Altstadt leergetrunken?Wirte erzählen ihre wildesten Schotten-Stories – und rüsten sich für Engländer

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Schottische Fans und eine Kellnerin, die ihnen Kölsch bringt.

Schottische Fans am Donnerstag im Reissdorf am Hahnentor

Die Schotten haben am Mittwoch die Altstadt geflutet. Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ hat nachgefragt, wie die Wirte den EM-Ansturm erleben.

Ob singend, im Kilt oder mit Dudelsack – auf Social Media gehen zahlreiche Fotos und Videos von feiernden Schotten in Köln während der Fußball-EM viral. Aber wie nehmen eigentlich die Wirte die Fans wahr und sind sie auf den Ansturm ausreichend vorbereitet gewesen? Malzmühlen-Chefin Melanie Schwartz lacht bei der Frage, ob die Schotten ihr am Mittwoch (19. Juni) das Kölsch leergetrunken hätten:

„Wir haben ja auch noch eine Brauerei, das wäre schlimm, wenn sie uns das Kölsch wegtrinken könnten. Das haben die Schotten nicht geschafft.“ Die Nachfrage im Brauhaus am Heumarkt sei gut, Zwischenfälle habe es keine gegeben: „Jeder fiebert natürlich mit seinem Team mit, aber dabei sind alle friedlich.“ 

Mann mittleren Alters an einer Theke, der ein Kölsch zapft

Martin Schlüter, Wirt vom Reissdorf am Hahnentor, berichtet über witzige Erlebnisse mit Fans während der laufenden Fußball-EM.

Mit Blick auf das nächste Spiel im Rhein-Energie-Stadion am Samstag (Belgien gegen Rumänien) sagt Schwartz: „Die Belgier, hervorragend. Eine Bier-Nation.“ Grundsätzlich freut sich die Malzmühlen-Chefin jedoch auf alle Fans, die eine schöne Zeit verbringen wollen.

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Fußball-EM in Köln: Schottische Fans fallen bei Wirten besonders positiv auf

Nach den Bildern aus Gelsenkirchen vor dem Spiel zwischen England und Serbien werde man am Dienstag, wenn in Köln England und Slowenien aufeinandertreffen, ein wenig mehr aufpassen. Über die städtische Vorgabe, in der Außengastronomie nur Stehtische aufzustellen, sei sie deswegen froh: „Aber es ist jeder Gast willkommen, solange er sich benimmt.“

Martin Schlüter, Geschäftsführer des Reissdorf-Brauhauses am Hahnentor, hat die EM bisher durchweg positiv erlebt: „Die Kollegen reißen sich darum, Schichten zu machen, weil es so eine schöne Atmosphäre ist.“ Lediglich „einer von Tausenden Fans“ habe sich bisher geweigert, zu bezahlen. 

Mann mit Schottenrock und Kölsch in der Hand

Garry (61) aus Glasgow war am Donnerstag mit seinen Freunden im Gaffel am Dom zu Gast.

Besonders trinkfest seien die schottischen Fans. „Die Schotten reißen wirklich alles ab. Wir haben um Viertel vor eins mit 80 Leuten letzte Runde gemacht, obwohl wir eigentlich um 24 Uhr schließen“, erzählt Schlüter. Der Tag, an dem Schottland gegen die Schweiz gespielt hat, sei der umsatzstärkste Mittwoch aller Zeiten gewesen.

Engländer zapft selbst Kölsch und lädt Brauhaus-Team nach London ein

„Alle Schotten und Schweizer sind begeistert von den Bierpreisen in Köln, die sind anderes gewöhnt“, sagt Schlüter und lacht. „Die können es nicht fassen, die geben das Dreifache und wollen nichts zurückhaben.“ Lediglich die kleine Größe der Kölsch-Gläser sorge ab und zu für Irritationen, doch da bleibt der Gastronom hart – Tradition ist Tradition.

Ein Schotte, der in seiner Heimat als Barkeeper arbeitet, habe sich zwischenzeitlich sogar sein eigenes Kölsch gezapft. „Der wollte probeweise mal ein Bier zapfen. Das hat er so gut gemacht, dass ich gesagt habe: Du kannst mal kurz helfen“, so Schlüter. Nach zehn Minuten habe der Schotte dann seinen vier Freunden einen Kranz präsentiert.

Auch das Essen scheint gut anzukommen, ein Engländer habe an einem Tag viermal Currywurst bestellt. „Das haben wir noch nie erlebt, der muss sehr hungrig gewesen sein“, sagt Schlüter. Später meldete sich derselbe Fan noch einmal per Whatsapp, bedankte sich für den schönen Abend und lud das gesamte Team prompt auf ein bis 200 Bier nach London ein.

Wirte rechnen mit viel Andrang bei Englandspiel am Dienstag 

Ein weiteres Highlight für Schlüter: schottische Fans, die gemeinsam mit den Kölnern die FC-Hymne singen. Diese basiert auf einem alten schottischen Volkslied: „Wenn man das anstimmt, flippen die völlig aus, weil die das auch kennen. Die Kölner mit den Schotten, das ist sehr, sehr positiv.“

Wegen der zentralen Lage am Rudolfplatz habe man sich bereits im Vorfeld auf viel Kundschaft eingestellt und den Dienstplan dementsprechend angepasst. „Positiv angespannt“ ist Schlüter vor dem Englandspiel am Dienstag, an dem er eine besonders hohe Nachfrage erwartet. Er bleibt aber gelassen. Sein Motto: „Et kütt wie et kütt.“

Die Schotten sind das beste Publikum, das wir je hatten.
Mitarbeiter einer Kneipe am Heumarkt

Im Gaffel-Brauhaus am Dom wurde für die Zeit der EM zusätzliches Personal eingestellt, Urlaubstage verschoben und ein weiterer Raum geöffnet. Mit einem derartig großen Andrang habe man dennoch nicht gerechnet. „Dagegen ist Karneval eine Tupperparty“, sagt Thomas Deloy, Marketinggeschäftsleiter des Gaffel am Dom.  

150.000 Belgien am Wochenende erwartet

Deloys Lieblingsmoment: Der Spontanauftritt eines Schotten, der für das gesamte Brauhaus ein Dudelsackkonzert gegeben hat – inklusive der deutschen Nationalhymne. Gespannt ist er vor allem auf die englischen und belgischen Fans, die am Wochenende anreisen: Intern wird von 150.000 Belgiern gesprochen. „Wir haben auf jeden Fall genug Bier da“, verspricht Deloy. An die zwölf Tanks à 1000 Liter sind es, damit die leer werden „muss schon viel passieren“.‘

„Wir haben es einfach auf uns zukommen lassen“, sagt die Inhaberin einer Kneipe am Heumarkt, die wegen des ohnehin schon riesigen Zulaufs lieber anonym bleiben will. „Ich möchte eigentlich so klein und versteckt bleiben, wie wir sind“, erklärt sie. Weil man anders als an Karneval noch keinen Vergleich hatte, sei es schwierig gewesen, im Vorfeld zu planen. „Das ist für uns jeden Tag eine Wundertüte“, so die Wirtin.

Auch hier weiß man die guten Manieren der schottischen Fans zu schätzen. „Die Schotten sind das beste Publikum, das wir je hatten“, bestätigt ein Mitarbeiter der Kneipe. „So höfliche Menschen habe ich selten erlebt“. Ein bisschen Angst habe er dagegen vor den englischen Fans, die einen deutlich rebellischeren Ruf haben. „Sind halt keine Schotten“, kommentiert seine Chefin schmunzelnd.

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