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Ein bisschen NormalitätZu Besuch beim ersten Kölner Gottesdienst in Corona-Zeiten

Lesezeit 3 Minuten

 Trotz hoher Inzidenzen finden in Kirchen immer noch Präsenzgottesdienste statt.

Köln – Von einem „Stück Normalität unter den Corona-Bedingungen“ spricht Kardinal Rainer Woelki am Ende der ersten öffentlichen Messfeier im Dom seit dem Lockdown am 14. März. „Ich hoffe, dass es eine innere geistliche Freude gewesen ist“, fügt der Erzbischof hinzu. Die eigene Freude ist ihm anzusehen.

Und doch ist es noch ein sehr unnormales Stück Normalität in einigen wenigen katholischen und evangelischen Gemeinden Kölns: Die Zahl der Gottesdienstteilnehmer war strikt reglementiert. Im riesigen Langhaus des Doms und den Seitenschiffen durften es exakt 122 sein – in den Bänken aufgereiht wie auf einer Perlenschnur mit großen Zwischenräumen.

Onlineticket-System für die Kirchenbank

In Sankt Agnes, der zweitgrößten Kirche Kölns, die sonst für 400 Besucher ausgelegt ist, waren 80 Personen zugelassen. Die Plätze wurden über ein Onlineticket-System vergeben. Das habe beim „Probelauf“ gut funktioniert, sagt City-Pfarrer Dominik Meiering, der dem ersten Gottesdienst persönlich vorsteht. Alle 40 Anmeldungen konnten berücksichtigt werden. Pastoralreferent Peter Otten hat die Liste bei sich und hakt am Kircheneingang die Namen ab, während er die Hände der Besucher mit Desinfektionsmittel besprüht.

Erlaubt war ein Besucher pro Kirchenbank.

Meiering spricht am Beginn der Messe von einer „seltsamen Situation“ und von der Gefahr einer „Karikatur von Gottesdienst“, aber auch von seiner Freude, „euch alle zu sehen“. – „Schön, dass wir miteinander sind“, ruft der Pfarrer und erhält dafür spontan Applaus. Als „ambivalent“ nimmt Agnes Puffert, die zur Kerngemeinde der Agneskirche gehört, die erste Messe nach sechs Wochen wahr: Gottesdienst zu feiern auf Distanz, das sei irritierend, ja paradox. „Aber es ist für mich auch eine Frage der Solidarität, zu kommen und meine Heimatgemeinde zu unterstützen.“ Hildegard Kohlgrüber, die ein paar Bänke weiter am Mittelgang Platz genommen hat, sagt, es helfe ihr sehr, dass sie jetzt wieder zur Kirche gehen, mit anderen beten „und auch mal weinen“ könne. „Mir geht es nicht gut mit Corona. Ich brauche die Kirche.“

Skeptiker bleiben leise

Die Skeptiker bleiben eher leise – und wollen nicht genannt sein. „Warum diese Eile?“, fragt einer. „Und warum ein Verständnis von Liturgie wie vor 100 Jahren?“ Das spielt auf die notgedrungene Vereinzelung an, auf das Fehlen des Gemeindegesangs und auf die Betonung des Kommunionempfangs. Meiering versucht, dem entgegenzutreten: „Communio – Gemeinschaft – ist mehr als die Kommunion in der Kirche“, sagt er. Das unterstreicht auch Kardinal Woelki, indem er auf das karitative Wirken von Christen in der Krise verweist: Viele hätten „als Corona-Engel“ gearbeitet.

Den Ausfall des Gemeindegesangs kompensieren die Kirchenmusiker der Gemeinden mit einem betont ambitionierten Angebot. In Sankt Agnes geben Franziska Schacht (Sopran) und Matthias Bartsch (Orgel) eine „Messe brève“ von Charles Gounod, im Dom steht ein Quartett der Domkantorei auf Abstand in einem großen Quadrat und singt Palestrina.

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Erstmals kommt im Dom ein eigens konstruierter „Spuckschutz“ zum Einsatz, ein Holzgestell mit einer Scheibe, das zur Kommunion zwischen Spender und Empfänger gerollt wird – praktisch, aber doch auch bizarr.

Am Ende verabschiedet sich der Kardinal von allen, die in den vergangenen Wochen online mit ihm die Messe gefeiert haben. „Ich wollte in dieser Zeit bei Ihnen sein, doch jetzt tritt der Alltag ein.“ Das bedeutet: Ab Sonntag übernimmt wieder das Domkapitel die Messfeiern in der Kathedrale. Nächste Gelegenheit, den Kardinal dort anzutreffen: Pfingsten. Es ist das Fest des Heiligen Geistes und „der Geburtstag der Kirche“.