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Kölner WeihnachtsmarktSo läuft es hinter dem Glühweintresen

Lesezeit 3 Minuten
Annika Müller hält zwei Tassen Glühwein in der Hand.

Redakteurin Annika Müller als Glühweinverkäuferin auf dem Weihnachtsmarkt der Engel am Neumarkt

Redakteurin Annika Müller hat sich als Glühweinverkäuferin am Neumarkt versucht.

Der Nieselregen will nicht enden, nach kurzer Zeit kleben nasse Haarsträhnen an meinen Wangen. Kein gutes Weihnachtsmarkt-Wetter. Trotzdem drängen sich am Neumarkt unter leuchtendem Sternenhimmel und Schirmen die Touristen und Einheimischen vor den Glühweinbuden. In einer davon werde ich gleich selbst die Zapfhähne bedienen. Perspektivwechsel, das ist die Idee.

Glühweintrinken wird in der Adventszeit quasi zum deutschen Volkssport. Rund 50 Millionen Liter des alkoholischen Wintergetränks gehen bundesweit jährlich über die Tresen. Ich will einmal die Seiten wechseln.

Glühwein lagert in 600-Liter-Tanks

Um zu meinem „Praktikum“ in der Glühweinhütte „Wolke“ zu kommen, muss ich ein bisschen suchen. Eine Tür im Holzzaun führt mich hinter die Hütte. Hier bekomme ich einen braunen Pullover und eine dunkelblaue Weste, meine Arbeitsuniform. Kalt wird mir darin definitiv nicht. Neben der Glühweinhütte steht eine zweite Hütte: Hier lagern die 600-Liter-Tanks, aus denen das rote Heißgetränk über die Zapfhähne in die Glühweintassen fließt.

Nach kurzer Einweisung darf ich mich als Spülerin beweisen – in der „Wolke“ herrscht klare Arbeitsteilung. Die Glühweintassen müssen fein säuberlich mit den Henkeln in dieselbe Richtung zeigend in die blauen Spülkörbe sortiert werden. Sobald einer voll ist, geht’s in die Industriespülmaschine. Kölschgläser – von denen an regnerischen, milden Tagen deutlich mehr über den Tresen gehen – müssen per Hand gespült werden. In der Bürstenvorrichtung zerbricht mir direkt das erste, lieber zurück zur Spülmaschine.

Annika Müller zapft mit beiden Händen Glühwein.

Konzentriert bei der Arbeit: Annika Müller zapft Glühwein.

Etwas befremdlich ist das Glöckchen: Der Spüler muss immer dann läuten, wenn ein Kassierer Trinkgeld sagt. „Klingeling“ und das ganze Team sagt unisono „Danke“. „That’s the spirit“, wird mir erklärt. Aha – der Weihnachtsgeist des Trinkgelds.

Weil es beim Spülen doch schnell langweilig wird, folgt schon bald die Beförderung zur Glühweinzapferin. Rechts zwei Zapfhähne für roten Glühwein, daneben einmal weißer Glühwein, Kinderpunsch und in der Mitte Kakao. Eierpunsch und Apfelpunsch sind in großen Behältern hinter mir, da muss ich aber bei Weitem nicht so oft hin.

Wenn ein Kassierer seine Bestellung aufnimmt, ruft er den Zapfern zu, was er braucht. Schnell lerne ich auch beidhändig zu zapfen wie die Profis in der Hütte. Roter Glühwein gehört definitiv zu den Bestsellern, ich zapfe aber auch überraschend viel weißen Glühwein. Und auch Kinderpunsch ist bei den Weihnachtsmarktbesuchern beliebt – bei mir weniger. Das schaumige – und heiße – Getränk neigt beim Zapfen zum Spritzen. Irgendwann klebt an meinen Händen süßes Zeug.

Letzte Station: Kasse. Jetzt steigt meine Nervosität. Zum Glück ist bei aller Besinnlichkeit aber auch in der Glühweinhütte die Digitalisierung angekommen. Mein dürftiges Kopfrechen-Talent ist kein Hindernis. Auf einem Tablet sind alle Getränke aufgelistet. Wenn ich auf das Feld für Glühwein klicke, rechnet das Gerät direkt das Pfand mit drauf und rechts oben erscheint der Preis: 4,50 Euro für den Glühwein plus 4 Euro Pfand – heißt 8,50 Euro.

Langsam bekomme ich Routine. Nur die Kommunikation mit manchen Touristen könnte flüssiger laufen. Neben Englisch ist besonders Französisch weit verbreitet. Manche Gäste sind auch besonders redselig: Ein Männer-Duo – der FC-Mütze und dem Klang nach wohl Kölner – steht besonders lange am Glühweinstand. Nicht nur mich verwickeln die beiden, insbesondere der FC-Fan, immer wieder in Gespräche – auch alle anderen Weihnachtsmarktbesucher, die bei mir bestellen wollen, werden angequatscht. Da geht’s vom Smalltalk über das schlechte Wetter schnell zum Zusammenleben von Vegetariern und Nicht-Vegetariern. Mit rund drei Stunden am Tresen und regelmäßiger Glühweinbestellung beweisen die Männer gute Ausdauer. Letztlich gehen sie aber nach Hause – und auch für mich ist der Tag beendet. Feierabend.