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Mammut-Verfahren in KölnPolizei, Hubschrauberflüge, Anwaltskosten – So teuer ist der Prozess gegen Thomas Drach

Lesezeit 4 Minuten
Zwei SEK-Beamte begleiten Thomas Drach ins Gericht.

Thomas Drach wird regelmäßig mit dem Hubschrauber aus dem Gefängnis zum Justizpalast gebracht, bewacht von SEK-Beamten.

An einem normalen Verhandlungstag sind allein mehr als 200 Polizisten im Einsatz. Die Kosten für den Drach-Prozess lassen sich nur schätzen.

Er gilt als einer der gefährlichsten Verbrecher Deutschlands: Thomas Drach, der Reemtsma-Entführer, dem vor dem Kölner Landgericht der Prozess gemacht wird. Bei jedem der bisher 87 Verhandlungstage gilt Alarmstufe Rot, mögliche Flucht- oder Befreiungsversuche sollen im Keim erstickt werden. Polizei und Justiz agieren mit einem Großaufgebot. Und das hat seinen Preis. Nach Recherchen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ könnte das Mammut-Verfahren um vier Raubüberfälle den Steuerzahler bisher bereits um die 20 Millionen Euro gekostet haben.

Köln: Eine Hundertschaft kostet ungefähr 100.000 Euro pro Tag

Am schwersten ins Gewicht fallen die Kosten für den Einsatz der Polizei. Pro Verhandlungstag sind allein zwei komplette Hundertschaften eingeteilt – eine im Früh- und eine im Spätdienst. Beamte sichern die Umgebung, halten Ausschau nach verdächtigen Personen, überall verteilt stehen Einsatzwagen. Im Landgericht sind ebenfalls viele Polizisten postiert – mit Maschinenpistole und dem Finger am Abzug.

Der Hubschrauber mit dem Angeklagten Thomas Drach landet auf dem Gelände des Justizzentrums Köln.

Der Hubschrauber mit dem Angeklagten Thomas Drach landet auf dem Gelände des Justizzentrums Köln.

Hinzu kommen Beamte von Spezialeinheiten, die Drach jeden Morgen aus der JVA in Köln-Ossendorf abholen, ihn im Hubschrauber zum Gericht bis in den Saal begleiten und nachmittags wieder zurückbringen. Außerdem Hundeführer, deren Tiere vor Verhandlungsbeginn Flure und den Saal nach Sprengstoff und gefährlichen Gegenständen absuchen – sowie ein Notarzt, Rettungskräfte und ein Hubschrauberpilot.

Was das am Ende im Einzelnen kostet, kann offenbar nicht genau beziffert werden. Die Kosten polizeilicher Einsätze in NRW würden „grundsätzlich nicht erhoben“, teilt ein Sprecher des Innenministeriums auf Anfrage mit. Somit ist jede Rechnung mit Unsicherheiten behaftet, aber es lassen sich doch zumindest Näherungswerte ermitteln.

Bewaffnete Polizisten laufen Streife um das Gerichtsgebäude in Köln.

Schwerbewaffnete Polizisten einer Hundertschaft sichern das Kölner Gerichtsgebäude an allen Verhandlungstagen des Drach-Prozesses.

Nach Angaben der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in NRW kostet eine Hundertschaft pro Acht-Stunden-Schicht ungefähr 100.000 Euro – inklusive Gehälter, Material, Verpflegung, Fahrzeuge und Spritkosten. Das Ministerium will diese Zahl nicht bestätigen, dementiert sie aber auch nicht. Bei zwei Hundertschaften und 87 Prozesstagen landet man somit bei mehr als 17 Millionen Euro – eher weniger, geht man davon aus, dass nicht an jedem Verhandlungstag zwei Einheiten jeweils volle acht Stunden für den Prozess im Einsatz waren. Selbst dann nicht, wenn man berücksichtigt, dass die Hundertschaften aus verschiedenen Städten in NRW kommen und teils längere An- und Abreisen nach Köln haben.

Köln: Pflichtverteidiger kann pro Verhandlungstag 802 Euro abrechnen

Für Hundeführer, Hubschrauberpilot und Spezialeinheiten, so rechnet ein Insider vor, lasse sich mit ungefähr 30.000 Euro pro Verhandlungstag kalkulieren. Eine Flugminute mit dem Hubschrauber kostet Experten zufolge ungefähr 50 Euro, niedrig gerechnet. Wäre der Hubschrauber pro Prozesstag inklusive Hin- und Rückflug insgesamt eine Stunde unterwegs, kämen noch einmal 3000 Euro zusammen.

Fast schon „günstig“ erscheinen dagegen die eigentlichen Prozesskosten, die grundsätzlich bei jedem Schwurgerichtsverfahren mit in Haft sitzenden Angeklagten anfallen. So kann ein Pflichtverteidiger pro vollem Verhandlungstag eine Gebühr von 802 Euro mit der Staatskasse abrechnen. Die Opfer-Anwälte werden mit 699 Euro vergütet.

Ein Kassenzettel mit den einzelnen Kostenpositionen im Drach-Prozess

Schätzung: So viel kostet ein voller Verhandlungstag im Drach-Prozess:

Die ehrenamtlich tätigen Schöffen und auch Zeugen – mehr als 75 im Drach-Verfahren – werden mit Verdienstausfall entschädigt, der bis zu 25 Euro pro Stunde beträgt, dazu werden die Fahrtkosten erstattet. Auch psychiatrische Sachverständige und Video-Gutachter schlagen insgesamt mit fünfstelligen Summen zu Buche. Die Dolmetscherin, die für Drachs niederländischen Mitangeklagten Eugen W. übersetzt, bekommt 85 Euro Stundenlohn.

Jeder Richter ist sich bewusst, dass er mit Steuergeld hantiert.
Jan Orth, Richter und Pressesprecher am Landgericht

Der Vorsitzende Richter Jörg Bern verdient in der NRW-Besoldungsgruppe R2 ein Grundgehalt von 7879 Euro im Monat in der letzten Erfahrungsstufe. Seit anderthalb Jahren ist Bern ausschließlich mit dem Drach-Verfahren beschäftigt, so auch die beisitzenden Richterinnen und Staatsanwältinnen, die etwa ein Drittel weniger verdienen dürften. Fixe Kosten gibt es noch mit einem Mehraufwand an Wachtmeistern – die durchsuchen vor dem Hochsicherheitssaal 112 nochmal jeden Besucher.

Thomas Drach wird von SEK-Beamten in den Hochsicherheitssaal 112 im Landgericht gebracht, neben ihm stehen seine Anwälte Andreas Kerkhof und Dirk Kruse.

Thomas Drach (l.) wird von SEK-Beamten in den Hochsicherheitssaal 112 im Landgericht gebracht - rechts seine Anwälte Andreas Kerkhof (r) und Dirk Kruse.

Die Kostenexplosion mit einer bereits jetzt erreichten geschätzten Gesamtsumme von bis zu 20 Millionen Euro ist auch den großen Verzögerungen im Drach-Verfahren geschuldet, das seit Februar 2022 läuft. Richter Bern kann dafür nichts, er hatte zunächst lediglich 56 Prozesstage festgelegt. Durch weitere Zeugen, lange Vernehmungen durch Verteidiger und Zoff um einen Gutachter kamen aber immer wieder neue Verhandlungstage dazu. Der Richter betonte mehrfach, bereits seit Ende vergangenen Jahres mit seinem Beweisprogramm fertig gewesen zu sein.

Doch welche Rolle spielen die Kosten für den Ablauf eines Strafprozesses überhaupt? „Ganz grundsätzlich achten wir auf den Kostenfaktor nicht“, sagt Jan Orth, Pressesprecher und auch Vorsitzender Richter am Landgericht, „es geht um Recht, Gerechtigkeit und den funktionierenden Rechtsstaat“. Im Blick habe ein Richter die Kosten aber durchaus. „Jeder Richter ist sich bewusst, dass er mit Steuergeld hantiert“, sagt Orth. Daher werde in Verfahren grundsätzlich nichts „ohne Not angeordnet, was nicht sinnvoll wäre oder das Verfahren fördert“.

Den ganzen Aufwand könnte man sich sparen, würde gegen Thomas Drach gleich im Gefängnis verhandelt. In München etwa gibt es seit 2016 eigens für solche Mammutverfahren einen Hochsicherheits-Gerichtssaal auf dem Gelände der JVA Stadelheim – Baukosten: 17 Millionen Euro. Für NRW-Justizminister Benjamin Limbach (Grüne) ist das hier im Land aber keine Option. Justizvollzugsanstalten seien „nach ihrem Zweck an den Erfordernissen eines behandlungsorientierten Strafvollzuges ausgerichtet“, lässt der Minister ausrichten.

Dies präge die tägliche Arbeit mit den Gefangenen und die Abläufe in einer JVA. „Oftmals lange, mit hohen Sicherheitsanforderungen und hohem Ressourceneinsatz verbundene Strafverfahren lassen sich in diese Struktur nur schwer integrieren.“