiltelefons werden nun etwa 120.000 Chatnachrichten ausgewertet. Auch wühlen sich die Ermittler derzeit durch 800.000 E-Mails aus der Führungsspitze des Erzbistums.