Die von Rainer Woelki nach einer Denunziation in Rom gegen den Pfarrer von Mettmann ausgesprochenen Verbote gehen weiter, als bisher bekannt.
Protest gegen WoelkiPriester und Laien unterstützen abgemahnten Pfarrer
Nach der Maßregelung des leitenden Pfarrers von Mettmann, Herbert Ullmann, durch Kardinal Rainer Woelki formiert sich breiter Widerstand gegen den Kölner Erzbischof. Die drei benachbarten NRW-Bistümer Aachen, Essen und Münster gingen ungewöhnlich deutlich auf Konfrontation zu Woelki, der Ullmann wegen der Segnung gleichgeschlechtlicher Paare schriftlich abgemahnt und ihm die Wiederholung solcher Segensfeiern verboten hat. Vorausgegangen war eine anonyme Anzeige gegen Ullmann beim Vatikan. Aus Rom wurde Woelki danach schriftlich aufgefordert, der Sache auf den Grund zu gehen und die Verantwortlichen zu sanktionieren.
Der Kölner Stadtdechant Robert Kleine, einer der wichtigsten Vertreter der mittleren Hierarchie-Ebene im Erzbistum und zugleich stellvertretender Dompropst, reagierte „mit einer Mischung aus Unverständnis, Wut und Enttäuschung“ auf die Denunziation Ullmanns in Rom und Woelkis Reaktion. Er schließe sich der Solidarisierung seines Düsseldorfer Kollegen Frank Heidkamp mit Ullmann an und unterstütze dessen Stellungnahme, sagte Kleine dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Ähnlich äußerte sich der Gummersbacher Kreisdechant Christoph Bersch.
Heidkamp distanzierte sich zusammen mit seinen Stellvertretern Oliver Boss und Joachim Decker öffentlich von Woelkis Vorgehen. „In dieser krisenbehafteten Zeit, in der wir als Kirche insgesamt und besonders als ihre geweihten Repräsentanten moralisch schwer angeschlagen sind und für sehr viele Menschen - mit Recht - zum Stein des Anstoßes wurden, wird ein Priester, der einen Segnungsgottesdienst für ‚sich liebende Menschen‘ feiert, anonym an höchster Stelle denunziert und institutionell abgemahnt“, monieren die drei Geistlichen. „Das kirchliche Gesetz sticht augenscheinlich das göttliche Gebot. Wie unglaubwürdig wollen wir uns noch innerhalb und außerhalb unserer Gemeinden machen?“ Bersch bekundete seinen Kollegen auf Facebook „Respekt“ für diese Erklärung.
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Der Bischof von Münster, Felix Genn, wird nach Angaben seines Bistums keine Sanktionen gegen Seelsorger aussprechen, „die sich so verhalten, wie sie es aufgrund ihres seelsorglichen Auftrags und ihres Gewissens im Dienst an den Menschen für richtig halten“. Auch der Aachener Bischof Helmut Dieser ließ auf Anfrage der „Rheinischen Post“ wissen, er vertraue den Gewissensentscheidungen der Geistlichen, gleichgeschlechtliche Paare zu segnen.
Auch Segen für wiederverheiratete Geschiedene von Woelki verboten
Der Essener Generalvikar Klaus Pfeffer, rechte Hand von Bischof Franz-Josef Overbeck, wandte sich auf Facebook gegen Verbote und Ermahnungen als Antwort auf die Bitte um Segen. „Die katholische Kirche muss alles tun, um die Diskriminierung und Verletzung von Menschen mit unterschiedlicher sexueller Orientierung und Identität zu überwinden und zu verhindern“, Pfeffer.
Gemeindereferentin Ulrike Platzhoff, Ullmanns Mitarbeiterin im Seelsorgeteam der Mettmanner Pfarrgemeinden, berichtete dem „Kölner Stadt-Anzeiger“, unter das bischöfliche Verbot fielen neben Segensfeiern für Gleichgeschlechtliche ausdrückliche auch solche für wiederverheiratete Geschiedene. Von der Abmahnung nicht umfasst sei hingegen die offiziell ebenfalls verbotene „Laienpredigt“, also die Verkündigung in der Messe durch Nicht-Kleriker. Dem Vernehmen nach hatten die anonyme Denunziation sowie das römische Schreiben an Woelki auch daran Anstoß genommen.
Die Frage nach möglichen Verfassern des Beschwerdebriefs treibe die Gemeinde um, so Platzhoff. Sie sprach aber auch von einer Welle der Solidarität nicht nur aus dem Erzbistum, sondern dem gesamten Bundesgebiet. „Die Denunzianten werden sehr unzufrieden damit sein, wie viel Rückendeckung wir erhalten, und zwar sowohl persönlich als auch in der Sache – und um die geht es uns.“
Obwohl sie selbst in dem Schreiben aus Rom als auch in Woelkis Abmahnung an Ullmann namentlich mitgenannt sei, gebe es bislang keine Sanktionsandrohungen gegen sie, sagte Platzhoff. „Mich hat noch niemand kontaktiert.“
Gemeinde stellt Veröffentlichung der Abmahnung in Aussicht
Platzhoff stellte die Veröffentlichung mindestens der Abmahnung aus Köln durch Pfarrer Ullmann nach dessen Rückkehr aus dem Urlaub in Aussicht. Zwar ließ der Pfarrer unterdessen mitteilen, er werde sich an Woelkis Auflage halten. Er habe den Erzbischof in einer Stellungnahme aber auch an die „frühen Jahre“ erinnert, in denen Woelki nach seinem Amtsantritt in Köln 2014 die Pfarrer ermutigt habe, in der Seelsorge Neues auszuprobieren und keine Angst zu haben.
Als Ullmanns pastorale Mitarbeiterin ließ Platzhoff offen, wie sie es mit dem Verbot aus Köln handhaben werde. Ganz sicher werde in Mettmann auch weiterhin das Bemühen der „AG Regenbogen“ um seelsorgliche Angebote für queere Menschen in der Kirche unterstützt. „Da werden wir Wege und Formen finden“, sagte sie.
Der Vorstand der Initiative „Out in Church“, in der katholische Queere für Gleichberechtigung und Anerkennung ihrer Lebensform kämpfen, warf Woelki vor, mit seinem Verhalten das Anliegen einer menschenfreundlichen, einladenden Pastoral zu durchkreuzen und eine Kirche der Angst zu fördern. „Diese Vorgänge offenbaren erneut, dass im Erzbistum Köln ein System der Denunziation und Einschüchterung, der Drohung und des Machtmissbrauchs herrscht und auch gegen anderslautende Beteuerungen ungehindert weitergeht.“ In einer Mitteilung des „Out in Church“-Vorstands heißt es weiter, Woelki habe der Initiative noch im März gesagt, er werde Segensfeiern wie in Mettmann nicht sanktionieren.
Das Erzbistum nahm dazu auf Anfrage zunächst nicht Stellung. Woelkis Generalvikar Guido Assmann erläuterte allgemein, dass für Priester im Erzbistum Köln die Regeln gelten, „die der Vatikan 2021 noch einmal eindeutig erklärt hat“. Im Erzbistum werde „die Haltung gelebt, die die offizielle Haltung der katholischen Kirche ist. Und daran sollte sich auch jeder Priester halten.“ Jedenfalls so lange, wie sich an der römischen Doktrin nichts ändere. Die Glaubenskongregation hatte 2021 auf eine – ebenfalls anonyme – Eingabe hin Segensfeiern für homosexuelle Paare unter anderem mit dem Argument untersagt, „Gott segnet nicht die Sünde, und er kann sie nicht segnen“.
Katholische Frauengemeinschaft fordert Rücknahme der Abmahnung
Die Katholische Frauengemeinschaft (kfd) forderte die Rücknahme der Abmahnung und erinnerte an einen Mehrheitsbeschluss der deutschen Bischöfe auf dem Reformprozess „Synodaler Weg“, Segensfeiern für Gleichgeschlechtliche zu ermöglichen. Hier zeige sich „die große Diskrepanz“ zu Woelkis Vorgehen.
Auch Stadtdechant Kleine nahm auf den Beschluss des Synodalen Wegs Bezug. „Es wäre zu wünschen, dass Kardinal Woelki die verantwortlichen Stellen in Rom auf dieses klare Votum hingewiesen hat.“ Kleine unterstrich seine Überzeugung, dass Gott allen Menschen Gutes – den Segen – zusage, „die in gegenseitiger Verantwortung und Liebe füreinander da sind und sorgen“.
Die Initiative Maria 2.0 begründete ihr Unverständnis mit Hinweis auf die Segnung eines Gitters am Kölner Dom. Zäune zum Schutz von Hunden würden in Woelkis Verantwortungsbereich gesegnet, liebenden Paaren hingegeben werde der Segen verweigert. Damit entfernten Woelki und auch der Vatikan sich „immer mehr von der Lehre Jesu“ und trieben noch mehr Gläubige aus der katholischen Kirche heraus. „Entsetzt sind wir über das Denunziantentum beim Vatikan. Ist das noch immer (oder wieder) der Umgangsstil in der katholischen Kirche?“ In Köln zeige sich wie in einem Brennglas die Krise der Kirche.
Angesichts des Unverständnisses und des breiten Protests steht für den Münsteraner Kirchenrechtler Thomas Schüller die Rechtsgrundlage für Woelkis Amtsführung in Frage. Papst Franziskus habe 2016 eine Regelung eingeführt, die eine Amtsenthebung „aus schwer wiegendem Grund“ vorsieht. Dazu zählt unter anderem ein „schwerer geistlicher Schaden“, der durch die Amtsführung des Bischofs in seinem Bistum entsteht. Dies sei offensichtlich in Köln gegeben. Andererseits reagiert der Papst seit Monaten nicht auf diverse „Brandberichte“ auch von Bischöfen über die Zustände in Köln. Über ein Rücktrittsangebot, das Woelki im Februar 2022 bei Franziskus hinterlegen musste, hat der Papst bis heute nicht befunden.
Ein Insider aus der Bistumsverwaltung sprach vor diesem Hintergrund von einem verzweifelten Manöver Woelkis im Kampf um sein Amt. In der römischen Kurie säßen „die Letzten, die noch zu ihm halten“. Um diese Unterstützung nicht auch noch zu verlieren, „tut er alles, was die Römer von ihm wollen“.