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Tod auf der A3Prozess um herabgestürzte Lärmschutzplatte – Angeklagte bestreiten Schuld

Lesezeit 5 Minuten
Der Hauptangeklagte im Prozess um die herabgestürzte Betonplatte auf der A3 mit seinen Verteidigern.

Der Hauptangeklagte im Prozess um die herabgestürzte Betonplatte auf der A3 mit seinen Verteidigern.

Im Landgericht Köln beginnt der Prozess um den Tod einer 66-Jährigen auf der A3 durch eine inkorrekt montierte Lärmschutzplatte.

Im Prozess um den Tod einer 66-jährigen Autofahrerin, die im Herbst 2020 auf der A3 von einer herabstürzenden Lärmschutzplatte erschlagen wurde, haben am ersten Verhandlungstag zwei der drei Angeklagten jegliche Schuld von sich gewiesen. Die Verteidiger der beiden Männer, die sich selber nicht äußerten, gaben am Dienstag vor der 8. Großen Strafkammer des Kölner Landgerichts entsprechende Eröffnungserklärungen ab, die damit begannen, den Hinterbliebenen Beileid zu bekunden. Die Verteidiger des dritten Angeschuldigten kündigten an, „umfassend zu schweigen“.

Am 13. November 2020 war Anne M. auf dem Weg zu ihrer Mutter. Wegen eines Staus auf der A 3 kam sie zwischen der Ausfahrt Köln Dellbrück und dem Autobahnkreuz Köln-Ost mit ihrem VW Polo auf der rechten Fahrspur in Fahrtrichtung Oberhausen zum Stehen. Da löste sich eine 2,50 mal 5,30 Meter große und sechs Tonnen schwere Betonplatte, die gut zwölf Jahre zuvor montiert worden war, aus der Verankerung in der Lärmschutzwand und stürzte auf das Fahrzeug. Noch an der Unfallstelle erlag die Frau ihren schweren Verletzungen.

Drei Männer sitzen auf der Anklagebank

Der Hauptangeklagte ist ein 62 Jahre alter Ingenieur der Baufirma, die damit beauftragt war, im Jahr 2008 die Autobahn zwischen den genannten Anschlussstellen achtspurig auszubauen; dazu gehörte die Errichtung von Schallschutzwänden. Dem Mann, seinerzeit Bereichsleiter bei der Firma, werden Totschlag und vorsätzliche Baugefährdung durch Unterlassen zur Last gelegt. Die zwei anderen Angeklagten, jeweils 59 Jahre alt, sind ehemalige Mitarbeiter des Landesbetriebs Straßenbau.NRW, der den Auftrag erteilt hatte. Ihnen wirft die Staatsanwaltschaft fahrlässige Tötung durch Unterlassen vor.

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Die Lärmschutzkonstruktionen bestehen aus Betonstützwänden und davor gehängten Vorsatzschalen, die den Schall absorbieren. Bei den Arbeiten ergab sich bei sieben von 200 Platten das Problem, dass die Maße nicht stimmten: Die oberen Haltepunkte passten nicht zu den in die Betonwand eingelassenen Halterungen. Um das Problem zu lösen, soll die Baufirma auf Anweisung des Ingenieurs die Haltepunkte verändert sowie aus Stahlwinkeln und Schrauben Halterungen zusammengeschustert haben. Dies entsprach der Staatsanwaltschaft zufolge nicht der freigegebenen Planung; überdies seien „eigenmächtige Schweißarbeiten“ ausgeführt worden, sodass der Korrosionsschutz nicht genügt habe.

Tod eines Menschen sei „billigend in Kauf genommen“ worden

In der Anklage heiß es weiter, die Firma habe den Landesbetrieb über die Abweichung vom Plan informiert. Dieser habe ein Gutachten zum Nachweis der Tragfähigkeit und Dauerhaftigkeit der abgeänderten Aufhängungen gefordert. Das Resultat: Die Halteelemente seien untauglich. Im September 2008 habe der Angeklagte das Gutachten erhalten, die Unterlagen jedoch nur teilweise an den Landesbetrieb weitergeleitet, das heißt ohne die Berechnung zur fehlenden Tragfähigkeit. In Unkenntnis, dass das erbetene Gutachten bereits vorlag, habe Straßen.NRW den Bau im November 2008 abgenommen, allerdings unter dem Vorbehalt, dass die Tragfähigkeit und Dauerhaftigkeit der vom Plan abweichenden Befestigungskonstruktion noch nachzuweisen sei.

Nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft hat der Ingenieur das Abnahmeprotokoll im Wissen um den im Gutachten dargelegten Mangel unterzeichnet. Er habe den Tod eines Menschen „billigend in Kauf genommen“, sagte Staatsanwalt René Seppi. Die Mitangeklagten, die für die Überwachung des Bauwerks zuständig gewesen seien, hätten es versäumt, nachzuhaken und das Gutachten einzufordern; zumindest hätten sie eine eigene statische Prüfung veranlassen müssen.

Einsatzfahrzeuge von Feuerwehr und Polizei stehen auf der Autobahn A3 in Höhe der Wichheimer Straße, wo die Lärmschutzwand auf das Fahrzeug fiel. (Archivbild)

Einsatzfahrzeuge von Feuerwehr und Polizei stehen auf der Autobahn A3 in Höhe der Wichheimer Straße, wo die Lärmschutzwand auf das Fahrzeug fiel. (Archivbild)

Der Ingenieur der Baufirma habe „die Berechnung nicht zur Kenntnis genommen und erst recht nicht unterschlagen“, heißt es in dem Statement, das Verteidigerin Kerstin Stirner vortrug. Als Bereichsleiter sei es auch gar nicht seine Pflicht gewesen, eine solche Berechnung zu kennen. Vielmehr seien der Bauleiter und, in geringerem Maße, der Polier verantwortlich für die technische Abwicklung des Projekts gewesen. Der Bauleiter sei vor einigen Jahren gestorben. Das dürfe nicht dazu führen, stattdessen ihren Mandanten zur Verantwortung zu ziehen. „Es macht hier den Anschien, als habe man unbedingt eine Person aufseiten des Bauunternehmens anklagen wollen.“

Und selbst wenn der Ingenieur die statische Berechnung gekannt hätte, ließe sich keine strafrechtliche Verantwortlichkeit für den Tod der Autofahrerin begründen. Der Unfall wäre auch dann passiert, „wenn die in der Berechnung empfohlenen, dickeren Haltewinkel angebracht worden wären“, so Stirner. Denn gebrochen seien nicht etwa die Winkel, sondern die daran angeschweißten, korrodierten Hammerkopfschrauben, die nicht Gegenstand der statischen Berechnung gewesen seien. In vielen Punkten habe sich die Staatsanwaltschaft nicht die Mühe gemacht, „den Sachverhalt aufzuklären“, kritisierte die Verteidigerin. Gewiss habe es bei diesem Bauprojekt wie bei jedem anderen dieser Größenordnung „Fehler und Versäumnisse“ gegeben. „Dass aber auch nur einer der daran beteiligten Personen es ernsthaft für möglich gehalten hätte, dass sich ein Lärmschutzelement lösen und auf die befahrene Autobahn stürzen würde, ist absolut fernliegend.“

Für einen der anderen Angeklagten brachte dessen Verteidiger Christoph Lepper vor, es habe dem ehemaligen Mitarbeiter von Straßen.NRW als Leiter des Sachgebiets Brückenneubau nicht oblegen, wegen des Abnahmevorbehalts auf eigene Initiative bei der Baufirma nachzuhaken. Außerdem hätte ein solches Nachhaken den Unfall „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ nicht verhindert. Der Vorbehalt habe sich auf die statischen Eigenschaften der umgeplanten Haltekonstruktion bezogen. Doch das Unglück sei wohl dadurch verursacht worden, dass die Schrauben unsachgemäß angeschweißt und montiert worden seien. Dies habe zu deren Korrosion und schließlich zum Bruch geführt.

Urteil wird kurz vor Weihnachten erwartet

Am Prozess, der auf 26 Verhandlungstage angelegt ist, treten die Mutter und die Schwester des Opfers als Nebenklägerinnen auf. Zum Auftakt war ihr Anwalt Claude-Henrik Husemann anwesend. Nach bisheriger Planung soll das Urteil kurz vor Weihnachten gesprochen werden.