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Prozess um EinsatzKölner Polizist schießt auf Intensivtäter – war es gerechtfertigt?

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Der angeklagte Polizist (l.) neben seinem Verteidiger. Rechts wird der Beschossene in den Saal geführt.

Köln – Sachlich und zumindest für ihn selbst schlüssig schilderte am Mittwoch im Landgericht ein Kölner Polizeibeamter, warum er vor rund zwei Jahren einem flüchtigen Straftäter in den Rücken geschossen hat. „Ich würde wieder schießen“, erklärte der Angeklagte.

Die Staatsanwaltschaft wirft dem Mann Körperverletzung im Amt vor. Der Gebrauch der Schusswaffe sei nicht verhältnismäßig gewesen. Bei einer Verurteilung drohen dem langjährigen Beamten auch dienstliche Konsequenzen.

Im Bereich Agnesviertel nach Intensivtäter gefahndet

Es war ein Polizeieinsatz am 10. Juli 2019, bei dem offenbar vieles gewaltig schief gelaufen war. Das fing schon bei der Vorbereitung an. Der angeklagte Polizist war damals in der Fahndung tätig, sollte einen gesuchten Intensivtäter aufspüren und für seine Verhaftung sorgen, ein Raubvorwurf stand im Raum. Die Funkzelle des Handys zeigte, dass der 19-Jährige sich im Bereich Agnesviertel aufhalten musste. Was die Beamten übersahen: Dort, in der Krefelder Straße, wohnte der Gesuchte.

Alles zum Thema Agnesviertel

Der Oberkommissar sollte mit zwei Kollegen Fitness- und Box-Clubs in der Gegend aufsuchen und die Trainer befragen. Vom 19-Jährigen sei bekannt gewesen, dass er Kampfsport betreibe. „Die Trainer hätten auf ihn einwirken können, sich zu stellen“, berichtete er beim Prozessauftakt. „Um warum haben Sie nicht einfach die Wohnung observiert?“, fragte Oberstaatsanwältin Heidrun Odendahl. „Das wäre ein taktisches Mittel gewesen, aber das haben wir nicht gewählt“, war die Antwort.

Erster Festnahmeversuch ging daneben

Und so kam es, dass der Gesuchte den drei Polizisten plötzlich regelrecht in die Arme lief. „Ich habe ihn direkt erkannt“, sagte der Oberkommissar. Danach habe er den jungen Mann mit dem auffällig weiß strahlenden Pullover nicht mehr aus dem Augen gelassen. Auf eine Bank habe sich der Polizist in Zivil gesetzt, möglichst unauffällig getan und Verstärkung gerufen. Leider habe es eine Kommunikationspanne mit den Kollegen gegeben, die seien nämlich plötzlich herangestürmt.

„Da war er natürlich gewarnt“, sagte der Angeklagte, der nicht realisiert hatte, dass der Gesuchte vor seinem Wohnhaus stand. Mit Pfefferspray habe man den 19-Jährigen bedacht, doch der sei dann blitzschnell davongelaufen. Wohin, habe er zunächst nicht gesehen. Doch dann habe der Beamte sich erinnert, dass sich gesuchte Drogendealer gerne mal in einem Getränkemarkt am Sudermanplatz versteckt hätten. Den habe er aufgesucht und sei an einer Kühlkammer fündig geworden.

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Mit seiner Dienstwaffe nah am Mann habe er dann die Tür zum Kühlraum aufgerissen. Der Gesuchte sei dann erst mit erhobenen Händen hervorgekommen, dann aber davongerannt. „Stopp, oder ich schieße“, habe der Oberkommissar dann gerufen und kurz darauf abgedrückt. Nachdem die Schüsse keine Wirkung gezeigt hätten, habe er weiter gefeuert. Der 19-Jährige fiel schließlich zu Boden, neben drei Schüssen in den Rücken fügten die Kugeln ihm auch einen Trümmerbruch im Bein zu.

„Auf die Beine würde ich immer wieder schießen“

Warum er überhaupt geschossen habe, wollte die Oberstaatsanwältin wissen. „Weil er gefährlich war“, sagte der Angeklagte, so sei im Haftbefehl auch ein früherer Waffengebrauch vermerkt gewesen. Dabei habe es sich aber um eine Schreckschusspistole gehandelt, bemerkte die Anklägerin. Nicht nur seien die Schüsse gegen den Gesuchten unverhältnismäßig gewesen, auch hob Staatsanwältin Odendahl die Gefahr für Unbeteiligte in dem Getränkemarkt hervor.

Auf Nachfrage des Richters erklärte der Beamte, dass er lediglich die Beine treffen wollte. Womöglich sei er aufgrund der Verfolgung außer Atem gewesen. „Ich ärgere mich, dass er am Oberkörper getroffen wurde, aber auf die Beine würde ich immer wieder schießen“, so der Beamte. Er habe nie zuvor im Dienst seine Waffe eingesetzt, so der 46-Jährige. Der Beschossene deutete im Zeugenstand an, er hätte sich eine Entschuldigung gewünscht. Der Mann sitzt derzeit in U-Haft, nachdem er weit nach dem Vorfall wieder einen Raub begangen haben soll. Der Prozess wird fortgesetzt.