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Nach 1,8 Millionen Euro StrafeKölns wohl berühmteste Baulücke steht zum Verkauf

Lesezeit 4 Minuten
Das Bild zeigt die Grundstücke an der Richard-Wagner-Straße 6, 8 und 10. Die berühmte Baulücke Nummer sechs ist rechts im Bild zu sehen.

Das Bild zeigt die Grundstücke an der Richard-Wagner-Straße 6, 8 und 10. Die berühmte Baulücke Nummer sechs ist rechts im Bild zu sehen.

1,8 Millionen Euro Strafe müssten aufgelaufen sein, weil die Eigentümer die Baulücke nicht bebauen. Nun wird der Verkauf geprüft.

Kölns wohl prominenteste Baulücke an der Richard-Wagner-Straße 6 nahe des Rudolfplatzes könnte nach Jahrzehnten des Stillstandes in den nächsten Jahren geschlossen werden. Dann würden auch die Strafzahlungen der Eigentümer enden.

Weil sie das unbebaute Grundstück in der Innenstadt nicht bis Ende 2009 bebaut haben, müssen sie von Anfang 2010 bis Ende dieses Jahres 10.000 Euro monatlich an die Stadt Köln zahlen. Nach 15 Jahren wären das mittlerweile 1,8 Millionen Euro. Die Stadt Köln bestätigt diese Summe anders als früher nicht und begründet das mit dem Datenschutz. Sie teilte aber mit: „Die Strafzahlungen sind nicht ausgesetzt.“

Berater suchen Kaufinteressenten

Die Immobilien-Berater von Angermann bieten die Grundstücke und Gebäude der Richard-Wagner-Straße 6, 8 und 10 auf dem Investment-Markt an. Das bestätigten Projektentwickler anonym dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Auf dem Grundstück von Nummer 8 steht ein kleines, zweigeschossiges Gebäude, in dem unter anderem ein Tattoo-Studio betrieben wird. Auf Nummer 10 gibt es einen ebenerdigen Parkplatz für etwa 30 Autos.

Alles zum Thema Rudolfplatz

Auf einem Dokument, das dieser Zeitung vorliegt, ist unter anderem die 250 Meter vom Rudolfplatz entfernte Baulücke zu sehen. Dort heißt es: „Investment Offer“. Und darunter: „Prominentes Projektentwicklungsgrundstück im Herzen des Belgischen Viertels“. Das Dokument stammt aus dem November dieses Jahres.

Millionen-Deal möglich

Zu einem möglichen Verkaufspreis steht auf dem Dokument nichts, es dürfte um Millionen Euro gehen. Der Bodenrichtwert pro Quadratmeter beträgt dort 2250 Euro. Bei 1566 Quadratmetern Grundfläche für die drei Adressen wären das 3,52 Millionen Euro. Eine Option ist offenbar, dass dort ein Stadthotel oder Studentenwohnungen entstehen könnten.

Der mittlerweile verstorbene Eberhard Stöppke vor der Baulücke.

Der mittlerweile verstorbene Eberhard Stöppke vor der Baulücke.

Vor allem die unbebaute Baulücke der Richard-Wagner-Straße 6 hat immer wieder das öffentliche Interesse auf sich gezogen – und das lag am langjährigen Eigentümer Eberhard Stöppke, der vor zwei Jahren mit 87 Jahren in seiner Heimat Stuttgart gestorben ist (wir berichteten). Angermann soll den Auftrag, die Grundstücke zum Verkauf anzubieten, von der Erbengemeinschaft Stöppkes haben. Eckehard Stöppke, Sohn des verstorbenen Eberhard, wollte sich auf Anfrage dieser Zeitung nicht äußern.

Die Stadt sagte: „Die Verwaltung steht in konstruktivem Kontakt mit den Erben und ist zuversichtlich, zeitnah eine einvernehmliche Lösung zu finden.“ Dann will sie die Politik informieren. Die politischen Gremien hatten angesichts des Stillstandes immer wieder eine Enteignung thematisiert, die Verwaltung sah dafür keine rechtliche Handhabe.

Stöppke schrieb XXL-Briefe an Reker

Eberhard Stöppke hatte das 418 Quadratmeter Grundstück im Jahr 2007 von der Stadt gekauft und damit die Verpflichtung übernommen, bis Ende 2009 ein Wohn- und Geschäftshaus zu bauen – doch das tat er nicht. Er wollte laut eigener Aussage so wenig wie möglich bauen, einmal baute er sogar einen 13 Meter hohen Holz-Scheinbau, um seiner Baupflicht vermeintlich nachzukommen. Die Verwaltung ließ den Aufbau wegen Statik-Problemen zurückbauen.

Über all die Jahre lieferte Stöppke sich einen öffentlichen Streit mit der Stadt. Er betrieb eine Internet-Seite, plakatierte Bilder von sich an der Baulücke und hängte meterhohe Briefe an Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) an die Wand eines Hauses.

Der XXL-Brief an OB Reker hängt mittlerweile nicht mehr.

Der XXL-Brief an OB Reker hängt mittlerweile nicht mehr.

Unter anderem forderte er Schadenersatz von einer Million Euro, sprach von Erpressung durch die Stadt und beklagte „die weitgehende Zerstörung meines Privatlebens“. Oder er schrieb: „Diese Kölner Baulücke ist ein Kriminalfall des Kölner Klüngels.“ Doch von all dem ist vor Ort nichts mehr zu sehen, offenbar haben die Erben die Plakate und Schilder entfernen lassen. Es hängen nur noch zwei Bilder, die den früheren Polizisten Stöppke in Uniform zeigen.

Er hatte immer und immer wieder gegen die Stadt geklagt und verloren, beispielsweise verhängte das Landgericht Köln im April 2018 auf Basis der monatlichen Strafzahlungen eine Zahlung von 710.000 Euro plus Zinsen. Im Urteil heißt es über die Klage der Stadt Köln: „Die Klage ist vollumfänglich begründet.“ Hinterher sprach Stöppke oft von „Fehlurteilen“.

Auch nach seinem Tod blieben die Bauverpflichtung und die Strafzahlungen bestehen, nun eben für die Erben. Laut des Urteils des Landgerichts gehörte Stöppke auch das Grundstück mit dem mehrgeschossigen Haus an der Richard-Wagner-Straße 12, es liegt direkt neben dem Parkplatz.

Auf dem Dokument der Immobilien-Berater heißt es auch: „Optional: Arrondierungsgrundstück mit einem Büro- und Geschäftshaus“. Was damit konkret gemeint ist, ist auf dem vorliegenden Dokument nicht notiert. Unter Arrondierung versteht man vereinfacht gesagt, dass Grundstücke zu einer Einheit zusammengeschlossen werden, um sie besser nutzen zu können.

Die Vorgeschichte:

2007 hatte Eberhard Stöppke das 418 Quadratmeter große Grundstück für 520.000 Euro von einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung gekauft. So steht es im Urteil des Landgerichts von 2018, das ihn zur Zahlung von 710.000 Euro verurteilt hatte. Damals verpflichtete sich Stöppke demnach, das vom Vorbesitzer geplante Wohn- und Geschäftshaus bis Ende 2009 fertigzustellen, andernfalls sollte er monatlich 10 000 Euro Strafe an die Stadt Köln zahlen.

Die Stadt ist an dem Verfahren beteiligt, weil sie das Grundstück 1996 verkauft hatte mit der Verpflichtung, dort ein Haus zu bauen. Diese Verpflichtung übernahmen die jeweiligen Käufer in den Folgejahren und ab 2007 eben Stöppke. (mhe)