Köln – Zum 16. Jahrestag des Nagelbombenanschlags des rechtsradikalen NSU in Mülheim hat die Stadt Köln ein wenig Hoffnung gemacht, dass es doch noch gelingen könnte, auf der Ecke von Keupstraße und Schanzenstraße ein Mahnmal zu errichten. In den letzten Wochen und Monaten sei „Bewegung in die zuvor festgefahrene Situation gekommen“, so der Sprecher der Oberbürgermeisterin, Alexander Vogel. Man beabsichtige, das Grundstück beziehungsweise Teile des Areals zu kaufen. Mit den Eigentümern stehe man in „einem intensiven Austausch“.
Sollte nun ein Kauf gelingen, könnte sich eine für die Stadt mittlerweile recht peinliche Angelegenheit doch noch zum Guten wenden. Bei einem Juryverfahren unter ihrer Leitung war 2016 der spektakuläre, multimediale Entwurf des Berliner Künstlers Ulf Aminde prämiert und die Umsetzung auf einem „Birlikte“-Platz auf der Ecke Keupstraße/Schanzenstraße in Aussicht gestellt worden.
Mahnmal-Pläne ohne private Eigentümer gemacht
Doch schnell wurde klar: Die Stadt, der Künstler wie auch die Jury des Kunstwettbewerbs hatten ihre Pläne ohne die privaten Eigentümer des Grundstücks gemacht. Die wollten das Areal mit einem fünfgeschossigen Bürokomplex bebauen, ein großer „Birlikte-Platz“ war nicht vorgesehen und der Ort, an dem das Mahnmal stehen könnte, sollte ein anderer sein. Das Tauziehen dauert nun Jahre an.
Wie realistisch die nun überraschend angekündigte Kaufoption ist, lässt sich schwer einschätzen. Vom Sprecher der Eigentümer, Bernd Odenthal, gibt es keine Bestätigung. Oberbürgermeisterin Henriette Reker habe mit ihm gesprochen, sagt er. Zusagen gebe es keine. Grundsätzlich bleibt er bei seinem Standpunkt: An der Ecke von Keupstraße und Schanzenstraße werde das Mahnmal „in keinem Fall“ gebaut werden. „Wir werden eine passende Stelle finden“, sagt er zur Beruhigung der Kritiker. Erst will er jedoch eine Baugenehmigung von der Stadt.
Uneinigkeit in der Eigentümergemeinschaft in Köln-Mülheim
An welcher Stelle sich das Planungsverfahren befindet, will er nicht verraten. Tatsächlich scheint die Gemengelage hinter den Kulissen kompliziert. Dass nicht längst auf dem Areal gebaut wird, lässt sich wohl auch mit der Uneinigkeit in der Eigentümergemeinschaft erklären.
16. Jahrestag des NSU-Anschlags
Anders als in den vergangenen Jahren ist auch wegen der Corona-Krise keine größere Gedenkveranstaltung in der Keupstraße geplant. Bezirksbürgermeister Norbert Fuchs wird mit dem türkischen Generalkonsul am Nachmittag des 9. Juni einen Kranz an dem Ort niederlegen, wo die Nagelbombe des NSU explodierte und 22 Menschen verletzt wurden. Außerdem ist eine „Gedenkkundgebung“ der Initiative „Migrantifa“ für 19 Uhr als Demonstration an der Ecke Keupstraße und Schanzenstraße angemeldet worden. Der Integrationsrat der Stadt hat vorgeschlagen, eine Baumpflanzaktion als Zeichen eines „lebendigen Erinnerns“ zu initiieren. Weil in Deutschland immer wieder Gedenkorte geschändet und zerstört werden, könnten Schüler oder Initiativen im öffentlichen Raum und auf Schulhöfen Bäume pflanzen und pflegen, die dann mit Gedenktafeln oder Stelen versehen werden. (fra)
Nicht alle wollen selbst als Bauherr auftreten, wie es heißt. Auf Nachfrage lässt sich Odenthal nur mit den Sätzen zitieren: „Die Zusammensetzung des Investorenkreises wird zur Zeit verhandelt. Wer sich beteiligt, ist noch offen.“ Das klingt weder nach schnellen Fortschritten, noch nach einem Verkauf an die Stadt. Wenn sich nur einzelne aus der Eigentümergemeinschaft verabschieden, kann die Stadt nicht kaufen.
Eine neue Initiative mit Geschichtswerkstätten, dem Allerweltshaus, dem Verein Agora Köln, der Friedensinitiative Köln, dem Komitee für Grundrechte und Demokratie sowie zahlreichen Wissenschaftler der Kölner sowie anderer Universitäten hat im Mai von der Stadt gefordert, endlich zu handeln. Man solle über Festlegungen im Bebauungsplan die Eigentümer verpflichten, einen großen Platz an der Straßenecke freizulassen.
Keine Bereitschaft, über einen anderen Ort nachzudenken
Falls die Eigentümer das Areal verkaufen wollten, solle es die Stadt übernehmen. Ähnlich sieht es die Interessengemeinschaft der Keupstraße. IG-Sprecherin Meral Sahin bleibt dabei: „Es gibt keine Bereitschaft, über einen anderen Ort nachzudenken. Damit das Mahnmal funktionieren kann, braucht es genau diesen Platz.“ Es gehe um ein wichtiges Signal gegen Rassismus. Das könne man nicht einfach irgendwo hin wegstellen oder verstecken.
Vor dem Hintergrund der festgefahrenen Situation war immer wieder die Forderung laut geworden, sich doch auf alternative Standorte einzulassen. Das hatte auch Bezirksbürgermeister Norbert Fuchs gefordert. Wenn sich Anwohner, der Künstler und ihre Unterstützer nicht auf Standortvorschläge in der Nachbarschaft einließen, „haben wir in zehn Jahren immer noch kein Mahnmal“.
Sein Amtskollege in der Innenstadt, Andreas Hupke, hatte gar über eine Verlegung des Mahnmals in die Probsteigasse im Gereonsviertel ins Spiel gebracht. Dort hatte die Terrorgruppe NSU drei Jahre vor dem Anschlag in der Keupstraße in einem Kiosk eine Bombe hoch gehen lassen.