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Auch Zäune und Sperrungen im GesprächExperte bewertet mögliches Alkoholverbot am Brüsseler Platz in Köln

Lesezeit 5 Minuten
Menschen stehen an einem Kiosk am Brüsseler Platz.

Menschen stehen an einem Kiosk am Brüsseler Platz.

Wie geht es weiter am Brüsseler Platz? Im Interview äußert sich Fachanwalt Michael Oerder zu Zäunen, Alkoholverboten und der Außengastronomie.

Nach acht Jahren fiel Ende September eine Entscheidung: Das Oberverwaltungsgericht Münster (OVG) hat die Berufung der Stadt Köln im Lärm-Streit am Brüsseler Platz zurückgewiesen. Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ hat nun mit Fachanwalt Michael Oerder über das Urteil und die möglichen Konsequenzen gesprochen.

Wie bewerten Sie das Urteil?

Michael Oerder: Bekannt sind derzeit nur die erstinstanzliche Entscheidung des Verwaltungsgerichts Köln von 2018 und die Pressemitteilung des Oberverwaltungsgerichts Münster. Das Verwaltungsgericht Köln sieht eine Verpflichtung der Stadt Köln zum Einschreiten im Hinblick auf die unstreitige Gesundheitsgefährdung der Anwohner. Als Mittel der Wahl bezeichnet das Verwaltungsgericht den Erlass einer bußgeldbewehrten ordnungsbehördlichen Verordnung, in der dann ein Verweilverbot für den Brüsseler Platz zwischen 22 und 6 Uhr geregelt sein könnte. Das OVG hat dieses Urteil bestätigt, thematisiert aber auch ein zeitliches Alkoholkonsum- und Verkaufsverbot, ein Verweilverbot oder die Sperrung des Platzes.

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Die Richterin hat die Stadt Köln sogar als „Partyveranstalter“ bezeichnet. Man könne diesen Eindruck haben, sie halte die schützende Hand über das Geschehen. Die Worte der Richterin waren ziemlich markig.

Den Begriff des Partyveranstalters hat die Richterin meiner Meinung nach nicht als Rechtsbegriff verwendet, sondern um plakativ zu schildern, wie untätig die Stadt laut Gericht war. Sie hat offenbar die Maßnahmen des vereinbarten „Modus vivendi“ von 2013 nicht umgesetzt. Die Worte der Richterin sind schon eine sehr starke Kritik, die nicht üblich ist, aber immer dann möglich ist, wenn die Belange Betroffener durch den Staat nicht wirklich ernst genommen werden.

Das Bild zeigt Michael Oerder.

Michael Oerder ist Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft für Verwaltungsrecht. NRW im Deutschen Anwaltverein.

Das Gericht thematisiert unter anderem ein Alkoholkonsumverbot. In Duisburg hatte das VG ein solches als rechtswidrig eingeschätzt. Wie sehen Sie das?

Damals hatte das Gericht geurteilt, dass nicht feststellbar sei, dass der Konsum von Alkohol in der Verbotszone mit der erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit zu Schäden im Einzelfall führe. Ein solcher Zusammenhang lasse sich nicht ohne weiteres ableiten. Hinzu kommt, dass in Duisburg auch relativ wenige Verstöße festgestellt wurden. Das Gericht hat auch deshalb das Alkoholkonsumverbot als unverhältnismäßigen Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit des Menschen angesehen. Auch andere Gerichte haben ähnlich geurteilt.

Die Hürden sind also hoch?

Ja. Das OVG hat sich allerdings mit diesen Voraussetzungen für ein solches Verbot am Brüsseler Platz nicht wirklich befasst, zumindest nach dem, was bislang bekannt ist. Auch auf Basis des Urteils des Verwaltungsgerichts ist nicht feststellbar, ob die Voraussetzungen für ein Alkoholkonsumverbot am Brüsseler Platz vorliegen. Meiner Meinung nach müsste man zunächst klären, ob es einen Zusammenhang zwischen dem Alkoholkonsum und der Lärmbelästigung gibt. Möglicherweise muss die Stadt das empirisch untersuchen.

Das Alkoholverkaufsverbot wäre ein Eingriff in die Berufs- und Gewerbefreiheit, der muss gut begründet sein müsste. Dies könnte schwierig werden.
Michael Oerder

Wie sieht das mit einem Alkoholverkaufsverbot aus? Wenn die Außengastro schließt, holen die Menschen sich am Brüsseler Platz ihre Getränke am Kiosk oder im Supermarkt. Könnten die Betreiber gegen ein Verkaufsverbot klagen und wie wären die Chancen?

Es gibt eine rechtliche Grundlage dafür, die betrifft aber eben nicht die Lebensmitteileinzelhandelbetriebe. Ich kann mir nicht vorstellen, dass man dort ein Verkaufsverbot nur aufgrund der Nähe zum Platz aussprechen kann. Es gibt dazu relativ wenig Rechtsprechung. Das Alkoholverkaufsverbot wäre ein Eingriff in die Berufs- und Gewerbefreiheit, der gut begründet sein müsste. Dies könnte schwierig werden.

Aber laut Gericht muss die Stadt es zumindest versuchen?

Ja. Sie muss jetzt etwas tun, ist aber frei in der Wahl der Mittel. Sie hat dabei ein Ermessen. Voraussetzung ist, dass sie eine erfolgversprechende Maßnahme auswählt und umsetzt.

Aktuell dürfen die Gastro-Betriebe bis 23.30 Uhr am Brüsseler Platz öffnen. Die Nachtruhe gilt eigentlich ab 22 Uhr. Muss die Außengastro dort zukünftig früher schließen? Das erscheint leichter umzusetzen als etwa die Alkoholverbote. Oder haben die Wirte dort ein Anrecht, bis 23.30 Uhr zu öffnen?

Nein, das haben sie nicht. Sie sind an das Landesimmissionsschutzgesetz gebunden. Eine Genehmigung für eine Außengastronomie nach 22 Uhr bekommen Betreiber nur, wenn sie nachweisen können, dass sie die Schutzansprüche der Anwohner nicht verletzen. Wenn nicht sichergestellt ist, dass die Betriebszeiten mit den Schutzbedürfnissen der Anwohner vereinbar sind, muss die Stadt die Zeiten reduzieren. Wobei: Auch dafür muss die Stadt beweisen, dass die Lärmüberschreitung wirklich von der Außengastronomie verursacht wird und nicht von den Menschen auf dem Brüsseler Platz.

Sind die Grenzwerte beim Lärmschutz überhaupt noch mit der Lebensrealität vereinbar? Das Leben hat sich zunehmend nach draußen verlagert.

Die Erfahrung zeigt, dass diese Werte sehr häufig überschritten werden. Das funktioniert so lange, wie sich keiner aktiv zur Wehr setzt. Aber wenn die Werte tatsächlich gerissen werden, passiert in der Regel das gleiche wie jetzt am Brüsseler Platz: Die Gerichte verurteilen die Behörden, ordnungsbehördlich einzuschreiten.

Also gilt: Wo kein Kläger, da kein Richter?

Exakt.

Als letztes Mittel hat das Gericht eine Hecke oder einen Zaun rund um die Kirche thematisiert. Ist das wirklich vorstellbar?

Man muss sich nochmal klar machen, dass das Gericht es nicht als seine Aufgabe gesehen hat, der Stadt vorzuschreiben, welche Maßnahmen sie ergreifen soll. Das Gericht hat nur mögliche Beispiele genannt, von denen ich glaube, dass das Gericht sie teils auch noch nicht zu Ende gedacht hat. Was das Oberverwaltungsgericht mit diesen Beispielen ausdrücken wollte: Es kann kein wirkliches Tabu geben, wenn es darum geht, den Nachbarn zu schützen. Wenn es keine andere Möglichkeit gibt, wird die Stadt Köln auch die Sperrung des Platzes prüfen müssen. Ich glaube aber nicht, dass es dazu kommt, weil es andere Möglichkeiten gibt, die allerdings sehr personalintensiv sein werden. Die Sperrung des Brüsseler Platzes passt nicht zu dessen Funktion.


Zur Person: Michael Oerder ist Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Partner der Lenz und Johlen Rechtsanwälte Partnerschaft mbB in Köln. Oerder ist Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft für Verwaltungsrecht NRW im Deutschen Anwaltverein.