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Äußerst kurios und teuerKölner Prozess um Thomas Drach vor dem Abschluss – ein Rückblick

Lesezeit 4 Minuten
Thomas Drach kommt meist mit dem Hubschrauber auf dem Gelände des Kölner Justizzentrums an.

Thomas Drach kommt meist mit dem Hubschrauber auf dem Gelände des Kölner Justizzentrums an.

Nun könnte alles ganz schnell gehen. Die Staatsanwältin ist bereit für ihr Plädoyer im Prozess gegen Thomas Drach. Und der war kurios.

Das Verfahren um den Reemtsma-Entführer Thomas Drach am Landgericht Köln sprengt alle Dimensionen. Bisher 93 Verhandlungstage seit Februar 2022, immer gesichert von schwer bewaffneten Polizisten. Rechnet man alle Kosten zusammen, dann kommt man geschätzt auf mehr als 20 Millionen Euro. Seit fast einem Jahr trat der Mammut-Prozess auf der Stelle, zum Unmut des Vorsitzenden Richters Jörg Michael Bern. Doch nun scheint das Ende nah – eine erste Bilanz.

Kölner Verfahren: Vier Raubüberfälle auf Geldboten angeklagt

Thomas Drach gilt als Berufsverbrecher und ist einer der bekanntesten deutschen Kriminellen. Der Rheinländer hatte bereits ein gut gefülltes Vorstrafenregister, als er im Jahr 1996 mit Komplizen den Tabakkonzern-Erben Jan Philipp Reemtsma aus Hamburg entführte. Etwa 30 Millionen D-Mark an Lösegeld zahlte dessen Familie. Drach floh nach Südamerika, soll viel Geld gewaschen und auch verprasst haben. Er wurde 1998 aufgespürt und festgenommen, saß rund 15 Jahre im Gefängnis.

Thomas Drach im Landgericht Köln neben seinem Verteidiger Andreas Kerkhof.

Thomas Drach im Landgericht Köln neben seinem Verteidiger Andreas Kerkhof.

Im aktuellen Verfahren werden dem Angeklagten vier bewaffnete Raubüberfälle in Köln, Frankfurt am Main und Limburg an der Lahn vorgeworfen. In zwei Fällen soll Drach mit einem Kalaschnikow-Sturmgewehr auf Geldboten geschossen und diese schwer verletzt haben, auch soll ein Querschläger beinahe ein zwölfjähriges Kind getroffen haben, das mit seinem Vater im Auto saß. Neben Raub wird Drach versuchter Mord vorgeworfen. Rund 230.000 Euro soll der heute 62-Jährige erbeutet haben.

Köln: Ehemaliger Mitgefangener belastet Drach schwer

Das Landgericht musste einen reinen Indizienprozess führen, denn kein Zeuge hat den Täter erkannt und benennen können. Überwachungsvideos sollen Drach zeigen, zudem wird er durch eine DNA-Mischspur an einem Fluchtauto belastet. Auch könnte ihm ein „Kronzeuge“ aus der JVA Köln zum Verhängnis werden. Dem wegen Drogendelikten einsitzenden Mithäftling gegenüber soll Drach drei von vier Taten eingeräumt haben. Das bekräftigte der Zeuge im Gericht mehrfach.

Drach hatte den Mitgefangenen beim Prozess als Lügner und Junkie bezeichnet, der sich Vorteile für sein eigenes Verfahren versprochen habe. Drach stellte sich als Opfer einer Verschwörung dar, mitinitiiert von Reemtsma. Absurd wurde es auch, als sich ein weiterer Ex-Mithäftling zu Wort gemeldet hatte. Der hatte Drach in einem Brief belastet, dann vor Gericht als unschuldig dargestellt. Er habe nur mal zeigen wollen, wie leicht man sich in den Prozess einschleichen könnte, so der Mann.

Videogutachter und Pflichtverteidiger fliegen aus Verfahren

Mehrfach wurde der Mammut-Prozess von Kuriositäten überschattet. Dazu gehörte auch der Rauswurf eines Videogutachters, der Drach belastet hatte. Genervt von der ständigen Kritik durch die Verteidiger soll der Sachverständige einem freien Gerichtsreporter 100 Euro für eine positive Berichterstattung angeboten haben. Der Journalist lehnte nach eigener Aussage ab, woraufhin ihn der Gutachter mit einem Schuhputzer verglichen haben soll. Der Reporter meldete den Vorgang.

Der Kölner Anwalt Wolfgang Heer flog als Pflichtverteidiger aus dem Drach-Verfahren.

Der Kölner Anwalt Wolfgang Heer flog als Pflichtverteidiger aus dem Drach-Verfahren.

Mit Wolfgang Heer, der Zeugen ständig überlang befragt hatte, flog sogar ein Pflichtverteidiger aus dem Drach-Verfahren. Der frühere Anwalt von NSU-Terroristin Beate Zschäpe vertrat Drachs mutmaßlichen Komplizen, er hatte Richter Bern immer wieder provoziert. Ihn etwa „Entenmama“ genannt, der die Küken folgen – gemeint waren die weiteren Richterinnen und Schöffinnen. Bern zog die Reißleine. Heer hätte als Wahlverteidiger weitermachen können, tauchte aber nicht mehr auf.

Kölner Landgericht: Plädoyers könnten diese Woche starten

Zuletzt hatte es Aufregung um den Tod des am Flughafen Köln/Bonn überfallenen Geldboten gegeben. Die Anwälte des Mannes wollten einen Zusammenhang zum Überfall vor viereinhalb Jahren nicht ausschließen, die Ärzte bestätigten das aber nicht. Drach drohte somit kurzzeitig eine Verurteilung wegen vollendeten Mordes und somit lebenslänglich Haft. Ohnehin dürfte aufgrund der Gefährlichkeit aber Sicherungsverwahrung beantragt werden. Drach selbst will einen Freispruch.

Noch in dieser Woche könnte Staatsanwältin Anja Heimig plädieren, dann könnte schnell ein Urteil fallen. Bis dahin gilt am Kölner Justizzentrum Alarmstufe Rot. Wie gehabt wird der Beschuldigte meist per Helikopter aus dem Gefängnis eingeflogen, aus Angst vor einem Befreiungsversuch. Einher geht das mit täglichen Sperrungen rund um das Justizgebäude. Mit dem Urteilsspruch dürften genervte Anwohner und Justizbeschäftigte aufatmen. Drach wohl kaum. Er spricht jetzt schon von Revision.