Ralf Mayer ist neuer Leiter des Kölner Ordnungsamts. Ein Interview über Falschparken, Kontrollen vor Schulen und den Kontakt zu den Menschen.
„Müssen unser Handeln erklären“Neuer Kölner Amtschef will Casting für Straßenmusiker – und kündigt mehr Tempokontrollen an
Herr Mayer, nach zwölf Jahren als Leiter des Bürgeramtes Nippes sind Sie zurück im Ordnungsamt – diesmal als Chef. Das Amt ist in unruhigem Fahrwasser unterwegs. Haben Sie mal gedacht: Hätte man mich doch besser nicht gefragt?
Das Fahrwasser ist sogar noch unruhiger, als ich dachte. Einige Störfaktoren wurden mir erst im Bewerbungsprozess bekannt, zum Beispiel die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen (wegen Untreue im Zusammenhang mit den beauftragten Sicherheitsdiensten an Karneval, d. Red.). Aber selbst wenn ich das früher gewusst hätte, hätte mich das nicht davon abgehalten, diese Chance zu ergreifen. Manche Tätigkeiten im Bürgeramt habe ich zum zweiten oder zum dritten Mal erlebt, der Jobwechsel kam daher genau zum richtigen Zeitpunkt. Mich reizte die neue Herausforderung. Im Ordnungsamt arbeiten echt klasse Leute, viele der 1000 Beschäftigten kenne ich noch aus meiner früheren Zeit beim Ordnungs- und Verkehrsdienst. Aber ich habe auch Respekt vor der Aufgabe.
Ihre Amtsvorgängerin, Athene Hammerich, wollte, dass die Kölnerinnen und Kölner das Ordnungsamt als „Möglichmacher“ erleben. Welches Etikett wählen Sie?
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Ich möchte das „Miteinander“ in den Vordergrund stellen. Miteinander sprechen, miteinander gestalten. Wir müssen Formate entwickeln, wo die Politik dabei ist, die Verwaltung, Interessenverbände, einzelne Geschäftstreibende – ein bunter Mix. Heute ist alles viel mehr auf Kommunikation ausgerichtet als noch vor 15 oder 20 Jahren. Das Entscheidende ist, dass wir als Ordnungsamt unser Handeln erklären.
Wurde das bisher zu wenig getan?
Das Bedürfnis nach Kommunikation in der Gesellschaft wird immer größer. Wir sind da zwar schon richtig gut, aber eine Stadtverwaltung läuft diesem gesellschaftlichen Wandel und dem geänderten Kommunikationsverhalten immer ein bisschen hinterher. Ich würde gerne noch viel stärker ins Amt hineingeben, dass wir unsere Beweggründe darstellen müssen. Wenn wir jemanden wegen Falschparkens verwarnen, sollten wir erklären, warum wir das tun. Nicht nach dem Motto agieren: Pech gehabt. Wir wollen noch mehr ins Gespräch mit den Bürgern kommen. Das machen wir zum Beispiel mit dem Format „Veedelstreff“ auf Marktplätzen. Aber ich will auch nicht nur dahin, wo es geschmeidig läuft, sondern wir müssen auch da hin, wo es weh tut. Ich will möglichst viele Leute mitnehmen.
Wird zu viel auf dem Ordnungsamt herumgehackt?
Naja, manchmal fühlen wir uns tatsächlich ungerecht behandelt. Weil wir mit kleinen Handlungen in die Kritik geraten, die dann so ausgebreitet werden, als täten wir nichts anderes. Es ist ja nicht so, dass wir grundlos Blumenkübel entfernen wollen oder einen Dessousladen maßregeln, weil da eine Sitzbank vor dem Schaufenster steht. Mein Ansatz ist, dass man in so einem Fall gemeinsam überlegt, was sinnvoll ist – und gemeinsam eine Lösung erarbeitet. Die lässt sich nicht immer, aber sehr oft hinbekommen.
Und wie?
Es sind eigentlich nur kleine Stellschrauben, an denen wir drehen müssen. Meine Kolleginnen und Kollegen sind alle sehr gut ausgebildet. Es geht nur darum, dass sie die bereits vorhandenen guten Ansätze verfeinern und noch mehr verinnerlichen, nicht unmittelbar in allen Fällen repressiv zu handeln, sondern mit Fingerspitzengefühl im Rahmen der Verhältnismäßigkeit zu handeln. Ich stehe hinter ihnen, wenn sie den Spielraum, den wir ja haben, manchmal vielleicht etwas kreativer nutzen, um Konflikte früh einzugrenzen.
Klingt ein bisschen so, als wollten Sie das Ordnungsamt zu einer Feel-Good-Behörde machen.
Ich möchte, dass sich meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wohlfühlen, ja. Weil ich dann auch erwarten kann, dass sie einen guten Job machen. Aber ich kann es natürlich nicht allen Bürgerinnen und Bürgern recht machen. Wer ordnungswidrig handelt, muss teilweise eben auch mit den Konsequenzen leben.
Wie beurteilen Sie die „Mediterranisierung“ des öffentlichen Lebens? Zum Beispiel auf dem Brüsseler Platz, wo die Probleme auch nach so vielen Jahren und trotz Dialogs noch nicht gelöst werden konnten.
Die Mediterranisierung fing in Köln 2005 mit dem Weltjugendtag an und hat sich 2006 mit der Fußball-WM so richtig verfestigt. Das ist Ausdruck eines gewissen Wertewandels in der Gesellschaft. Die Leute haben eine Vorstellung von Freiheit und möchten gerne im öffentlichen Raum das tun, wofür wir als Stadtverwaltung ja sogar lange selbst geworben haben: Unter Oberbürgermeister Fritz Schramma hatte die Stadt Köln das Konzept „Ran an die Plätze“ entwickelt. Wir wollten, dass die Plätze für öffentliches Leben genutzt werden. Hat aber nicht funktioniert, als man es steuern wollte. Und dann gab es auf einmal gab es eine Veränderung in der Gesellschaft, und es entstand eine Eigendynamik. Das geht nicht ganz ohne Konflikte. Wir befinden uns als Stadt nun in einer ganz schwierigen Situation. Wir sind da ja auch in Gerichtsverfahren und hoffen auf ein gutes Ende. Was wir nicht wollen, ist, dass wir gezwungen werden, etwa durch Richtersprüche, einen öffentlichen Platz zu räumen. Wir arbeiten daran, dass wir es anders hinkriegen.
Und wie?
Im Moment versuchen wir, gemeinsam mit den Gastronomen vor Ort, Lösungsansätze zu entwickeln. Darüber hinaus haben wir die Reinigung durch die AWB jetzt wieder nach hinten verlegt, auf 23.30 Uhr. Damit wollen wir erreichen, dass wir um 24 Uhr durch die Nassreinigung nicht mehr allzu viele Menschen auf dem Platz haben. Aber das Belgische Viertel ist nun mal ein Hype-Viertel bei jungen Erwachsenen.
Das Ordnungsamt will die Straßen- und Fahnenmalern am Kölner Dom verbieten. Warum?
Die Fahnenmaler machen uns echt das Leben schwer. Zum einen haben die schon den Boden versaut, die AWB kriegt die Farbe nicht mehr weg. Zum anderen breiten die sich so aus, dass Fußgänger Slalom laufen und sich auf der Domplatte nicht mehr ungehindert bewegen können. Zudem vermuten wir im Hintergrund mafiöse Strukturen, denn Kolleginnen und Kollegen berichten mir sehr glaubhaft, dass da verdammt viel Geld auf dem Dompflaster zusammenkommt, das teilweise in kleinen Säcken an irgendwen weitergereicht wird, der im Auto vorfährt. Und das, obwohl der Hauptakteur, der Fahnenmaler, obdachlos ist und auf der Platte lebt. Viele werden aggressiv, gerade dann, wenn man die Flaggen mal betritt. Es würde der Domumgebung gut tun, dort auf Straßenmalerei oder Fahnenmalerei zu verzichten.
Dabei gehört Straßenmalerei doch eigentlich auch zu einem lebendigen Innenstadtbild dazu.
Klar, ich finde es auch schade, dass dieser Weg nötig ist. Ich mag Kunst im öffentlichen Raum. Ich mag auch Straßenmusik. Ich mache selbst Musik – es reicht zwar nicht für eine professionelle Karriere, aber egal, es macht Spaß. Da schlagen zwei Herzen in meiner Brust. Aber dieser Cut ist wichtig, weil man dann nochmal von Punkt Null aus überlegen kann: Was wollen wir eigentlich wie möglich machen? In München zum Beispiel gibt es richtige Castings für Straßenkünstler.
Fänden Sie so etwas auch für Köln gut?
Ja, ich bin dafür. Juryvorsitzender sollte aber nicht der Ordnungsamtsleiter sein, eher Menschen aus dem Kulturbereich der Stadt Köln, warum nicht auch die Rheinische Musikschule oder die Musikhochschule. Aber Straßenmusik muss nicht nur künstlerisch hochanspruchsvolle Musik sein. Es kann auch Populärmusik sein. Nur sollte irgendwer entscheiden, ob das handwerklich okay ist, was da gespielt wird. Das Repertoire sollte auch nicht nur aus zwei Songs bestehen, sondern vielleicht aus zehn. Die Musiker dürfen ja eine halbe Stunde am Stück an einem Ort spielen, es wäre also schon gut, wenn die sich in der Zeit nicht wiederholen. Klar ist für mich auch, dass die Erlaubnis, die Musiker dann nach einem erfolgreichen Casting bekämen, keine Gebühr kosten sollte. Straßenkunst ist schließlich eine Bereicherung für uns alle.
Wo wollen Sie weitere Schwerpunkte setzen?
Da, wo die Unfallzahlen in den letzten Jahren exorbitant gestiegen sind oder es schwere Unfälle gab, möchte ich mehr Geschwindigkeitskontrollen durchführen. Da müssen wir mit der Überwachung sein. Ich stelle mir eine Art Unfall-Landkarte vor, die wir mit Unterstützung der Polizei und der Unfallkommission erstellen, um noch treffsicherer unsere mobilen Geschwindigkeitskontrollanlagen zu platzieren. Auch bei der Schulwegsicherung müssen wir mehr unternehmen, häufiger und intensiver in Eckbereichen kontrollieren, weil da Sichtbehinderungen durch Falschparker entstehen, die letzten Endes die Kleinsten treffen und schwache Verkehrsteilnehmer wie Radfahrende. Das Thema ist mir eine Herzensangelegenheit.
156 Ordnungskräfte für eine Millionen Einwohner, dazu 50 freie Stellen – welche Aufgaben bleiben da liegen?
Wir sind funktionstüchtig, aber es fällt uns schwer, zusätzliche Aufgaben wahrzunehmen oder in der nötigen Kontrolldichte durchzuführen, so dass wir auch eine Wirkung sehen oder eine Verhaltensänderung herbeiführen könnten. Schrottfahrräder zum Beispiel würde ich gerne viel mehr entfernen lassen. Oder Grünflächenkontrollen durchführen. Cannabis-Kontrollen vor Schulen und in anderen verbotenen Zonen machen wir im Moment nur als „Mitnahmegeschäft“, zum Beispiel bei einer Spielplatzkontrolle. Das neue Gesetz ist handwerklich auch nicht so fluffig gestaltet, dass wir sofort handeln könnten. Da sind noch sehr viele Fragen im Detail zu klären.
Ralf Mayer arbeitet seit 28 Jahren in der Kölner Stadtverwaltung, davon 19 Jahre in Führungspositionen. Zuletzt leitete er das Bürgeramt Nippes. Zwischen 2005 und 2013 war er Chef des Ordnungs- und Verkehrsdienstes des Kölner Ordnungsamts.
Der Auftakt der Reihe „Veedelstreff mit dem Ordnungsamt“ findet am Donnerstag, 25. Juli 2024, von 10 bis 13 Uhr, im Bezirk Rodenkirchen auf dem Wochenmarkt in Zollstock (Höninger Weg/Herthastraße) statt. Weitere Informationen zum „Veedelstreff“ unter www.stadt-koeln.de/ordnungsamt