Flachbau am Kölner VolksgartenInvestor will Bebauungsplan umgehen – Nachbarn in Sorge
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Ein zweigeschossiger Flachbau war bis vor kurzem der Sitz des Kuratoriums Deutsche Altenhilfe. Die haben das Grundstück und das Gebäude nun verkauft – es müsse „revitalisiert“ werden.
Der neue Eigentümer will das Gebäude aufstocken und erweitern. Doch das macht den Nachbarn Sorgen.
Auch Barbara Schock-Werner bemerkt, dass der Bebauungsplan in den Entwürfen nicht ganz berücksichtigt wird.
Köln-Innenstadt – Der Blick aus dem Wohnzimmer von Thomas und Ariane Waldschmidt dürfte wohl in die Kategorie „exklusiv“ fallen. Der Vorstandsvorsitzende des Kölnischen Kunstvereins und seine ebenfalls in der Kunstwelt tätige Frau wohnen und arbeiten in einem der Häuser, die entlang der Volksgartenstraße ihre prächtigen Gründerzeitfassaden präsentieren. Einige davon stehen unter Denkmalschutz. Vom Balkon an der Rückseite ihrer Mietwohnung im dritten Stock blicken die Waldschmidts auf die Pauluskirche mit ihren prächtigen Turm- und Chorfenstern. Doch diese Aussicht ist jetzt bedroht.
Gebäude soll aufgestockt werden
Hinter ihrem Haus steht ein zweigeschossiger Flachbau, bis vor kurzem noch Sitz des Kuratoriums Deutsche Altenhilfe. Der gemeinnützige Verein mit angeschlossener Stiftung hat Grundstück und Gebäude verkauft. Das leer stehende Bürohaus sei „in die Jahre gekommen“ und müsse „revitalisiert“ werden, heißt es auf Anfrage. Der neue Eigentümer, Wirtschaftsprüfer Jens Birkenheuer, will das übernehmen und die Büros anschließend an das Kuratorium vermieten. Außerdem sollen weitere Mieter einziehen, teilt er auf Anfrage mit. Dafür soll aufgestockt und erweitert werden, „maßvoll“ wie er betont. Einen „hohen siebenstelligen Betrag“ will er dafür investieren.
Die Waldschmidts und ihre Nachbarn kritisieren das Vorhaben, nicht nur weil ihre Aussicht im Anschluss eine andere sein wird. Sie fürchten mehr Lärm, weniger Licht, Schäden an den Bäumen zwischen den Grundstücken, und vor allem: dass die Gegend ihren einzigartigen Charme verlieren könnte. Ihre Befürchtungen sind auch deshalb so groß, weil sie sich schlecht informiert fühlen. Das Kuratorium hat einige wenige Nachbarn zwar im Groben über das Vorhaben informiert. Helmut Kneppe, geschäftsführender Vorstand, räumt auf Anfrage allerdings ein, die Pläne des neuen Investors nicht im Detail zu kennen. Und der hat bislang keinen Kontakt zu den Nachbarn aufgenommen.
Was tatsächlich gebaut werden soll, wissen sie nur, weil sie sich um Akteneinsicht bei der Stadtverwaltung bemüht haben. Ein zusätzliches Geschoss auf voller Länge, zwei weitere Etagen auf einem Teil des Gebäudes, eine zweigeschossige Tiefgarage unter dem Gebäude samt Lüftungsanlage, die zur Innenseite des Blocks liegen soll: Die eingereichten Entwürfe halten sie für nicht angemessen. Die geplante Erweiterung überschreite „jegliches Maß der in der Nachbarschaft vorhandenen Gebäudetiefe und nimmt keinerlei Bezug auf die Umgebungsbebauung“, schreibt ihr Architekt an das Bauamt. Und: „Dies ist bemerkenswert, da es sich hierbei um zum Teil denkmalgeschützte Gebäude handelt.“
Bauantrag wird geprüft
Entschieden ist derweil noch nichts. Der Bauantrag wird seit Herbst 2018 von der Stadtverwaltung geprüft. Gleichzeitig gibt es Gespräche zwischen Investor und Bauamt. Waldschmidt und seine Frau haben sich derweil mit einigen Bewohnern und Eigentümern der angrenzenden Häuser zusammengetan. Als Interessengemeinschaft haben sie ihre Vorbehalte dem Bauamt mitgeteilt, einen Brief an Oberbürgermeisterin Henriette Reker geschickt und die frühere Dombaumeisterin Barbara Schock-Werner um eine Stellungnahme gebeten. Die Kirchenexpertin lehnt das geplante Gebäude ab. Sie schreibt, dass dadurch die „Struktur der umgebenden Bebauung und die Wirkung der denkmalgeschützten Gebäude“ beeinträchtigt würde. Das gelte insbesondere für die Kirche St. Paul. Der geplante Bau würde den Fenstern im Chor das Licht nehmen, schreibt Schock-Werner.
Doch nicht nur der Denkmalschutz muss gegen die Interessen des Investors abgewogen werden. Schock-Werner und der Architekt, der sich im Auftrag der Interessengemeinschaft die Entwürfe angeschaut hat, bemerken beide, dass das Grundstück großflächiger und höher bebaut werden soll, als der 1972 vom Rat beschlossene Bebauungsplan erlaubt. Dieser enthält unter anderem rechtliche Vorgaben für Neubauten: welche Anteile der Grundstücke und wie dicht sie bebaut werden dürfen. Daraus ergibt sich auch eine Begrenzung der Höhe.
Investor will von Vorgaben befreit werden
Auf Anfrage bestätigt die Stadtverwaltung, dass der Investor eine Befreiung von diesen Vorgaben beantragt hat. Nicht ungewöhnlich, offenbar: Die Stadt bearbeitet mehrere hundert Anträge dieser Art im Jahr. Eine Entscheidung in diesem Fall sei indes noch nicht getroffen. Der Anwalt des Investors argumentiert, dass auch andere Bauherren in der Umgebung die Vorgaben des Bebauungsplans seit seines Inkrafttretens überschritten hätten. Der Charakter des Gebiets sei nicht gefährdet, da in dem Block auch andere Büros untergebracht seien.
„Grundsätzlich sind identische Sachverhalte gleich zu behandeln“, teilt die Stadtverwaltung mit, macht aber deutlich, über die „differenzierten Aspekte“ der beantragten Befreiung individuell entscheiden zu wollen. Eine abschließende Beurteilung gebe es noch nicht. Und auch wenn diese vorliegt, kann es noch dauern, bis die ersten Bagger anrücken: Die Stadt weist darauf hin, dass Investor und Nachbarn anschließend vor Gericht ziehen können.