Katholische Studentenverbindungen werden häufig mit rechten Burschenschaften assoziiert. Wir haben studentische Verbindungen in Köln nach ihrer Haltung gefragt.
Keine klare Kante gegen die AfDSind Kölner Studentenverbindungen rechtsextrem?
Studentenverbindungen gelten als reaktionär, autoritär und frauenfeindlich – und politisch auf einer Skala, die von rechtskonservativ bis rechtsextrem reicht. Unter diesem Image leiden vor allem jene der insgesamt 1000 Verbindungen in Deutschland, die gemäßigt-liberal sind.
Ein klares Statement gegen Rechtsextremismus hat Ende Januar die katholische Studentenverbindung KDStV Staufia in Bonn gesetzt: Mit einer Unvereinbarkeitserklärung auf ihrer Homepage grenzt sie sich von der AfD ab – AfD-Mitglieder können somit nicht gleichzeitig Teil der Staufia sein. Die AfD trage maßgeblich zur Verbreitung rassistischen Gedankenguts in der Gesellschaft bei und sei mit den christlichen Werten nicht vereinbar, heißt es in der Begründung.
Absolvent einer Kölner Verbindung: „Nichts mit AfD zu tun“
Ist das auch ein Thema für die in Köln ansässigen sechs katholischen Verbindungen KDStV Asgard, AV Hansea, KDStV Rappoltstein, KDStV Rheinland, AV Rheinstein und KDStV Rheno-Baltia? Auf schriftliche Anfragen hat keine der Verbindungen reagiert. Ein Student der KDStV Rappoltstein wollte sich am Telefon nicht zu der Sache äußern.
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Auf ihrer Homepage schreibt die Rappoltstein: „Wir sind weder schlagend, noch politisch, noch setzen wir Wehrdienst oder Abstammung voraus, noch sind wir rechtsextrem.“ Schlagend bedeutet, dass in manchen Verbindungen, wie der Kölner Burschenschaft Germania, noch das Fechten ohne jegliche Schutzkleidung praktiziert und verklärt wird: Die Mitglieder können sich dabei auch schwer verletzen – Narben werden als Zeichen von Männlichkeit und Mut gesehen.
Ein Absolvent der Uni Köln, der einer katholischen Verbindung in Köln angehört, sagt dieser Zeitung: „Wir haben mit der AfD absolut nichts zu tun. Ich vergleiche das gern mit Fußballfans. Es gibt rechtsextreme Fans, aber deswegen sind nicht alle Fans rechtsextrem. Mit bestimmten rechtsextremen Burschenschaften haben wir genauso wenig zu tun wie der Rest der Gesellschaft. Aber klar, nach einem Parteibuch fragen wir nicht.“
Der ehemalige Student möchte anonym bleiben, da er seiner eigenen Verbindung nichts vorwegnehmen möchte. Ob diese sich wie die Bonner öffentlich gegen die AfD positionieren wird – davon weiß er nichts.
Cartellverband positioniert sich nicht konkret gegen AfD
Wie die Staufia gehören auch die Kölner dem katholischen Cartellverband (CV) an. „Der Cartellverband setzt sich für die freiheitlich-demokratische Grundordnung und die parlamentarische Demokratie ein. Er grenzt sich von links- und rechtsradikalen Organisationen und deren Programmen, die mit den Prinzipien und Werten des CV nicht vereinbar sind, ab. Die Mitgliedschaft in links- und rechtsradikalen Organisationen widerspricht den Grundsätzen des CV“, teilt der Verbandssprecher auf Anfrage des „Kölner-Stadt-Anzeiger“ mit. Diese Grundsätze lauten: Freundschaft, Wissenschaft, Glaube, Heimat. Entscheidungen einzelner Verbindungen könne man jedoch nicht kommentieren, so der Sprecher weiter. Konkreter wurde er in Bezug auf die AfD – trotz direkter Nachfrage – nicht.
Kölner Burschenschaft Germania: Fechten und Deutschtümelei
Bei der Burschenschaft Germania sieht das anders aus. Sie ist als einzige Kölner Burschenschaft im Dachverband „Deutsche Burschenschaft“ (DB) geblieben: Dieser ist in den vergangenen Jahrzehnten immer weiter an den äußeren rechten Rand gerückt.
Im Sommer 2011 sorgte der DB mit dem Streit um den sogenannten „Ariernachweis“ für Schlagzeilen: Auf einem Verbandstreffen war gefordert worden, eine Burschenschaft wegen eines Mitglieds mit chinesischen Wurzeln aus dem Verband auszuschließen. Daraufhin verließen viele Burschenschaften den Dachverband, zurück blieben vor allem die Rechtsextremen.
Dachverband Burschenschaften spricht ebenfalls von „Remigration“
Ein Blick in die Publikationen des Dachverbands zeigt, wie er politisch tickt: In den Burschenschaftlichen Blättern (4/2023) lautet ein Titel „Die Lösung heißt Remigration“, ein Begriff, den auch Martin Sellner, Gesicht der Identitären Bewegung und Teilnehmer des Potsdamer Geheimtreffens, verwendet. Die Publikation enthält auch ein Interview mit dem Burschenschafter und bayerischen AfD-Landtagsabgeordneten Daniel Halemba, der derzeit wegen Volksverhetzung angeklagt wird.
Auf der eigenen Webseite machen die Kölner Burschenschafter der Germania, die ihren Sitz in einer Villa am Bayenthalgürtel haben, deutlich, wie sie politisch stehen: Sie erteilen eigenen Angaben nach „rassistischen Vorstellungen zwar eine eindeutige Absage“, verherrlichen aber die Nation: „Aus diesem Verständnis leitet sich auch ab, weshalb wir keine Ausländer aufnehmen, da wir niemandem, der kein Deutscher ist, ein Bekenntnis zu unserem Vaterland abverlangen können und wollen.“
Eine weitere Kölner Burschenschaft, die auch schon AfD-Mitglieder zu sich eingeladen hat, ist die Burschenschaft Alemannia. Der Kölner AStA bescheinigt ihr in seiner Internet-Broschüre „Ein Bund fürs Leben? Reader zum Thema Burschenschaften“ eine Fixierung „auf burschenschaftliche Traditionen“ sowie die Verwendung eines „volkstumsbezogenen Vaterlandbegriffs“. Den Dachverband hat die Alemannia nach dem letzten Rechtsruck jedoch verlassen.
Uni Köln zählt 109 Verbindungen
An der Uni Köln gebe es derzeit 109 eingetragene Verbindungen, wie ein Sprecher mitteilt. Diese müssen sich jedes Semester zurückmelden, sonst werde ihre Löschung veranlasst. Wenn bei der Prüfung rechtliche Bedenken auftauchen, werde der Antrag dem Justitiariat vorgelegt.
Dabei werde der Internetauftritt geprüft. Das gelte auch für bereits bestehende Verbindungen. In den vergangenen zehn Jahren sei nichts Problematisches festgestellt worden. „Die Burschenschaft Germania ist aufgrund ausbleibender Rückmeldung mit Rektoratsbeschluss vom 31.05.2022 aus der Matrikel gelöscht worden“, so der Unisprecher.
Auch das NRW-Innenministerium hat keine konkreten Anhaltspunkte, dass Burschenschaften in Köln und NRW gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung agieren. Dennoch: „Teilbereiche des Rechtsextremismus – vor allem der ‚Neuen Rechten‘ – sehen Burschenschaften als Zielgruppe. Sie wollen eigene Positionen dort verankern. Vereinzelt sind Burschenschaftler Mitglieder rechtsextremistischer Organisationen“ oder es bestünden Kontakte zwischen ihnen, so die Sprecherin.
Verbindungen locken mit Zimmern und Netzwerk
An der Uni Köln raten die Fachschaften davon ab, Teil einer Verbindung zu werden, erzählt Masterstudent Aaron Ginster. Trotz ihres Nachwuchsproblems zeigt die Zahl 109: Sie bieten etwas, das an großen Unis nicht für jeden einfach zu finden ist: verlässlichen Anschluss und oftmals günstige Zimmer in schönen Villen. Das weiß auch Ginster, der zu Beginn seines Studiums überlegt hat, einer Verbindung beizutreten.
„Wenn man bei einer BWL-Erstveranstaltung vorbeischaut, sagen sie dort: Das Wichtigste im Berufsleben sind Kontakte. Verbindungen sind daher ein attraktives Mittel, um langfristige Freundschaften zu schließen“, so der Student. Ihn habe jedoch gestört, dass nach nur wenigen Treffen bereits der Druck spürbar gewesen sei, beizutreten. „Ich würde aber nicht sagen, dass jede Verbindung eine komische oder rechte Organisation ist. Die, zu der ich Kontakt hatte, war neoliberal. Der Fokus am Essenstisch waren Aktien. Also schon eine elitäre Sache.“