Mehr als 300 Anwohner besuchten Dienstag eine Bürgerversammlung für das Belgische Viertel. Viel Kritik wurde am Verhalten der Stadt geübt.
„Beschämend“Anwohner beraten über Zukunft des Belgischen Viertels und kritisieren Stadt Köln scharf
„Dann zieh halt weg!“ Diesen Satz kann Lutz Langheineken, der mit seiner Familie in der Maastrichter Straße wohnt, auf die Palme bringen. Er lebt gern im Belgischen Viertel, doch wie viele andere Anwohner stört er sich am nächtlichen Lärm und an der Verschmutzung. Zwar erwarte er keine „dörfliche Ruhe“, und er habe nichts gegen Gastronomen, aber „da ist etwas aus dem Ruder gelaufen“, sagte er am Dienstag in St. Michael am Brüsseler Platz.
Dort fand auf Einladung von Bezirksbürgermeister Andreas Hupke eine Bürgerversammlung statt, bei der es um den Brüsseler Platz und die Entwicklung im Veedel ging. Mehr als 300 Leute füllten den Kirchenraum.
Rechtsanwalt Wolfram Sedlak ging darauf ein, welche Bedeutung das von ihm im Namen klagender Anwohner vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster erstrittene Urteil hat. Im vorigen September wies das Gericht die Berufung der Stadt Köln im Streit um den Lärm am Brüssler Platz zurück. Die Stadt hatte ein Urteil des Verwaltungsgerichts Köln aus dem Jahr 2018 angefochten, das Maßnahmen gefordert hatte, um die Nachtruhe zwischen 22 und 6 Uhr sicherzustellen.
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Die Entscheidung des OVG, das keine Revision zugelassen hat, nannte Sedlak eine „große Klatsche für die Stadt Köln“, die sich „eklatante Untätigkeit“ und eine „Schutzplichtverletzung“ vorwerfen lassen müsse. „Beschämend“ sei, dass sie immer noch nicht nachgebe. In Reaktion auf das OVG-Urteil hat sie Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht gegen die Nichtzulassung der Revision eingelegt. „Ich sehe keine Erfolgsaussichten“, sagte Sedlak.
Anwohnenden sind sich uneinig über Zukunft des Belgischen Viertels
Den langen Rechtsstreit hätte man sich sparen können, wäre vor Jahren ein Bebauungsplan für einen Teil des Viertels, der zusätzliche gastronomische Betriebe und Kioske verhindern sollte, aufgestellt worden, sagte Sedlak. Auf Seiten der Anwohner habe es die Kompromissbereitschaft gegeben, als Beginn der Nachtruhe 24 Uhr zu akzeptieren. Doch der Plan, gegen den sich aus dem Viertel heraus Widerstand formierte, scheiterte.
Ein paar Leute meldeten sich zu Wort, denen die Forderungen nach Beruhigung zu weit gehen. Es gelte, die lebendige Vielfalt des Viertels zu erhalten. Nicht die Gastronomen seien das Problem, sondern die Masse der Menschen. Ein Anwohner kritisierte, ein „liebenswertes, großartiges Viertel“ drohe, auf juristischem Weg „kaputt gemacht“ zu werden. Ein junger Mann sagte, das Ordnungsamt zeige durchaus Präsenz auf dem Brüsseler Platz: „Wir werden regelmäßig weggeschickt.“ Das Belgische Viertel sei eines, „in dem Kultur noch möglich ist“.
Eine Anwohnerin fuhr ihm in die Parade: „Über 50 Dezibel, Scherben und Erbrochenes – ist das Kultur?!“ Dafür bekam sie starken Beifall. Sie zählte zur großen Mehrheit, die Klage führte, ob über Lärm bis tief in die Nacht, Radau wie am Ballermann, Müll und Raser. Ordnungsamt und Polizei täten viel zu wenig. Burgel Langer vom Verein „Queerbeet“, der die Hochbeete auf dem Brüssler Platz bepflanzt und pflegt, klagte, inzwischen sei man viel mehr damit beschäftigt, Schäden zu beseitigen. Von Stadt und Politik fühle man sich alleingelassen: „Wir haben den Eindruck, dass unsere Arbeit nicht wertgeschätzt wird.“
Polizei sagt Bewohnern ihre Unterstützung im Kampf gegen „krasses Drogenproblem“ zu
Hauptkommissarin Maja Schinkel versicherte: „Wir nehmen ihre Sorgen und Nöte ernst.“ So tue die Polizei, was sie könne, um gegen das allenthalben grassierende, „krasse Drogenproblem“ anzugehen. Francesco Micello von den Abfallwirtschaftsbetrieben sagte, im Viertel werde regelmäßig gereinigt. Um zusätzliche Lärmbelästigung zu vermeiden, geschehe dies an den Abenden früher als in der Vergangenheit.
Von Joachim A. Groth, Vorsitzender der Bürgergemeinschaft Altstadt, war zu hören, dass es zig Lärmschutzgutachten gebraucht habe, um die Stadt zu überzeugen, dass sich etwas ändern müsse; nur durch „Druck“ sei sie zu bewegen. Die Innenstadt sei zu einer „flächendeckenden Eventzone umgebaut“ worden. Mit schuld sei die Werbung von Kölntourismus, befand Hupke. Mit Blick auf die Probleme im Kwartier Latäng sagte er, das Belgische Viertel „zieht im Negativen nach“. Vom organisierten Bürgerengagement im Kwartier Latäng und in der Altstadt lasse sich lernen. Seine Empfehlung: „Dranbleiben, nicht resignieren, zusammenhalten.“