Der Streit zwischen zwei Großfamilien eskalierte erstmals vor einem Jahr in einem Mord – seitdem setzt sich die Fehde offenbar fort.
Schlägerei auf der Ehrenstraße in KölnZeuge spricht von gezieltem Angriff mit dem Messer
Als hätte die Vorsitzende Richterin es geahnt: Fünf Monate ist es her, da betrachtete Sabine Kretzschmar während der Verhandlung um einen Mord in Höhenberg im März 2022 die aufgeheizten Stimmung im Publikum mit großer Sorge. Aus dem Zuschauerbereich heraus hatten Angehörige des Mordopfers den 31-jährigen Angeklagten in Romanes bedroht, der Sprache der Roma. Kretzschmar zeigte zwar Verständnis für die Wut der Angehörigen, ermahnte sie aber zugleich, „nicht nochmal Öl ins Feuer“ zu gießen. Sonst könnten sich Racheakte entwickeln, „und dann geht die Sache weiter“.
Und genau dies ist möglicherweise am vorigen Freitagnachmittag auf dem Friesenwall/Ecke Ehrenstraße geschehen. Vor den Augen zahlreicher Passanten und Anwohner prügelten sechs Männer aufeinander ein, mindestens einer stach offenbar auch mit einem Messer zu. Alle sechs gehören laut Staatsanwaltschaft „zum Lager jener Familien“, die bereits bei der Tat in Köln-Höhenberg im März 2022 eine Rolle spielten.
Köln: Alle sechs Beteiligten nach Streit auf Ehrenstraße auf freiem Fuß
Zwei Männer wurden verletzt, zwei weitere sind noch auf der Ehrenstraße vor dem „Frittenwerk“ von der Polizei festgehalten und zur Vernehmung mitgenommen worden. Den beiden anderen gelang zunächst die Flucht, doch auch sie konnte die Polizei am Wochenende identifizieren und befragen. Das Ergebnis: Alle Beteiligten kamen wieder auf freien Fuß.
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„Gegenwärtig lässt sich gegen keinen der Beteiligten ein dringender Tatverdacht begründen, der Voraussetzung für die Beantragung eines Haftbefehls wäre“, erklärte Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer. Dennoch werde weiter ermittelt, wegen versuchten Totschlags und gefährlicher Körperverletzung.
Die Polizei prüft, ob die Schlägerei nun ein Racheakt für den Mord in Höhenberg gewesen sein könnte. Seinerzeit hatte ein regelrechter Mob aus 30 teils bewaffneten Männern auf der Bamberger Straße den Smart eines 37-Jährigen umringt, ihn aus dem Wagen gezerrt und so misshandelt, dass er Tage später im Krankenhaus starb. Die Staatsanwaltschaft spricht von einem „Lynchmord“. Hintergrund soll ein Streit zwischen zwei Großfamilien sein. In zwei Prozessen gegen insgesamt drei Angeklagte wird das Geschehen von damals derzeit vor dem Kölner Landgericht aufgearbeitet.
Vor einer Kölner Pizzeria trafen die sechs Männer aufeinander
Nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ sollen nun am Freitag vier Mitglieder der Opferfamilie sowie zwei Männer aus dem Umfeld der Täter vor einer Pizzeria am Friesenwall aufeinander getroffen sein. Bei einem der vier soll es sich um den Cousin des in Höhenberg getöteten 37-jährigen Familienvaters handeln.
Die beiden Männer aus dem Umfeld des Höhenberg-Mobs sollen verletzt worden sein, einer schwebte zwischenzeitlich in Lebensgefahr. Der Cousin des 37-jährigen Mordopfers soll noch am Tatort von der Polizei festgehalten und zur Befragung auf die Wache gebracht worden sein. Ob er zugestochen hat, ist unklar.
Streit auf dem Hohenzollernring in Köln am Vorabend der Tat
Wie der „Kölner Stadt-Anzeiger“ erfuhr, soll ein Zeuge die Auseinandersetzung mitangesehen haben. Er schildert, dass die zwei später Verletzten vor der Pizzeria an einem kleinen Tisch gesessen und gegessen hätten, als die Vierergruppe auf sie zugekommen sei. Einer aus dieser Gruppe soll einem der beiden, die am Tisch saßen, ohne große Worte ein Messer gezielt in den Oberkörper gestoßen haben. Laut Staatsanwaltschaft dagegen ist noch ungewiss, von wem oder welcher Gruppe die Aggressionen ausgegangen seien.
Unterdessen soll der Cousin des Mordopfers aus Höhenberg schon am Vortag in eine Auseinandersetzung an nahezu identischer Stelle verwickelt gewesen sein. „Es gab bereits am Abend des 19. April auf dem Hohenzollernring ein Aufeinandertreffen mehrerer Personen aus beiden Lagern“, bestätigte Oberstaatsanwalt Bremer auf Nachfrage. In dieser Sache ermittelt die Polizei wegen Bedrohung.
Entsetzt äußerte sich am Montag ein Vater, dessen Sohn das Königin-Luise-Gymnasium an der Alte Wallgasse besucht. Zur Tatzeit gegen 16.30 Uhr seien viele Schülerinnen und Schüler auf dem Weg von der Nachmittagsbetreuung nach Hause, viele holten sich im „Frittenwerk“ noch etwas zu essen. „Ich bin absolut fassungslos, dass so etwas um diese Uhrzeit nur etwa 150 Meter von der Schule entfernt passiert“, sagt der Vater.
„Man hat fast den Eindruck, als hätten sie mit der Wahl des Tatorts bewusst Angst und Schrecken verbreiten wollen.“ Er erwarte, sagt der Kölner, „dass sich Oberbürgermeisterin und Ratspolitiker öffentlich entschieden gegen diese Auswüchse von Selbstjustiz positionieren.“