Im jahrelangen Rechtsstreit um den Lärm am Brüsseler Platz hat nun das Bundesverwaltungsgericht einen Beschluss getroffen.
Beschwerde zurückgewiesenStadt Köln muss mehr für den Lärmschutz am Brüsseler Platz tun
Die Stadt Köln muss im jahrelangen Lärm-Streit am Brüsseler Platz deutlich mehr als bislang tun, um die Gesundheit der Anwohnerinnen und Anwohner zu schützten. Die Verwaltung scheiterte jetzt mit ihrer Beschwerde vor dem Bundesverwaltungsgericht, es bezeichnete sie als „unbegründet“.
Die Stadt hatte sich an das Gericht in Leipzig gewendet, weil das Oberverwaltungsgericht Münster (OVG) keine Revision gegen sein eigenes Urteil vom 28. September 2023 zugelassen hatte. OVG-Richterin Annette Kleinschnittger hatte die Stadt dazu verurteilt, mehr als bislang zu tun, um die Nachtruhe der Menschen zu schützen. Sie sagte vor einem Jahr: „Die bisherigen Maßnahmen der Stadt sind evident unzureichend.“
Anwältin Stefanie Beyer vertritt Anwohner Dieter Reichenbach. Er ist einer von fünf klagenden Anwohnern. Laut Beyers Aussage ist das OVG-Urteil nun rechtskräftig, Reichenbach freue sich sehr. Sie sagte: „Die Stadt Köln muss nunmehr tätig werden und geeignete Lärmmaßnahmen ergreifen zum Schutz meiner Mandanten vor Lärm, so dass in der Zeit von 22 Uhr bis 6 Uhr an den deren Wohnung Ruhestörungen unzumutbar sind, unterbunden werden.“
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Am Brüsseler Platz versammeln sich seit mehr als einem Jahrzehnt an warmen Abenden Hunderte Menschen und verletzen laut Messungen die Lärm-Grenzwerte erheblich. Für sich genommen sind die Menschengruppen nicht zu laut, aber in ihrer Gesamtheit.
Die Stadt probiert seit einigen Jahren, den Lärm zu reduzieren, unter anderem versuchen private Vermittler an bestimmten Tagen die Menschen zum Verlassen des Platzes zu bewegen, doch die klagenden Anwohner sind mit den gewählten Mitteln nicht zufrieden. Stadtdirektorin Andrea Blome hatte zuletzt gesagt: „Der Interessensausgleich wird in einer Stadt wie Köln immer schwieriger.“
OVG-Richterin Kleinschnittger hatte 2023 in Richtung der Stadtverwaltung gesagt: „Damit haben Sie jetzt ernsthaft etwas zu tun.“ Dieser Satz hat durch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts nun wieder seine Bedeutung. Kleinschnittger sprach damals ein möglicherweise zeitlich begrenztes Alkoholkonsumverbot oder ein Verweilverbot an. Und sie regte „als letztes Mittel“ sogar einen Zaun oder eine Hecke um St. Michael an, die Kirche steht im Zentrum des Platzes. Die Richterin sagte: „Es geht nicht, dass man nach zehn Jahren mit softem Vorgehen sagt: Es geht eben nicht.“
Michael Oerder als Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft für Verwaltungsrecht NRW im Deutschen Anwaltverein sagte im Interview mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vor einem Jahr über die Lärmwerte: „Die Erfahrung zeigt, dass diese Werte sehr häufig überschritten werden. Das funktioniert so lange, wie sich keiner aktiv zur Wehr setzt. Aber wenn die Werte tatsächlich gerissen werden, passiert in der Regel das gleiche wie jetzt am Brüsseler Platz: Die Gerichte verurteilen die Behörden, ordnungsbehördlich einzuschreiten.“
Chronik des Lärm-Streits am Brüsseler Platz
2005: Der katholische Weltjugendtag findet statt, manche Anwohner sehen diese Veranstaltung als Beginn für das abendliche Treffen am Brüsseler Platz. Andere berichten, dass es auch schon vorher losging.
2008: Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ schreibt: „Anwohner des Brüsseler Platzes klagen über Lärm und Dreck.“ Die Stadt erwägt ein Alkohol- und Flaschenverbot. Die Bezirksvertretung Innenstadt beschließt ein Moderationsverfahren.
2013: Anwohner und Stadt einigen sich auf einen sogenannten „modus vivendi“. Unter anderem soll das Ordnungsamt die Menschen ab 22 Uhr zum Verlassen überreden.
2015: Anwohner verklagen die Stadt Köln vor dem Verwaltungsgericht Köln, sie wollen ihre Nachtruhe.
2018: Das Verwaltungsgericht Köln verpflichtet die Stadt, die Gesundheit ihrer Bürger zwischen 22 und 6 Uhr zu schützen. Der Richter nennt unter anderem ein Verweilverbot für den Brüsseler Platz als Option. Der damalige Stadtdirektor Stephan Keller bezeichnet das als massiven Eingriff in die Grundrechte der Menschen. In der Corona-Pandemie allerdings spricht die Stadt eben jenes Verweilverbot auf dem Brüsseler Platz aus.
2018: Vor dem Oberverwaltungsgericht Münster (OVG) legt die Stadt Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts ein.
2019: Die Anwohner stellen einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz. Das Ziel: Sie wollen nach vier Jahren eine schnellere Entscheidung. Wenige Monate später im selben Jahr verhängt die Stadt die ersten sechs Maßnahmen, sie gelten bis zum Urteil. (mhe)