Das Gericht in Münster hatte die Stadt Köln verurteilt, mehr gegen den Lärm am Brüsseler Platz zu tun. Dagegen geht die Stadt nun vor.
„Stadt zögert es mit allen Mitteln heraus“Verwaltung wehrt sich gegen Lärm-Urteil für Brüsseler Platz
Die Stadt Köln wehrt sich gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Münster im jahrelangen Lärm-Streit am Brüsseler Platz im Belgischen Viertel. Das bestätigten sowohl die Stadt als auch das OVG dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ am Freitagnachmittag. Das OVG hatte die Stadt Köln am 28. September dazu verurteilt, viel stärker als bisher gegen den nächtlichen Lärm auf dem Platz vorzugehen, um die Anwohnerinnen und Anwohner zu schützen.
Richterin Annette Kleinschnittger hatte Ende September in Richtung der Stadt gesagt: „Die bisherigen Maßnahmen der Stadt sind evident unzureichend. Wir sagen Ihnen nicht, was Sie zu tun haben, aber wir sagen Ihnen, dass Sie etwas zu tun haben.“ Das Gericht hatte keine Revision gegen das Urteil zugelassen.
Streit um Lärm am Brüsseler Platz zieht sich seit Jahren
Dagegen zieht die Stadt nun vor das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig, sie legt Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ein. Solange das Verfahren läuft, ist das OVG-Urteil nicht rechtskräftig. Möglicherweise kommt es in Leipzig erst 2025 zu einem Urteil.
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Karl-Josef Wallmeyer, Anwohner am Brüsseler Platz, sagte am Sonntag: „Die Stadt Köln zögert es mit allen Mitteln heraus, um wie bisher weitermachen zu können und nicht richtig tätig werden zu müssen. Es ist furchtbar.“ Anwohnerin Gabriele Schwietering sagte: „Das Verhalten der Stadt empfinde ich als völlige Missachtung der Menschen hier am Brüsseler Platz und der gesamten Innenstadt.“
Vergleichbare Probleme haben auch andere Städte wie etwa Freiburg. Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hatte Freiburg im August dazu verurteilt, ebenfalls mehr gegen den Lärm zu tun als bisher. Anders als die Stadt Köln legte Freiburg laut Verwaltungsgerichtshof keine Beschwerde in Leipzig ein.
Stadt begründet Beschwerde
Die Verwaltung antwortete zur Frage, was sie zum Vorwurf sage, dass sie durch die Beschwerde Zeit gewinnen wolle: „Im Kern geht es um die Frage, wie eine kommunale Ordnungsbehörde mit der seit einigen Jahren offenkundigen gesellschaftlichen Entwicklung umzugehen hat, dass immer mehr Menschen – auch abendliche – Freizeitaktivitäten in den öffentlichen Raum verlagern und es dabei zwangsläufig zu Konflikten mit beispielsweise Anwohnerinnen und Anwohner kommt. Das Aufeinandertreffen von zwei im Grundsatz grundrechtlich geschützten Verhaltensweisen beziehungsweise Schutzinteressen ist die juristische Folge dieser Situation.“ Die Stadt ist der Ansicht, dass die Revision zuzulassen ist und das Bundesverwaltungsgericht letztinstanzlich entscheide.
Der Streit am Brüsseler Platz ist eine Geschichte mit viel Vorlauf: Fünf Anwohner hatten die Stadt 2015 verklagt, sie forderten die Stadt auf, zwischen 22 und 6 Uhr für Nachtruhe zu sorgen. Zwischen 22 und 6 Uhr sind dort 45 Dezibel erlaubt, ab 60 Dezibel ist es gesundheitsgefährdend. Laut Umweltbundesamt NRW hat ein Gespräch im kleinen Kreis zwischen 50 und 60 Dezibel.
Hunderte Menschen an warmen Abenden
Rund um die Kirche St. Michael treffen sich an warmen Abenden teils hunderte Menschen und trinken etwas. Für sich genommen sind die einzelnen Gruppen nicht zu laut, aber als gesamte Menge eben doch. Unter anderem setzt die Stadt Köln private Vermittler ein, die die Menschen vor Ort dazu bewegen sollen, am späten Abend den Platz zu verlassen. Schon 2018 hatte das Verwaltungsgericht Köln die Stadtverwaltung aber zu mehr Einsatz aufgefordert, dagegen wehrte sie sich vor dem OVG, das im September urteilte.
OVG-Richterin Kleinschnittger sagte, die Stadt müsse alle Register ziehen. Sie sprach ein möglicherweise zeitlich begrenztes Alkoholkonsumverbot oder ein Verweilverbot an. Und sie regte „als letztes Mittel“ sogar einen Zaun oder eine Hecke um St. Michael an; die Kirche steht im Zentrum des Platzes. So sollen die Werte zumindest auf 60 Dezibel, möglichst aber auf 45 gesenkt werden.
Kritik von OVG-Richterin
Kleinschnittger kritisierte auch das bisherige Vorgehen der Stadt und thematisierte die Verantwortung der Führungskräfte: „Die Entscheidung ist eine organisatorische, die ist deutlich eine Etage höher anzusiedeln.“ Amtsleiterin des Ordnungsamtes ist Athene Hammerich, das Amt gehört zum Dezernat von Stadtdirektorin Andrea Blome.
Ähnlich wie die Stadt im Streit um den Brüsseler Platz hatte zuletzt Fußball-Bundesligist 1. FC Köln gehandelt: Der FC hatte sich gegen das OVG-Urteil zum Bebauungsplan für den Geißbockheim-Ausbau im Äußeren Grüngürtel gewehrt. Das OVG hatte den Plan im November 2022 für unwirksam erklärt.
Der Klub hatte im Januar in Leipzig Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision eingelegt. Im August hatte das Bundesverwaltungsgericht der FC-Beschwerde stattgegeben, im April 2024 verhandelt das Gericht die Angelegenheit. Fällt ein Urteil, hat die Beschwerde also rund 15 Monate gedauert.
Läuft das Beschwerdeverfahren gegen das Urteil am Brüsseler Platz ähnlich, vergeht also ein weiteres Jahr inklusive eines Sommers, in dem die nächtliche Belastung von Teilen der Anwohnerinnen und Anwohner größer als im Rest des Jahres ist.