Die Kölner Dombaumeisterin a.D. Barbara Schock-Werner wundert sich über Pannen der Post bei Briefmarken vom Dom. Der jüngste Fehler ist nicht der erste.
Kölner DomEx-Dombaumeisterin entgeistert über „Fake-Briefmarke“
Die Deutsche Post hat einfach kein Glück mit ihren Versuchen, den weltberühmten Kölner Dom auf eine Briefmarke zu bringen. Anfang der 2000-er Jahre ging schon einmal ein Versuch daneben. Ein Grafiker-Paar aus Bremen hatte als Vorlage einen Stich von Sulpiz Boisserée (1783 bis 1854) benutzt. Der hatte sich 1831 einen Dom mit einem kräftigen Vierungsturm ausgedacht. 170 Jahre später haben die Gestalter der Briefmarke Boisserées Entwurf dies falsch interpretiert und einen Dom mit drei Türmen daraus gemacht. Auch war es ihnen wohl zu mühsam, sich einfach mal nach Köln zu begeben oder wenigstens ein zeitgenössisches Foto anzuschauen. Zur Entschuldigung für ihren Fauxpas machten sie „künstlerische Freiheit“ geltend. Was folgte, war große Aufregung. Am Ende wurde die Marke eingestampft.
Nun also ein neuer Versuch mit Hilfe Künstlicher Intelligenz (KI). Die soll der natürlichen Intelligenz des Menschen mittlerweile ja bereits in manchem deutlich überlegen sein. Bei der Deutschen Post und ihren Domdarstellungen steht es jetzt 1:1 zwischen Mensch und Maschine. Die großspurig als „Interpretation des weltberühmten Bauwerks“ angekündigte, „Krypto-Briefmarke“ zeigt einen Dom, den es so nie gab und nie geben wird. Ein KI-generiertes Fantasiegebilde, man könnte es – hart gesagt – auch eine Fälschung nennen, einen Fake in 100.000er Auflage.
Dass der Nordturm auf der schrill kolorierten Ansicht noch mit einem längst verschwundenen Gerüst versehen ist, ließe sich verschmerzen. Schließlich hing das Gestänge bis 2021 Jahren ja tatsächlich dort. Offenbar hat sich die Post-KI nicht an aktuellen Fotografien oder gar an der Wirklichkeit orientiert, sondern an Archivbildern. Na gut, sei’s drum.
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Aber der Dom mit einer Fensterrose – das geht überhaupt nicht. Die gotische Fassade unterscheidet sich von ihren französischen Vorbildern gerade dadurch, dass sie ohne Rose auskommt, die in der Architektur immer ein Spannungselement einbringt, sondern ein großes sechsteiliges Fenster einfügt. Das ist für den Stil der Kölner Kathedrale charakteristisch, deren Gestaltungsidee mehr als in den Entwürfen französischer Baumeister auf Harmonie ausgerichtet ist. Und das seit mehr als 750 Jahren.
Wäre die Künstliche Intelligenz wirklich so clever, wie immer behauptet, hätte sie – wie schon das 19. Jahrhundert beim Weiterbau des Doms - an der berühmten Entwurfszeichnung aus dem Mittelalter Maß nehmen können. Der sogenannte Fassadenriss F aus der Zeit um 1370 gibt nämlich bis ins Detail vor, wie die Domfassade auszusehen habe. Und genau das wurde getreulich umgesetzt.
Deshalb: Der Kölner Dom mit Fensterrose? Unmöglich! Dazu stimmen auf der Krypto-Briefmarke auch die Gesamtproportionen des Doms nicht. Der Baukörper ist viel zu breit, die Türme zu niedrig. Als hätte jemand bei der Post der KI gesagt: Entwirf einen Dom, der sich irgendwie auf eine Briefmarke im Querformat quetschen lässt.
Wie damals stellt sich die Frage: Warum hat sich keiner mehr das Ergebnis angeschaut und mit dem Original abgeglichen, von dem es auf der ganzen Welt und auch im „World Wide Web“ Zigtausende von Abbildungen gibt? Weiß bei der Deutschen Post, deren Konzernzentrale im benachbarten Bonn steht, wirklich niemand, wie unser Dom aussieht? Ehrlich gesagt, je länger ich darüber sinniere, desto entgeisterter bin ich.
Wieder nichts mit einer gelungenen Dom-Briefmarke! Also: Am besten erneut einstampfen! Und, da es die Marke ja auch als eine Art digitalen Zwilling gibt: Delete! Löschen!
Aufgezeichnet von Joachim Frank