Köln – Während Thomas Drach im Januar 2013 seine Gefängnisstrafe in Hamburg absaß, stellten private Ermittler in einem Bankschließfach des Reemtsma-Entführers in Uruguay angeblich 459 000 Dollar sicher – mutmaßlich der letzte Rest aus dem Lösegeld von 1996, das seinerzeit 30 Millionen D-Mark betrug.
Drach lebte zuletzt in Amsterdam
Drach wurde im Oktober 2013 entlassen, zog zunächst zu einem Freund nach Ibiza und lebte nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ zuletzt in Amsterdam. Dort hat die niederländische Polizei den 60-Jährigen am frühen Dienstagmorgen mit einem europäischen Haftbefehl in einer Wohnung festgenommen. Drach leistete keinen Widerstand.
Wie es heißt, sind die Ermittler davon überzeugt, in dem gebürtigen Erftstädter jenen Mann verhaftet zu haben, der 2018 und 2019 drei spektakuläre Raubüberfälle auf Geldboten begangen hat – einen vor dem Ikea in Köln-Godorf im März 2018, einen weiteren am Flughafen Köln-Bonn im März 2019 sowie den vorerst letzten an einem Ikea-Markt in Frankfurt im November 2019.
Am Flughafen soll Drach – dessen Namen die Staatsanwaltschaft Köln auf Anfrage nicht bestätigen wollte – zudem mit einem Maschinengewehr auf einen der Geldboten geschossen und ihn schwer verletzt haben. Die Waffe fand die Polizei später im abgefackelten Fluchtfahrzeug in einem Porzer Wohngebiet, nahe der Autobahn.
Zwei Geldboten durch Schüsse verletzt
Auch in Frankfurt gab der Täter einen Schuss auf den Geldboten ab und verletzte ihn schwer. Ob es sich bei dem Schützen ebenfalls um Drach handelte, ist noch unklar. Es werde derzeit in dem Gesamtverfahren noch gegen „mindestens zwei weitere Beschuldigte“ ermittelt, teilte der Kölner Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer mit.
Bei den Überfällen auf die beiden Ikea-Märkte sollen die Täter jeweils ungefähr 50.000 Euro erbeutet haben, am Flughafen entkamen sie dagegen mit gerade einmal 400 Euro.
Alle drei Fluchtfahrzeuge angezündet
Nach allen drei Taten tappte die Polizei bei der Fahndung nach den Räubern zunächst im Dunkeln. Unübersehbar waren nur die Parallelen. Klar schien, dass es sich immer um dieselben Täter handeln dürfte. So waren die Täter in allen drei Fällen mit in den Niederlanden gestohlenen und mit falschen Kennzeichen ausgestatteten Autos geflüchtet. Nur wenige Fahrminuten vom jeweiligen Tatort entfernt hatten sie diese Fahrzeuge angezündet, um Spuren zu verwischen. Anschließend setzten sie ihre Flucht mit einem bereit gestellten zweiten Auto fort. Beim Überfall auf den Flughafen verwendeten sie Nummernschilder, die in Erftstadt gestohlen worden waren, dem Geburtsort von Thomas Drach.
In einigen Medien wurde anfangs über eine Tatbeteiligung der drei seit Jahren untergetauchten ehemaligen RAF-Terroristen Daniela Klette, Ernst-Volker Staub und Burkhard Garweg spekuliert.
Polizei verfolgte Spur zu Drach seit Monaten
Die Kölner Fahnder dagegen wussten schnell, dass da nichts dran war. Statt sich den Ex-Terroristen im Untergrund zuzuwenden, nahm die Polizei im Verborgenen schon vor mehreren Monaten die Spur von Thomas Drach auf, dem Drahtzieher der Entführung des Millionärs Jan Philipp Reemtsma in Hamburg 1996. Das entscheidende Puzzleteil sollen die Ermittler aus Videoaufzeichnungen der Tat am Flughafen Köln-Bonn gewonnen haben. Es gelang ihnen zudem, den zweiten Fluchtwagen zu identifizieren, in dem die Täter nach dem Anzünden ihres ersten Fluchtautos in Porz weiter in die Niederlande geflohen waren. Das Auto konnte die Polizei sicherstellen.
Dank verschiedener Videoaufnahmen der drei Überfälle wussten die Ermittler überdies, dass einer der Räuber – offenbar Drach – eine leichte Gehbehinderung hat. Auf dem Video einer Ikea-Überwachungskamera, das seinerzeit auch durch die Medien ging, ist das deutlich zu erkennen. All diese Erkenntnisse führte die Polizei zusammen und kam dem 60-Jährigen nach weiteren verdeckten Ermittlungen auf die Spur – auch wenn sie den Namen Drach bewusst für sich behielt, als sie die drei Überfälle im August 2020 in der ZDF-Sendung „Aktenzeichen XY ungelöst“ vorstellte. Noch war der Fall nicht geklärt, und Drach sollte nicht gewarnt werden.
Der 60-Jährige hat in Deutschland keinen festen Wohnsitz. Das könnte sich aber bald ändern. Die Staatsanwaltschaft Köln hat seine Auslieferung aus den Niederlanden beantragt, das kann bis zu zehn Tage dauern. Seine Untersuchungshaft soll Drach in Deutschland absitzen, der Prozess soll ihm dann in Köln gemacht werden.