Die Ermittler des Kommissariats 73 sind die einzigen im Land, die auf die Observation von Taschen- und Trickdieben spezialisiert sind.
Die Tricks der TaschendiebeUnterwegs mit Zivilfahndern der Polizei auf den Kölner Weihnachtsmärkten
Einen Kardinalfehler beim Observieren macht der Reporter gleich beim ersten Sichtkontakt mit einem verdächtigen Taschendieb an der KVB-Haltestelle Heumarkt. „Schwarzes Basecap, Jeans, weiße Schuhe. Kommt auf uns zu“, sagt Zivilfahnder Georg Schmidt (Name geändert) noch, der mit dem Rücken zum Verdächtigen steht – und unwillkürlich wendet sich der Reporter ab. Bloß nicht hinschauen. Lieber so tun, als hätte man gerade etwas sehr Spannendes auf der anderen Straßenseite gesehen. Dabei ist das genau falsch.
„Einfach weiter unterhalten und ganz normal verhalten“, sagt Schmidt später. Das sei am unauffälligsten. In diesem Fall ist alles gut gegangen: Eri (Name geändert), der 14 Jahre alte mutmaßliche Dieb, hat seine Verfolger nicht bemerkt. Mit mehreren Begleitern, von denen die Polizei einige – wie auch Eri selbst – schon mehrfach festgenommen hat, spaziert der Jugendliche über den Bahnsteig und bleibt an der Bushaltestelle nebenan stehen.
Köln: Zahl der Taschendiebstähle ist gesunken
Die Fahnder des Kommissariats 73, spezialisiert auf Taschendiebe und Trickdiebstahl, sind an diesem Mittwochabend in der Kölner Innenstadt unterwegs – so wie jeden Abend. Das Team ist auf der Suche nach Tätern bei der Arbeit, wenn man so will, oder auch: „Tätern im Modus“, wie die Beamten das nennen. Dass die überwiegend jungen Verdächtigen nicht als harmlose Besucher über die vollen Weihnachtsmärkte schlendern, lasse sich zum Beispiel an ihrer erhöhten Körperspannung erkennen, an großen Schals, mit denen sie den Griff in fremde Taschen abdecken, an offensichtlich unlogischen Wegen und abrupten Kehrtwenden, die sie vollführen – oder auch an ihren Blicken, die nicht auf die Waren und Stände gerichtet sind, sondern auf die Menschen im Gewimmel, auf leichte Opfer.
Alles zum Thema Weihnachtsmarkt Köln
- „Absolute Sicherheit gibt es nicht“ Das sagen Kölner Weihnachtsmärkte, Polizei und Stadt nach Magdeburg
- Zeiten, Angebote & Highlights „Markt der Engel“ 2024 – Alle Infos zum Kölner Weihnachtsmarkt auf dem Neumarkt
- Zeiten, Angebote & Programm Diese Highlights erwarten Sie beim Weihnachtsmarkt am Kölner Dom 2024
- Zeiten, Angebote & Highlights „Nikolausdorf“ 2024 – Alle Infos zum Kölner Weihnachtsmarkt auf dem Rudolfplatz
- Zeiten, Angebote & Highlights Das erwartet Sie beim Kölner Weihnachtsmarkt am Heumarkt und Alter Markt 2024
- Zeiten, Angebote & Highlights Alle Infos zum Kölner Weihnachtsmarkt im Stadtgarten 2024
- Termine 2024 im Überblick Weihnachtsmärkte in Köln und Region
Auf dem Heumarkt schiebt sich die Menge durch die engen Gassen. Vor einer Wurstbude bemerkt Fahnder Schmidt zwei junge Männer, die sich nicht um das weihnachtliche Treiben scheren. Sie bleiben immer wieder stehen, schauen sich um, gehen weiter. Mit einigen Schritten Abstand folgt der Kriminalhauptkommissar den beiden. Über Handy steht der 48-jährige Teamleiter jederzeit in Kontakt mit seinen Kolleginnen und Kollegen. Er gibt seine Beobachtungen und seinen Standort durch, andere Fahnder helfen jetzt bei der Observation.
Die Zivilermittler um Kommissariatsleiter Roland Dingfeld sind bei der Kölner Polizei eine der Einheiten mit den meisten Festnahmen auf frischer Tat. Eine Spezialisierung auf das Entdecken und die Observation von Taschen- und Trickdieben gibt es in dieser Form landesweit kein zweites Mal, bundesweit noch in München und Berlin. Drei Jahre dauere es in der Regel, bis ein neuer Kollege oder eine neue Kollegin den Job beherrsche, weiß Georg Schmidt.
Und dennoch: Die Fahnder können nicht überall sein. Knapp 8800 Taschendiebstähle wurden voriges Jahr in Köln angezeigt, fast 800 allein im Dezember. Dieses Jahr sind die Fallzahlen etwas besser, bislang (Stand: 19. Dezember) wurden in Köln etwas mehr als 6300 Taten angezeigt. Vor allem die Kölner Weihnachtsmärkte ziehen reisende Täter aus der ganzen Welt an. Sie kommen sogar aus Südamerika, berichtet Schmidt. Das Gros der Diebe stammt aus Südosteuropa.
Es ist jetzt 20.30 Uhr. Von den beiden Männern auf dem Heumarkt haben die Ermittler abgelassen. „Nicht interessant für uns, die hatten keine Aura“, formuliert es Georg Schmidt. Heißt: keine Körperspannung, keine versuchte Tat.
Köln: Taschendiebe wenden verschiedene Tricks an
Die Maschen der Diebe sind verschieden: Da gibt es die „Schlitzer“, die Handtaschen mit Teppichmessern aufschneiden, die „Antänzer“ und ähnliche Gruppen, die ihre Opfer ansprechen, sie ablenken und dann zugreifen. Und es gibt diejenigen, die den Leuten einfach in die Rucksäcke greifen – oder in die rechte Jackentasche, denn dort verstauen die allermeisten Menschen ihre Handys, sagt Roland Dingfeld. Er selbst trage seine Wertsachen am Körper, berichtet Fahnder Schmidt, möglichst in einer abschließbaren Innentasche.
Manche Täter arbeiten allein, was für die Fahnder einfacher ist. Manche treten in Gruppen auf: Einer verdeckt den Zugriff, ein anderer zieht das Handy oder die Geldbörse aus der Tasche, ein dritter nimmt die Beute entgegen und verschwindet damit. Wieder andere achten darauf, dass keine Zivilpolizisten in der Nähe sind. Denn so wie die Fahnder ein Auge für ihr Klientel haben, so ist es auch umgekehrt: Viele Täter haben einen guten Blick für Zivilpolizisten.
Köln: Taschendiebe observieren auch die Polizei
Mitunter kennt man sich auch von früheren Festnahmen. Wird ein Verdächtiger zur Vernehmung mit aufs Kommissariat genommen, schließen sich die Bürotüren. Denn die Täter versuchen, sich die Gesichter der Polizisten einzuprägen. „Manche schicken sich gegenseitig Fotos oder Videos von uns“, weiß Schmidt.
Dass viele Diebe mehrfach festgenommen werden, bis sie irgendwann endlich das erste Mal zu einer Haftstrafe verurteilt werden, sorgt in der Bevölkerung vielfach für Unverständnis. Kommissariatsleiter Dingfeld erklärt: „Eine einzelne Tat reicht oftmals nicht für einen Haftbefehl. Deshalb fassen wir mehrere Taten zu einem Sammelverfahren zusammen.“ Dadurch haben Staatsanwaltschaft und Gericht die Möglichkeit, einen Haftbefehl zu erlassen.
Georg Schmidt sieht das gelassen, er sagt: „Wir machen unseren Job, so gut es geht. Ich sehe mich da wie einen guten Apportierhund.“ Seine Motivation ziehe er vor allem aus dem Kontakt mit den Opfern. „Jemandem sein Portemonnaie oder das Handy zurückgeben zu können, macht mir Spaß, dafür mache ich das.“
Um 22 Uhr schließen die Weihnachtsmärkte, auch die Fahnder machen für heute Feierabend. Den 14-jährigen Eri haben sie noch eine Weile im Bus verfolgt. Aber seine Hände blieben in den eigenen Taschen. Eri war heute nicht im Modus.