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Kölner Forschungsprojekt„Wir müssen lernen, mit Katastrophen zu leben“

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Hochwasser am Fort Deckstein

Köln – Mindestens 183 Tote, eingestürzte Häuser, verwüstete Orte – das Hochwasser vom 14. Juli hat ganze Landstriche in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen getroffen und ist eine Zäsur hinsichtlich der Naturkatastrophen in Deutschland. Auch die Kölner Feuerwehr musste zu 4000 Einsätzen in der Stadt ausrücken, weitere 48 kamen in NRW und Rheinland-Pfalz hinzu.

„Bis vor anderthalb Jahren haben wir gedacht, wir leben an einem der sichersten Orte der Welt“, sagt Frauke Kraas, Professorin für Stadt und Kulturgeographie an der Universität Köln. Dies gelte nach der Pandemie und dem Hochwasser so nicht mehr. „Wir müssen lernen, mit Katastrophen zu leben.“

Im Bereich der IHK Köln sind 1200 Firmen betroffen

Dahin ist es aber auch für Unternehmen noch ein weiter Weg. Denn 40 Prozent der kleineren und mittleren Unternehmen würden derzeit eine Katastrophe nicht überstehen, sagt der Leiter der Feuerwehr, Christian Miller. Weitere 28 Prozent müssten binnen dreier Jahre aufgeben. Allein im Ahrtal werden die Schäden nach Medienberichten auf eine halbe Milliarde Euro geschätzt, im Bereich der IHK Köln seien 1200 Firmen betroffen – vom kleineren Wasserschaden bis zum Verlust der Existenz.

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Rheinboulevard Hochwasser

Absperrungen am Rheinboulevard

„Viele Unternehmen waren auf das Hochwasser nicht vorbereitet und stehen nun vor dem Aus“, sagt IHK-Präsidentin Nicole Grünewald. Feuerwehr, Universität und die Industrie- und Handelskammer wollen nun in einem Projekt herausfinden wie gut die Kölner Firmen auf Katastrophen eingestellt sind. In den kommenden Tagen werden 20.000 Unternehmen einen Fragenkatalog mit 44 Fragen erhalten.

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Besonders von den Gesellschaften in Südostasien könne man viel lernen, sagt Professorin Kraas, die in Indien, Indonesien und Myanmar gelebt hat und zu Megastädten in Asien forscht. In Mumbai oder Djakarta sei es durchaus üblich, dass die Bevölkerung sich nach einem Wirbelsturm oder Erdbeben in den ersten 72 Stunden selbst um Familie und Nachbarn kümmere und nicht auf den Staat warte. In Japan werde Katastrophenschutz bereits mit Schulkindern geübt. Viele Menschen hielten Notfall-Rucksäcke mit Medizin und persönlichen Dokumenten wie Geburtsurkunde oder Fotos der Kinder bereit.

In Südostasien ist die Hilfsbereitschaft größer

Auch in Deutschland müsse lernen, was zu tun ist, wenn im Schadensfall der Strom ausfällt, wenn die digitale Infrastruktur wegbreche, weder Handys noch Computer funktionierten. „In Südostasien läuft alles über Sirenen und Megafone“, schildert Kraas. In Deutschland sei es dagegen sogar oft unklar, wo sich freiwillige Helfer in Notfall melden könnten.

Zwar werde auch in Deutschland für die Opfer des Hochwassers gespendet, die Hilfsbereitschaft in Asien sei allerdings viel höher. Nach einem Wirbelsturm 2008 in Myanmar habe sie erlebt, wie Studenten das wenige Geld, dass sie übrighatten spendeten. „Die Leute dort geben ihr letztes Hemd. Unsere Individualisierung ist da ein Problem“, sagte Kraas. Insgesamt plädierte die Wissenschaftlerin dafür, dass in Deutschland ein funktionierendes Risiko-Management aufgebaut werde.