„Die Krise macht etwas mit uns“ heißt es oft. Was das ist, erfahren wir am besten, wenn wir Menschen begleiten.
In dieser Folge spricht die Studentin und Klimaaktivistin Pauline Brünger darüber, wie wichtig es für sie und ihre Mitstreiter ist, nach eineinhalb Jahren Beschränkungen durch Corona wieder ein machtvolles Zeichen für den Klimaschutz zu setzen.
Die Politik hat ihrer Meinung nach im Wahlkampf versagt, weil nicht ehrlich kommuniziert wurde. Jetzt müssen die Jugendlichen selbst Oma und Opa für den Klimaschutz ins Boot holen.
Köln – Nur noch ein paar Tage bis zur Bundestagswahl und meine Anspannung steigt. Weil eben die nächsten vier Jahre darüber entscheiden, ob wir das Ziel, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, überhaupt noch erreichen können. Danach schließt sich das Zeitfenster.
Unser Problem ist aber, dass man Klimagerechtigkeit nicht wählen kann: Die am härtesten von der Klimakrise Betroffenen – die Kinder und Jugendlichen – dürfen ja nicht mal wählen. Und selbst die Erstwählerinnen und Erstwähler machen nur 4,6 Prozent der Wähler aus. Für diese 4,6 Prozent macht keine Partei Politik. Darum ist einfach auch wichtig, dass wir Jungen mit den Großeltern und Eltern ins Gespräch kommen und denen klar machen, wie wichtig ihre Stimme für uns ist. Es gibt große Differenzen zwischen den Parteien in Sachen Klimaschutz und es ist wichtig, so zu wählen, dass die bestmögliche Klimaschutzpolitik dabei rauskommt.
In den letzten Wochen hat mich dieser Wahlkampf trotzdem immer wieder fassungslos gemacht. Alle Parteien simulieren auf den Plakaten und in ihren Reden, dass sie sich ums Klima kümmern. In Wahrheit hat aber keine Partei wirklich die nötigen Maßnahmen im Programm, um die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Die Politik hat versagt, den Menschen ehrlich zu kommunizieren, wie groß diese Krise ist und vor welchen Herausforderungen wir stehen.
Auf der anderen Seite ermutigt mich, dass die Streikregistrierungen für den globalen Klimastreik am Freitag gerade durch die Decke gehen und dass es die Corona-Lage zulässt, dass wir nochmal ein richtig starkes Signal setzen. 400 Streiks allein in Deutschland sind angekündigt. Es ist wichtig, nochmal zu zeigen, dass wir viele sind. Auch in Köln werden wir viele tausend Menschen sein. 200 Organisationen von Grandparents for Future über Scientists for Future und viele mehr werden uns unterstützen.
Viele Jugendliche machen sich einfach unfassbar große Sorgen. Und irgendwie bürden die Politiker die ganze Verantwortung uns auf. Es sind wir Jugendlichen, die sich kümmern müssen. Ich glaube, dass es sinnvoll ist, diese Angst, Traurigkeit und Wut nicht zu verdrängen, sondern aus ihr Kraft zu schöpfen und aktiv zu werden. So wie eben am Freitag bei der Demo fürs Klima. Vor einigen Wochen war ich bei „Hart aber Fair“, mein erster Auftritt in einer Talkshow. Ich war super aufgeregt und habe mich deswegen besonders über die große Resonanz gefreut.
Es lohnt sich zu kämpfen. Und auch nach der Wahl wird Druck weiter nötig sein. Etwa wenn das Dorf Lützerath im Herbst für den Braunkohletagebau geräumt werden soll. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat ermittelt, dass schon die Räumung dieses Dorfes für den Braunkohletagebau und der Abbau der darunter befindlichen Kohle dafür ausreicht, dass wir das 1,5-Grad-Ziel versäumen.
Brünger: Politiker müssen über sich hinauswachsen
Wir werden das Dorf beschützen, so wie auch der Hambacher Forst beschützt worden ist. So viel ist klar: Egal, wer die Wahl gewinnt - die Politiker werden weit über das hinauswachsen müssen, was sie sich bis jetzt klimapolitisch vorgenommen haben. Dass das möglich ist, wissen wir: Durch den Druck von Fridays for Future hat sich in den letzten Jahren schon viel bewegt.
Die Bundestagswahl werde ich mit Freundinnen von Fridays for Future in Berlin verfolgen und bin am Wahltag wieder in mehreren Talksendungen eingeladen. Und dann freue ich mich danach riesig darauf, dass ich nach meinen ersten zwei Semestern an der Uni, in denen ich nur digital studieren konnte, das erste Mal in Präsenz studieren darf.