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Daach der kölschen SprochWo Schüler noch Kölsch lernen – das Codewort ist Blotwoosch

Lesezeit 5 Minuten
Karl Becker bei einem Auftritt mit dem kölschen Chor der Katholischen Hauptschule Großer Griechenmarkt

Karl Becker bei einem Auftritt mit dem kölschen Chor der Katholischen Hauptschule Großer Griechenmarkt

Ein Besuch in der Hauptschule Großer Griechenmarkt und im Ursulinengymnasium.

„He, am Kreechmaatt, zweschen Wasserturm – Agrippabad, steiht uns Schull: de Kayjass Nummer Null“, singen die Kinder und Jugendlichen in dem Pavillon der Katholischen Hauptschule Großer Griechenmarkt. Ein neuer Auftritt für den Chor steht an. Vier Lieder müssen sitzen. Karl Becker (80), einst Schulleiter und schon seit 15 Jahren pensioniert, treibt die Schüler freundlich, aber bestimmt an. „Nicht so läppsch, jetzt noch mal mit mehr Dampf.“

Die Hauptschule ist stolze Nachfolgerin der legendären Schule Kayjass Nummer Null, in der Lehrer Welsch „dreimol null es null“ unterrichtete. Karl Becker hat den Chor vor Jahrzehnten gegründet, bereits ahnend, dass das Kölsche gefährdet ist. Schnell wurden die Kölner Musiker aufmerksam: Immer, wenn die Bläck Fööss oder die Paveier Kinderstimmen als Begleitung brauchten, wurde bei Becker angefragt.

Schüler stehen mit den Bläck Fööss auf der Bühne der Philharmonie

„Ich mööch zo Foß noh Kölle jonn“ und „Et kölsche Woot för Zwiebel es Öllich“ schmettert der Chor. Nicht alle verstehen immer, was sie singen. Aber sie tun es mit Spaß. „Es ist ein bisschen wie Englisch, da weiß man ja auch nicht alles“, sagt ein Junge, der aus einer italienischen Familie kommt und stolz Solo singt. Ein Mädchen erzählt, dass bei ihr zu Hause noch Kölsch gesprochen wird. Bei den meisten allerdings nicht. Auf jeden Fall klinge Kölsch aber fröhlich und sei leicht zu singen. „Mir sin die Weltmeister vum Rhing, wä uns nit kennt, hät de Welt nit jesinn. Weltmeister em Fiere, Blamiere, Klüngele, Strunze, Lamentiere, Stroß opriße, Düx verbaue, de Aussicht op d’r Dom versaue.“

Eine Plakette erinnert an die legendäre Schule Kayjass Nummer Null, als deren stolze Nachfolgerin sich die Hauptschule Großer Griechenmarkt versteht.

Eine Plakette erinnert an die legendäre Schule Kayjass Nummer Null, als deren stolze Nachfolgerin sich die Hauptschule Großer Griechenmarkt versteht.

Karl Becker sagt: „Der Chor ist eine Gemeinschaft, die viele unserer Hauptschulkinder sonst nicht erleben. Und ideal für die Integrationsarbeit mit Migranten.“ Und: „Durch den Chor haben meine Kinder Sachen erlebt, die sie sonst nie erlebt hätten.“ Da stehe man mit den Bläck Fööss als kleines Menschlein auf der Bühne der rappelvollen Philharmonie. Auch die Eltern seien dann wahnsinnig stolz. Die Kinder treten in Berlin oder München als kölsche Botschafter auf. Und sie sehen die Tränen in den Augen der Senioren in den Riehler Heimstätten oder der Patienten auf der Intensivstation des Krankenhauses Weyertal, wo sie regelmäßig zu Gast sind. „Da zeigt sich immer wieder, dass man mit Kölsch viel näher an die Menschen herankommt.“ Dann sprächen die Schüler und die Besungenen eine gemeinsame Sprache.

Kölsch wird im Ursulinengymnasium im Schatten des Doms unterrichtet

Aber es sei eine Sisyphosarbeit. „Das tägliche Kölsch ist tot, das sprechen nur noch ein paar Oldies.“ Solange er kann, wird er mit den Schülern dagegen arbeiten. Wie es weitergeht, wenn er sich endgültig zur Ruhe setzt, ist unklar. Er schwört den Chor noch einmal auf den kommenden Auftritt ein: bitte pünktlich und mit den Chor-T-Shirts. Im Schullied heißt es: „De Haupsach es, mer han en Schull, wo mer all drop ston.“

Auch im Erzbischöflichen Ursulinengymnasium in der Machabäerstraße wird Kölsch unterrichtet. Lehrer Thomas Gebhardt hat die Kölsch AG vor einigen Jahren wiederbelebt. „Hier im Schatten des Doms und mit der legendären Straße Unter Krahnenbäumen um die Ecke: Da müssen wir unsere Sprache erhalten“, sagt er. Zumal die Schule auch traditionell im Karneval sehr engagiert ist.

Weiberfastnacht 2023 zog die Ursulinenschule durch die Straßen rund um die Schule.

Weiberfastnacht 2023 zog die Ursulinenschule durch die Straßen rund um die Schule.

Die Kölsch AG hat stetigen Zulauf. Gerade wird ein kleiner Film zum Thema „Wat es Kölsch?“ geplant. Köbes, Getränk, Kallendresser, Eigelsteintorburg und der Dom werden vorgeschlagen. Zum Eigelstein gehen sie einmal pro Halbjahr und hören Geschichten über die Geschichte der Torburg und des Veedels. Der Termin ist sehr beliebt, weil es danach immer in die Eisdiele am Platz geht.

Alle Texte zum Tag der kölschen Sprache:

Das sind die Erfinder des Tages /// Brings erzählen, warum sie früher kein Kölsch sprechen durften /// Welche Bedeutung hat Musik für den Erhalt der kölschen Sprache /// Interview mit der neuen Leiterin der Akademie för uns kölsche Sproch /// Wo Schüler heute noch Kölsch lernen /// Gastkommentar von Björn Heuser ///

„Meine Uroma und meine Mutter, die sprechen noch Kölsch. Wir wohnen im Severinsviertel“, sagt eine Schülerin. Die verbessern sie sogar manchmal. Eine Fünftklässlerin, die ganz frisch in der AG ist, tanzt im Karneval und hat dabei die kölschen Lieder kennengelernt. „Die Lieder sind cool. Mit Dialekt hört sich alles besser an.“ Und: „Kölsch ist einfacher zu singen als Hochdeutsch.“ Aber auch Schimpfwörter seien sehr schön: Kniesbüggel, Schwadlappen.

Schüler schicken Geburtstagsvideo an Ludwig Sebus

Ganz offensichtlich haben die Schülerinnen eine Beziehung zu der oft für sie neuen Sprache entwickelt. Ein russischstämmiges Mädchen und eine Halbschwedin machen mit. „Irgendwie vermittelt Köln ein heimeliges Gefühl.“ Zu seinem 99. Geburtstag hat der Chor Krätzchensänger Ludwig Sebus ein kleines Video geschickt. Darauf singen sie das von Sebus geschriebene Lied „Uns kölsche Siel“ – Unsere kölsche Seele. „Oh nein, ich sehe schrecklich aus in dem Video“, meint ein Mädchen, als Thomas Gebhardt das Video mit dem Beamer zeigt. Doch als das Lied erklingt, singen alles sofort leise mit. „Uns kölsche Siel, die kann uns keiner nemme.“

Die Kölsch AG führt bei den Karnevalssitzungen der Schule regelmäßig Sketche auf. Da haben die Schülerinnen bereits erfahren, dass es gar nicht so einfach ist, das Publikum bei der Stange zu halten. „Klar, die Eltern klatschen natürlich, wenn ihre Kinder auftreten. Aber die Schüler verstehen manche Witze einfach nicht und schauen dann ganz ratlos.“ Wer nicht in der AG ist, kennt sich eben nicht so gut aus. Daher ist „Blotwoosch“ zu einem Codewort geworden. Wer das Wort richtig aussprechen kann, gehört dazu. Egal, ob man Kölner oder Imi ist.