Am Tag nach dem Urteil im Lärm-Streit am Brüsseler Platz rätseln die Beteiligten, wie es weitergeht – es geht dabei auch um mögliche Verbote.
Brüsseler Platz in Köln absperren?„Zäune konterkarieren die Idee der öffentlichen Räume“
Domkapitular Dominik Meiering sieht im Lärm-Streit am Brüsseler Platz einen möglichen Zaun um die Kirche Sankt Michael skeptisch. Meiering ist Koordinator des Sendungsraums Kölner Innenstadt, er sagte am Freitag: „Öffentliche Räume sind dafür gedacht, dass sie öffentlich zugänglich sind. Wenn wir versuchen, diese Räume durch Zäune zu sichern, konterkarieren wir in meinen Augen die Idee der öffentlichen Räume. Zudem würde das die bekannten Herausforderungen nur ins Viertel hinein verschieben.“
Das Oberverwaltungsgericht Münster (OVG) hatte am Donnerstag im jahrelangen Lärm-Streit am Brüsseler Platz die Berufung der Stadt gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichtes Köln zurückgewiesen, fünf Anwohner hatten auf Nachtruhe zwischen 22 und 6 Uhr geklagt. Noch ist das Urteil nicht rechtskräftig. Richterin Annette Kleinschnittger hatte konkret ein Alkoholkonsumverbot, ein Verweilverbot oder als „letztes Mittel“ sogar eine Hecke oder einen Zaun um die Kirche angesprochen. Dort versammeln sich an warmen Abenden teils Hunderte Menschen, trinken mitgebrachte Getränke oder kaufen sie dort an einem Kiosk.
Köln: Debatte zu Brüsseler Platz nach OVG-Urteil
Welche Maßnahme die Stadt ergreift, bleibt ihr überlassen – aber laut Kleischnittger muss sie es ernsthafter als bisher tun. In der Vergangenheit hatte sie unter anderem versucht, die Menschen zum Verlassen des Platzes zu überreden. Mittlerweile überlässt sie das Vermittlern, die sie dafür engagiert.
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Ein großer Teil des Kölner Stadtrates sieht schärfere Verbote am Brüsseler Platz skeptisch oder lehnt sie ab. Beispielsweise sagte Manfred Richter, ordnungspolitischer Sprecher der größten Fraktion, den Grünen: „Ein Verweilverbot lehnen wir entschieden ab. Dieser Grundrechteeingriff wäre nicht akzeptabel.“ Auch einen Zaun oder eine Hecke rund um Sankt Michael wollen die Grünen ebenso wenig wie SPD, Linke, FDP und Volt, die CDU äußerte sich inhaltlich nicht.
Köln: FDP fordert „kreative Ideen“ zu Lärmproblem am Brüsseler Platz
Volker Görzel von der FDP forderte „kreative Ideen“, beispielsweise die Pflanzen ab 22 Uhr automatisch zu wässern, damit die Menschen den Platz verlassen. Güldane Tokyürek, Sprecherin der Linken, sagte: „Wir erwarten von der Stadtverwaltung ein stimmiges Gesamtkonzept, das nicht allein auf Repression setzt, sondern auch attraktive alternative Angebote macht.“
In der Verhandlung hatte sich der Vize-Chef des Kölner Amtes für öffentliche Ordnung, Josef Breuer, zu den Verboten geäußert. Zum Verweilverbot für Bürgerinnen und Bürger sagte er, da „müssen wir mal schauen“. Und mit Blick auf weitere Treffpunkte wie am Stadtgarten, am Neusser Platz oder an der Zülpicher Straße sagte Breuer: „Das muss man auch mal zu Ende denken: Dann hätten wir in Köln mehrere No-Go-Areale.“ Aber die Stadt Köln mache es gerne, „wenn wir müssen“, sie fürchte aber Klagen.
Für einen Teil des Lärms sind die Gäste der Außengastronomie am Platz verantwortlich. Den Vorwurf der Richterin, die Stadt Köln sei am Brüsseler Platz nicht präsent, können die dort ansässigen Wirte nicht unterschreiben. „Bei den Bars steht das Ordnungsamt direkt vor der Tür, wenn es darum geht, die Schließzeit der Terrasse einzuhalten. Wir bekommen so schnell Bußgelder“, sagt Nicolas Gottschalk von der Bar „Brüsseler“, die 40 Außenplätze direkt auf dem Platz hat.
Wirt regt Alkoholverkaufsverbot für Kiosk und Supermarkt an
Eine Wirtin aus dem Umfeld, die anonym bleiben möchte, bestätigt das: „Wir haben jetzt Angst davor, dass die Außengastro statt um 23.30 Uhr künftig nur noch bis 22 Uhr erlaubt sein wird. Bei den Maßnahmen auf dem Platz selbst sehe ich aber schon Nachholbedarf“, so die Wirtin. Unbegründet ist die Sorge der Wirtin offenbar nicht, vor Gericht hatte Josef Breuer von der Stadt gesagt: „Über die Außengastronomie kann man ja reden.“
Wirt Nicolas Gottschalk schlägt vor, dass die Stadt sogar mehr bewirtete Außenflächen auf dem Platz ermöglichen sollte, um das Geschehen zu regulieren. „Meine große Sorge ist, dass wegen einzelner Personen Szene und Kultur aussterben.“
Einige Anwohner kritisieren Timing der Stadt
Für Tobias Mintert von der Barracuda-Bar im Belgischen Viertel liegt das Problem beim „professionell organisierten Getränkeausschank nach Mitternacht“, sprich bei den Kiosken, die „für permanenten Nachschub an Kaltgetränken“ sorgen. Das Ziel könne nicht sein, Zäune zu ziehen oder Verweilverbote auszusprechen, sein Lösungsansatz lautet daher: „Ein Alkoholverkaufsverbot für Supermärkte und Kioske nach Mitternacht.“
Ein Teil der Anwohner regte sich am Freitag darüber auf, dass das Mehrheitsbündnis aus Grünen, CDU und Volt ausgerechnet am Tag des OVG-Urteils öffentlich verkündet hatte, dass die erweitere Außengastronomie bis Ende 2024 verlängert werden soll. Über den Antrag entscheidet der Rat am 26. Oktober. Anwohnerin Gabriele Schwietering sagte dazu: „Ich halte dieses Vorgehen der Kölner Koalitionsparteien und die zeitliche Disposition für absolut instinktlos, respektlos und demütigend dieses am Tag der Berufungsverhandlung vor dem OVG Münster zu verkündigen.“ Ein Sprecher der Grünen sprach von einer „unglücklichen Zeitgleichheit“, die CDU wollte sich nicht äußern.
Doch Anwohner Michael Bentele sagte: „Das Viertel und der Platz haben eine lebensfrohe Atmosphäre. Man lebt hier. Anwohner, Besucher, Gäste. Es ist keine Schlafstadt und keine tote Innenstadt mit Fußgängerzone.“