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Kölner Partymeilen an KarnevalZustände für Anwohner seit Jahren unerträglich

Lesezeit 3 Minuten

Hemmungslos Betrunkene am 11.11.

Köln – Schlimm war es am 11.11. auch schon in den vergangenen Jahren. Aber dieses Mal trieben es die Massen, die zum Sessionsauftakt in die Altstadt, auf die Zülpicher Straße oder auch in die Südstadt zog, noch wilder – wenn eine Steigerung überhaupt möglich ist: noch mehr Müll, noch mehr Betrunkene schon am Vormittag, noch weniger Hemmungen, sich daneben zu benehmen. Für die Anwohner, die direkt vor ihrer Haustür mit den Auswüchsen konfrontiert sind, ist die Situation nicht mehr tragbar.

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„Was muss eigentlich noch passieren, damit Stadt und Polizei endlich wirkungsvolle Gegenmaßnahmen ergreifen“, fragt sich Jörg Kretzschmar. Der 43-jährige wohnt an der Beethovenstraße, nur wenige Meter vom Zülpicher Platz entfernt, und betreibt dort auch eine Schule für japanische Kampfkunst. Nach den verheerenden Erfahrungen vom letztjährigen Sessionsauftakt, als der Hof vor seiner Schule von Urin und anderen unappetitlichen Hinterlassenschaften im wahrsten Sinne des Wortes überflutet wurde und die Fäkalien bis in Hausflur und Tiefgarage flossen, hat er ein Gittertor vor der Einfahrt einbauen lassen. Ein extrem aufwendiges Unterfangen, weil dafür auch die komplette Steuerung für die Garage verlegt werden musste. Die Kosten von knapp 20 000 Euro trug er selbst, gemeinsam mit einigen Nachbarn.

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„Die feiern und sind dann wieder weg, aber wir wohnen hier“

Im vergangenen Jahr hatte Kretzschmar noch versucht, seinen Hinterhof selbst zu verteidigen. Drei Stunden lang habe er gemeinsam mit einem Freund das Tor bewacht und alle Eindringlinge vertrieben. Dann musste er arbeiten. „Innerhalb von nur einer Stunde schwamm der Hof von Urin. Die Leute standen oder saßen zu zehnt oder zwanzig nebeneinander an der Mauer und verrichteten ihr Geschäft. Darunter auch viele junge Mädchen“, so Kretzschmar.

Die Hemmungslosigkeit der vielfach volltrunkenen Feiernden macht den 43-Jährigen fassungslos – und wütend. „Die feiern und sind dann wieder weg. Aber wir wohnen hier und müssen damit leben.“ Kretzschmar etwa muss während der tollen Tage seine Aikido-Schule schließen, weil die Kursteilnehmer wegen der Sperrungen und der feiernden Massen gar nicht zu ihm gelangen können. Für solche Schäden, die den Anwohnern entstehen, interessiere sich aber niemand, so seine Erfahrung. Seine Versuche, das Ordnungsamt zu informieren, gingen ins Leere, am Telefon schaltete sich nur ein Anrufbeantworter ein. Und auch die Kneipenwirte, die ihre Gewinne im Karneval vervielfachen, kämen nicht auf die Idee, die Schäden zu begleichen oder sich an den Aufräumarbeiten zu beteiligen.

„Der Karneval muss raus aus dem Veedel“

Jörg Kretzschmar sieht eigentlich nur eine Lösung: „Der Karneval muss raus aus dem Veedel und stattdessen auf die grüne Wiese verlegt werden, ähnlich wie das Oktoberfest in München.“

Alleine gelassen fühlt sich auch Katharina S. (60, Name geändert), die in der Südstadt als Patin auf eigene Kosten ein öffentliches Beet pflegt. Benutzte Kondome hat sie dort zwischen den Blumen schon gefunden, vollgekotete Unterhosen, Erbrochenes, Glasscherben. Hundekot und Uringestank gehören zum Alltag. „Die Leute werden immer hemmungsloser,“ sagt sie genervt. „Ich habe gedroht, die Patenschaft aufzugeben, weil ich keine Klofrau sein wollte. Seitdem werden wenigstens an Karneval und zum »Längste Desch« Absperrgitter aufgestellt.“

An Tagen wie dem 11.11. potenzierten sich „die Schweinereien, aber das Beet wird jedes Wochenende als Klo missbraucht. Es gibt ja Gesetze, die das verhindern könnten, aber es gibt keinen, der sie durchsetzt. Wenn ich beim Ordnungsamt anrufe, kommt die lapidare Antwort, es gäbe nicht genügend Personal.“ Und andere Maßnahmen würden ja nicht greifen. An der Severinstorburg seien extra Büsche entfernt worden, um Wildpinkler abzuhalten – einziger Effekt: die hemmungslosen Pisser hätten mehr Platz.