In unserer Serie „Köln früher und heute“ stellen wir wichtige Kölner Bauwerke, Plätze und Siedlungen vor. Diesmal: Der Waidmarkt.
Köln früher und heuteSo hat sich der Waidmarkt im Lauf der Zeit verändert
Ein Aushängeschild der Stadt war der Waidmarkt nie. Künstlerische Darstellungen blieben die Ausnahme. Dabei hätte es viel darzustellen gegeben. Das Marktgeschehen, der Verkehr, klösterliches Leben und das (übelriechende) Handwerk der Färber und Gerber ergaben eine pralle Ladung Kölner Alltagsleben. Doch Ende des 19. Jahrhunderts entdeckten Fotografen den Schauwert des Waidmarkts endlich: Anlass bot der 1894 fertiggestellte Hermann-Joseph-Brunnen vor der Kirche St. Georg. Durch ihn avancierte die Ansicht zu einem beliebten Motiv.
Ursprünglich lag das Gebiet des Waidmarkts vor dem südlichen Stadttor der Römerstadt. Eine Besiedelung dieses Bezirks ist schon für 50 nach Christus nachgewiesen. Ihren Namen hat die Verbreiterung der Severinstraße von der Färbepflanze Waid, die im Mittelalter von benachbarten Färbereien am Duffesbach benötigt wurde. Das Waid kam aus dem Jülicher Land oder über den Fernhandel nach Köln und durfte nur auf dem Waidmarkt gehandelt werden. Los ging es, wenn am Morgen die Glocken läuteten.
Der Waidmarkt verdankt seinen Namen einer Färbepflanze
Zugeparkt und vollgestellt – als Aushängeschild taugt der nördliche Waidmarkt auch heute nicht. Wobei es südlich von St. Georg noch ungemütlicher zugeht. Als dort 2009 das Stadtarchiv einstürzte, erlangte der Waidmarkt weltweit traurige Berühmtheit. Nach wie vor wird hier Wiederaufbauarbeit geleistet. St. Georg, gegründet im 11. Jahrhundert von Erzbischof Anno II., ist quasi der Fels in brodelnden Gewässern. Ein Besuch lohnt sich trotz oder gerade wegen des unruhigen Umfelds: Der ehemalige Kölner Stadtkonservator Ulrich Krings bezeichnet St. Georg als eine der „großartigsten romanischen Bauschöpfungen, die Köln hat“.
Alles zum Thema Waidmarkt
- Bohrungen ab Montag So ist der Stand der Arbeiten an der Baugrube am Waidmarkt
- „Panorama Waidmarkt“ Künstlergruppe erinnert mit künstlerischen Interventionen an Archiveinsturz
- „Lebendiger Stadtraum“ Auf dem Waidmarkt entsteht eine Art öffentlicher Campus
- „Mein Bruder durfte so vieles nicht erleben“ Angehöriger kritisiert Einstellung des Stadtarchiv-Verfahrens – Brief an OB Reker
- Kölner Archiv-Einsturz Initiative nennt vorläufige Einstellung der Verfahren „skandalös“
- Vier Angeklagte Landgericht stellt Verfahren zum Einsturz des Kölner Stadtarchivs vorläufig ein
- Stadtarchiv-Einsturz Oberirdischer Gedenkort am Waidmarkt konkretisiert sich
Einst stand an der Stelle von St. Georg eine römische Wachstation zum Schutz der Ausfallstraße nach Süden. Auch im Mittelalter gab es ein Wachthaus. Die preußische Militärverwaltung ließ dann 1840 eine Wache mit klassizistischer Fassade errichten. Es war also nur folgerichtig, dass in den 1950-er Jahren das neue Polizeipräsidium am Waidmarkt errichtet wurde. Bis 2011 bildete das 14-stöckige Hochhaus einen Kontrast zu St. Georg auf der gegenüber liegenden Seite. Dann wurde es abgebrochen und durch einen Neubau ersetzt.
Der Herrmann-Joseph-Brunnen zeigt Szenen aus der Apfelheiligen-Legende
Auf dem historischen Foto trägt St. Georg noch ihren barocken Turmaufbau. Nach schweren Beschädigungen im Zweiten Weltkrieg folgte als Notlösung ein schlichtes Walmdach, das sich jedoch als passend erwies und zumindest in seiner Form bestehen blieb. Bis 1964 dauerte der Wiederaufbau der Stiftskirche. Nach Kriegsbeschädigungen nicht wiederhergestellt wurde das Pfarrhaus, das auf dem historischen Foto noch vor der Nordfassade der Kirche zu sehen ist. Die Pfarrkirche St. Jakob, die jahrhundertelang zusammen mit St. Georg als Doppelanlage den religiösen Mittelpunkt des Waidmarktviertels gebildet hatte, konnte der Fotograf aber nicht mehr ablichten: Sie war im Zuge der Säkularisation bereits 1825 abgebrochen worden.
Etwa an der Stelle des Kirchturms von St. Jakob steht heute der Hermann-Joseph-Brunnen, gestaltet von Wilhelm Albermann und gestiftet vom Kölner Verschönerungsverein. Dargestellt werden Szenen aus der Legende des „Apfelheiligen“ Hermann Joseph von Steinfeld. Auf der zentralen Säule zeigt eine Statue eine Madonna mit Jesuskind, dem der junge Hermann Joseph einen Apfel reicht.
Als am 2. März 1945 eine Luftmine das Westwerk von St. Georg traf, hob der Luftdruck die Madonnenfigur samt Kind sowie Hermann Joseph vom Sockel, sodass sich die Figuren verkanteten. „Die Vertreter des Straßenbaus witterten jetzt die Gunst der Stunde zur Beseitigung“, heißt es im Buch „Der Waidmarkt. Drunter und drüber“: „Doch die Denkmalpflege ging in die Offensive.“ So ist der nördliche Waidmarkt wenigstens nicht komplett dem Autoverkehr geopfert worden.