Die Kölner Schulen sind technisch unterschiedlich gut vorbereitet auf Amokalarme – auch ein einheitliches Amok-Warnsignal gibt es nicht.
Vier FehlalarmeWie gut sind Kölner Schulen auf einen Amoklauf vorbereitet?
Gleich viermal haben rätselhafte Klingelzeichen Schüler, Schülerinnen und Lehrkräfte des Gymnasiums Kreuzgasse am vergangenen Freitagvormittag in Unruhe versetzt. Von vereinzelten Kindern, die in Panik gerieten und Schülern, die unter Tränen von ihren Eltern abgeholt wurden, ist die Rede. Und bis jetzt treibt der Vorfall viele Eltern, Schüler und Lehrer der Kreuzgasse um. Beratungslehrer haben in allen Klassen ihre Unterstützung angeboten.
Zwar geriet am Freitag offenbar auch wegen einer Verkettung unglücklicher Umstände einiges durcheinander. Dennoch wirft der Vorfall die grundsätzliche Frage auf, wie gut Kölner Schulen auf einen Amoklauf vorbereitet sind.
Köln: Fehler in der Elektrik löste viermal Amokalarm aus
Was war passiert? Gegen 9.15 Uhr ertönte ein ungewöhnliches Klingel-Signal, das weder Schüler noch Lehrer sofort zuordnen konnten. Es ähnelte dem einminütigen Signal, das im Ernstfall vor einem Amoktäter warnt, läutete dafür aber viel zu kurz, nur etwa 20 Sekunden. Grund war ein technischer Defekt. „Bei Stemmarbeiten war die Leitung der Amokalarmierung freigelegt und so der Alarm ausgelöst worden“, erklärt Stadtsprecherin Simone Winkelhog auf Anfrage. Nachdem die Bauarbeiter das bemerkt hatten, schalteten sie den Alarm umgehend wieder ab.
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Manche Lehrkräfte deuteten das kurze Klingeln dennoch als Amokalarm. Sie verbarrikadierten den Klassenraum und wiesen die Kinder an, sich unter die Tische zu setzen – eigentlich ein vorbildliches Verhalten, genauso sieht der Notfallplan das vor.
Andere Lehrkräfte interpretierten das Signal dagegen als Feueralarm. Sie führten ihre Klassen über die Flure durch das Gebäude ins Freie – auch das vorschriftsmäßig, nur eben in einem Brandfall. Einem Amoktäter dagegen – hätte es einen gegeben – wären die Klassen im schlimmsten Fall regelrecht in die Arme gelaufen. Ein Lehrer schickte zwei Siebtklässler aus dem Sportunterricht noch ins Hauptgebäude, um nachzusehen, was dort los ist.
Köln: Lehrer legten Warnsignal unterschiedlich aus
Während zahlreiche Schülerinnen und Schüler auf der Wiese im Grüngürtel auf Aufklärung warteten, hockten andere in ihren Klassen unter den Tischen und tippten angstvoll Handy-Nachrichten an ihre Eltern. Die wiederum riefen auf der Polizeiwache in Ehrenfeld an und erlebten überraschte Polizisten: Man wisse nichts von einem Zwischenfall an der Kreuzgasse, schon gar nichts von einem Amoklauf. „Wir haben die Meldungen der Eltern aber natürlich sehr ernst genommen und sind sofort zur Kreuzgasse gefahren“, sagt eine Polizeisprecherin dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.
Ähnlich wie Banken und Sparkassen, deren Mitarbeiter bei einem Überfall einen Notknopf drücken können, der den Alarm automatisch an die Polizei weiterleitet, sind manche Kölner Schulen mit sogenannten Amoktastern bei der Notrufleitzentrale der städtischen Gebäudewirtschaft aufgeschaltet. Werden diese Taster betätigt, erhält die Notrufleitstelle eine technische Meldung, informiert die Polizei und kontaktiert die Schule, um zu erfragen, „ob wirklich eine Notsituation vorliegt oder ob es sich um einen Fehlalarm handelt“, erklärt Stadtsprecherin Winkelhog.
Düsseldorf: Mann mit Softair-Waffe löste Amokalarm in Berufskolleg aus
Manche Hausmeister, Sekretariate oder Schulleitungen verfügen auch über Knöpfe, die einen stillen Alarm auslösen. So hatte erst am Dienstag ein Berufskolleg in Düsseldorf-Benrath die Polizei über einen Mann mit einer Soft-Air-Waffe im Gebäude informiert; die Polizei nahm einen Verdächtigen in Gewahrsam, noch ist unklar, ob eine reale Gefahr bestand.
Darüber hinaus gibt es Amokalarme, die vor Ort in der Schule nur eine Akustik auslösen. Einheitlich geregelt ist das in Köln also nicht, es existiert nicht mal ein einheitliches Amokalarmsignal an den Schulen. Die Kreuzgasse ist nicht bei der Notrufleitzentrale aufgeschaltet, daher erhielten am Freitag weder die städtische Leitstelle noch die Polizei eine Mitteilung vom Gymnasium.
Während schwer bewaffnete Polizisten vor der Kreuzgasse eintrafen, bemühten sich im Gebäude längst Lehrerinnen und Lehrer nach allen Kräften, die Schüler und Schülerinnen zu beruhigen – was ihnen allerdings gleich doppelt erschwert wurde. Denn zum einen löste der Defekt an der Elektronik das Klingelzeichen am selben Vormittag noch drei weitere Male aus. Zum anderen gibt es an der Kreuzgasse keine Lautsprecher, über die alle Klassen zügig über den Fehlalarm hätten aufgeklärt werden können. Stattdessen mussten der Schulleiter und sein Stellvertreter von Raum zu Raum gehen, um alle zu informieren. Das dauerte natürlich.
Grundsätzlich, teilt die Stadt auf Anfrage mit, sollen alle Kölner Schulen mit Amokalarm auf die städtische Notrufleitstelle aufgeschaltet werden. „So sehen es die Bau-, Qualitäts- und Ausstattungsstandards der Stadt Köln vor“, betont Winkelhog. Bei der Planung von Neubauten werde dies von vornherein berücksichtigt, Bestandsschulen würden sukzessive nachgerüstet.
Die Abläufe bei Amokalarmen an Schulen sind seit einigen Jahren genau geregelt. In jeder Schule steht ein „Notfall-Ordner“ mit präzisen Handlungsanweisungen für bestimmte Notsituationen. Der Ordner wird vom NRW-Schulministerium und der Unfallkasse NRW bereitgestellt. Zugriff hat nur das Schulpersonal. „Der Inhalt ist sicherheitsrelevant und darf nicht öffentlich werden“, sagt Stadtsprecherin Winkelhog.
Anders als ein Feueralarm wird ein Amokalarm auch nicht trainiert. Das NRW-Schulministerium rät sogar in einem Leitfaden ausdrücklich von „Amokübungen“ ab und empfiehlt stattdessen „die Methode des Planspiels“. Für nähere Auskünfte verwies das Ministerium am Dienstag auf die Bezirksregierung, die eine Antwort für Mittwoch in Aussicht stellte.
Klaus Kombrink-Detemble, Schulleiter der Kreuzgasse, blickt mit gemischten Gefühlen auf den Freitag zurück. „Ich denke, wir haben umsichtig gehandelt“, sagt er dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Trotzdem habe der Vorfall bei vielen Kindern Unsicherheiten erzeugt. Unsicherheiten, die bei Übungen möglicherweise abgebaut werden könnten – der Schulleiter jedenfalls ist dafür. „Ich halte es für sinnvoll, wenn man Amokalarme an den Schulen üben würde“, sagt Kombrink-Detemble. „Man müsste das entsprechend begleiten und vorbereiten. Aber die Kinder sollten das Notfallsignal und die Abläufe kennen.“