Der Richter zog drastische Konsequenzen. Er entfernte einen Pflichtverteidiger aus dem Kölner Drach-Verfahren.
Mutmaßlicher KomplizeRichter schmeißt Anwalt aus Kölner Drach-Verfahren und erhebt schweren Vorwurf
Einzigartig und überaus eigenartig, so kann man das Geschehen im Drach-Verfahren an diesem Donnerstag beschreiben. Verteidiger Wolfgang Heer, der Drachs mutmaßlichen Komplizen vertritt, packte in der laufenden Hauptverhandlung plötzlich seine Sachen – der sonst so redefreudige und konfliktsuchende Anwalt verschwand wortlos aus dem Gerichtssaal. Denn gerade hatte ihn der Vorsitzende Richter Jörg Michael Bern als Pflichtverteidiger hochkant aus dem Prozess geworfen.
Köln: Mitangeklagter sagt nicht als Zeuge aus
Begonnen hatte der Gerichtstag im gesicherten Saal 112 des Justizgebäudes mit einer „unwürdigen Schmierenkomödie“, wie es ein Prozessbeteiligter ausgedrückt hatte. Denn im Verfahren gegen Thomas Drach, dem vier Raubüberfälle auf Geldboten vorgeworfen werden, sollte ausgerechnet dessen Mitangeklagter Eugen W. (54) als Zeuge aussagen und den Reemtsma-Entführer entlasten. So hatten es Drachs Anwälte in einem Beweisantrag prophezeit und die Zeugenvernehmung gefordert.
Sagen wollte der Niederländer Eugen W., dem Mittäterschaft und Beihilfe zu drei der Überfälle vorgeworfen wird, aber dann doch nichts. Das musste er auch nicht, denn niemand muss riskieren, sich im Zeugenstand selbst zu belasten. Als Mitangeklagter lag diese Gefahr auf der Hand. Berufen wollte sich W. auf sein Aussageverweigerungsrecht aber nicht, er wollte noch darüber nachdenken. „Mein Mandant braucht dafür eine eingehende Beratung“, führte Anwalt Heer als Zeugenbeistand aus.
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Thomas Drach spricht von einem Freispruch
Zwei Wochen Zeit benötige er bestimmt für diese Beratung, da die Beiordnung zum Zeugenbeistand zu spät erfolgt sei, argumentierte Heer am Donnerstagmorgen. Staatsanwältin Anja Heimig sah darin eine weitere Verzögerungstaktik. Eugen W. sei seit Tag 1 des Mammut-Prozesses von seinen Pflichtverteidigern betreut worden. Er kenne die Thematik und sei ja auch ausdrücklich von der Drach-Verteidigung als Zeuge benannt worden. Weiteren Beratungsbedarf gebe es daher keinen.
Dem stimmte auch Richter Bern zu. Eugen W. habe ganz offensichtlich kein Interesse an einer Aussage, „der Zeuge wird daher entlassen“. Thomas Drach hatte bereits vor der geplanten Vernehmung seines Mitangeklagten geunkt: „Was soll ein Unschuldiger schon berichten?“ Zur Staatsanwältin sagte Drach später lachend, sie könne gerne schon jetzt einen Freispruch beantragen und einfach erklären, sich verrannt zu haben. „Ich bin auch nicht nachtragend“, meinte Drach.
Richter begründet Ausschluss von Pflichtverteidiger
Nach der Luftnummer um die geplante Zeugenvernehmung von Eugen W. wurde Drach per Hubschrauber wieder zurück in die JVA Ossendorf geflogen. W. wechselte danach vom Zeugenstand zurück auf die Anklagebank. Gegen den 54-Jährigen wird mittlerweile getrennt von Drach verhandelt, nachdem er wegen gesundheitlicher Probleme nur eingeschränkt verhandlungsfähig ist. Gleich zu Beginn der Verhandlung verkündete Richter Bern den Ausschluss von Pflichtverteidiger Heer.
Heer hatte den Gerichtssaal bereits verlassen, als Bern die Gründe für den Rauswurf verlas. Heer sei immer wieder mit beleidigenden Kommentaren in Richtung Richter aufgefallen, zuletzt sei er diesem „bei fast jeder sich bietender Gelegenheit ins Wort gefallen“, so Bern. Der Pflichtverteidiger habe daher grob prozessordnungswidrig gehandelt und eine geregelte Prozessführung fast unmöglich gemacht. Dies ginge auch zulasten des Mandanten, der nicht ordnungsgemäß verteidigt sei.
Köln: Vorsitzender zweifelt ärztliches Attest an
Bern führte auch ein unentschuldigtes Fehlen Heers bei einem Verhandlungstag als Grund an. Ein spät eingereichtes Attest zweifelte der Richter als nicht glaubhaft an. Eine Aussage mit hoher Brisanz, denn Bern warf Heer damit vor, sich zu Unrecht eine ärztliche Bescheinigung erschlichen und diese genutzt zu haben. Eine Anschuldigung, die strafrechtlichen Ärger für den Anwalt bedeuten könnte. Es ist davon auszugehen, dass die im Saal anwesenden Staatsanwältinnen den Vorgang prüfen werden.
Eugen W. kann Beschwerde einlegen und Heer könnte auch als Wahlverteidiger weiter am Prozess teilnehmen. Mit dem Staat kann er seine Kosten, allein 802 Euro für einen vollen Verhandlungstag, nun aber nicht mehr abrechnen. Der Mandant müsste ihn jedoch selbst bezahlen – oder Heer macht umsonst weiter. Mit Sebastian Dobritzsch verbleibt ein zweiter Pflichtverteidiger an der Seite von Eugen W. Das sei auch ausreichend, sagte Richter Bern, „denn das Beweisprogramm ist weitestgehend abgearbeitet“.