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Angriffe auf KVB-PersonalKölner Busfahrer wurde Opfer und schildert die extremen Folgen

Lesezeit 5 Minuten
Thomas Annas sitzt am Steuer eines Busses.

Thomas Annas war Busfahrer für die KVB.

Busfahrer war sein Traumberuf. Nach einer gewaltsamen Attacke hätte Thomas Annas gerne sein altes Leben zurück. Aber das scheint aussichtslos.

12. Januar: Ein Busfahrer der Linie 157 ist an der Haltestelle Merheim von einem Fahrgast angegriffen und im Gesicht verletzt worden. 15. Januar: An der Endhaltestelle Weiden hat ein stark alkoholisierter 17-Jähriger einen KVB-Fahrer der Linie 1 ins Gesicht geschlagen. Es sind Nachrichten wie diese, die bei Thomas Annas mehr auslösen als bei anderen Leserinnen und Lesern. Dann ist bei ihm der 7. Dezember 2020 sofort wieder präsent. Und all das, was der 48-Jährige bis heute nicht überwunden hat.

Bis zu diesem Datum war er Busfahrer aus Leidenschaft. „Mein Traumberuf“, sagt Annas. An jenem Tag um 14.45 Uhr war er auf der Linie 121 unterwegs, als ein offensichtlich unter Drogen stehender Fahrgast mit einem Nothammer die hintere rechte Scheibe des Busses einschlug. „Sie wissen schon, dass hier Videoaufzeichnung ist?“, wandte sich Annas per Busmikrophon an den Randalierer. Der zum Tatzeitpunkt 21 Jahre alte Mann stürmte daraufhin nach vorne und rastete völlig aus. Er zerstörte die Schutzfolie, die den Fahrer angesichts der damaligen Corona-Pandemie vom Fahrgastraum trennte und schlug von hinten mit dem Notfallhammer auf den Busfahrer ein.

Köln: Attacke auf Busfahrer mit schwerwiegenden Folgen

Annas versuchte, sich nach Leibeskräften zu wehren und den Angreifer von sich zu stoßen. Nachdem der Täter auch das Glas der Bustür zerstört hatte, flüchtete er an der Haltestelle Dädalusring zu Fuß. In der Nähe konnte er dann von alarmierten Polizisten überwältigt und vorläufig festgenommen werden. Annas kam mit einem Rettungswagen ins Krankenhaus.

„Wir verspüren eine gewisse Tendenz zur Verrohung, so wie diese auch die Polizei und der Sanitätsdienst beschreiben“, sagt KVB-Sprecher Stephan Anemüller. Die Gründe oder Auslöser derartiger Attacken sind oft nichtig. Beim jüngsten Fall an der Endhaltestelle der Stadtbahnlinie 1 in Weiden Mitte Januar hatte der Fahrer den 17-Jährigen lediglich mehrfach aufgefordert, die Bahn zu verlassen. Dafür wurde der KVB-Angestellte verprügelt. Der Jugendliche stand unter Alkoholeinfluss, wie sich später zeigte.

Angriffe auf KVB-Personal in Köln: „Tendenz zur Verrohung“

Sind im ersten Monat des Jahres bereits zwei harte körperliche Attacken gegen KVB-Fahrer zu beklagen, waren es im vergangenen Jahr neun, 2023 insgesamt zwölf; 2022 wurden gar 16 Fälle gezählt. „Jeder ist einer zu viel“, sagt Anemüller. Konkrete belastbare Zahlen zu verbalen Attacken gebe es nicht. „Das hängt damit zusammen, dass die Fahrerinnen und Fahrer unterschiedlich damit umgehen. Die einen halten verbale Attacken in den Fahrbüchern fest; die anderen ärgern sich, notieren dies aber nicht“, so der KVB-Sprecher.

Thomas Annas war sich damals sicher, dass er das Erlebte leicht wegstecken würde. „Ich bin eher ein Harter im Nehmen – gewesen“, sagt er über sich selbst. Bei dem Angriff erlitt er einen Schock und durch die Schläge kleinere Platzwunden und Prellungen. Das wird schon wieder, sagte er sich, als er zunächst krankgeschrieben war.

KVB-Fahrausweisprüfer in Aktion; Mitarbeitende; Sommer 2023

Im Fahrgastservice sind KVB-Bedienstete, wie diese Fahrausweisprüfer, inzwischen mit Körperkameras ausgestattet. Diese sollen deeskalierend wirken.

Doch dem war nicht so. Trotz psychologischer Behandlung und Reha blieb die Angst. Dass noch mal jemand unvermittelt von hinten auf den Busfahrer einschlägt, wurde zum ständigen Begleiter. Posttraumatische Belastungsstörung, diagnostizierten die Ärzte. Noch heute, viereinhalb Jahre später, fällt es ihm schwer, in Räume zu gehen, wenn hinter ihm Menschen sind oder sein könnten. Als FC-Fan hat Annas eine Dauerkarte fürs Stadion, aber oft muss er seinen Platz während des Spiels verlassen: „Ich werde dann unruhig oder fange an zu zittern.“

Auf die KVB lässt er nichts kommen. „Die haben sich wirklich gut um mich gekümmert.“ Inzwischen ist die Unterstützung abermals ausgeweitet worden. KVB-Sprecher Stephan Anemüller erläutert die aktuelle Vorgehensweise: „Wir haben das Team Unfallbetreuung Stadtbahn und Bus eingeführt. Hier erfolgt eine Unfallerstbetreuung in solchen Fällen direkt vor Ort.“ Fachkräfte betreuten die Betroffenen an der Unfallstelle und begleiteten sie ins Krankenhaus, zur Traumaambulanz, zum betriebsärztlichen Dienst oder aber auch nach Hause. Die weitere Betreuung erfolge durch die Teamleitung.

Um Annas eine weitere berufliche Perspektive bei der KVB zu ermöglichen, wurde ihm eine Ausbildung zum Lageristen angeboten. Der 48-Jährige sagte zu. Doch dann folgte „die Katastrophe“ oder das, „was ihm den Rest gab“, wie er sagt: Im September 2021 verstarb seine Mutter. Nur zwei Tage später folgte ihr seine Oma. „Da hab ich mich krankschreiben lassen. Ich war gefühlt am Ende. Und der Meinung, was ganz Neues anfangen zu müssen, was mich auch nicht mehr ans Busfahren erinnert.“

KVB Köln: Körperkameras für Personal

Annas unterschrieb einen Aufhebungsvertrag, erhielt eine Abfindung. Doch mehrere Jobversuche scheiterten. Als Lkw-Fahrer kam er mit dem Zeitdruck nicht zurecht. Früher sei Stress keine Sache für ihn gewesen. Andere gesundheitliche Probleme kamen hinzu. Ein erneuter Versuch, es als Busfahrer beim Busverkehr Rheinland (BVR) zu schaffen, scheiterte. Nach der Probezeit war Schluss.

Angesichts der Attacken der vergangenen Jahre hat die KVB ihr Personal im Fahrgastservice inzwischen mit Körperkameras ausgestattet. „Diese wirken unseren ersten Bewertungen zufolge deeskalierend“, sagt der KVB-Sprecher. Zudem, so Anemüller weiter, könne man stichfeste Jacken tragen, wenn dies gewünscht ist. Und: „Aktuell bieten wir allen Teams mit direktem Kundenkontakt, wozu Fahrdienst, Service und Aufsicht zählen, Deeskalationstrainings an, mit denen kritische Situationen friedlich aufgelöst werden können.“

Der Angriff habe sein Leben zerstört, sagt Annas. Dass er so offen über das Erlebte spricht, hat mehrere Gründe: Der Kölner möchte anderen Menschen zeigen, die Ähnliches erlebt haben, dass sie nicht allein sind. „In der Zeitung sind das immer nur kleine Meldungen. Aber kaum einer macht sich eine Vorstellung davon, was die Opfer danach alles durchmachen.“

Als Bürgergeld-Empfänger hat Annas die Hoffnung auf Besserung dennoch nicht aufgegeben. Aktuell jobbt er für die Firma Fitout bei Fußball-Bundesliga-Spielen und kümmert sich ums Licht bei Spieler-Interviews. Er habe vielleicht Aussicht auf eine Anstellung in Teilzeit. Halt geben ihm sein Sohn und der Karneval, wo er bei der KG Alt-Köllen und den Plaggeköpp aktiv ist.

Der Angreifer habe „ein Jahr auf Bewährung“ erhalten, sagt Annas. Und dass er zu 8000 Euro Schmerzensgeld verurteilt worden sei. „Aber ich habe gehört, dass der selber nichts hat.“