Die erhofften Besonderheiten zum 200. Geburtstag des Kölner Karnevals blieben bei der Fernsehsitzung im Ersten leider aus.
Kommentar zur ARD-FernsehsitzungLangweiliges Programm, veraltetes Frauenbild: Eine vergebene Chance für den Karneval


Achnes Kasulke bei der ARD Fernsehsitzung Gürzenich.
Copyright: Stefan Worring
Die alljährliche Übertragung der Fernsehsitzung im Ersten ist neben dem Rosenmontagszug die Gelegenheit für den offiziellen Kölner Karneval, sich zu präsentieren.
Nun sollte man meinen, dass die Macher sich zum 200. Geburtstag etwas Besonderes einfallen lassen, um den Menschen bundesweit die Faszination Karneval näher zu bringen. Sie mitnehmen auf eine Reise durch die Geschichte und gleichzeitig demonstrieren, dass die Jecken in der modernen Jetzt-Zeit angekommen sind. Weit gefehlt – die Chance wird kläglich vergeben.
Keine Besonderheiten oder Neuerungen während Kölner Fernsehsitzung
Statt dem Abend einen Roten Faden zu verpassen, statt den Kontrast herauszuarbeiten zwischen ja durchaus vorhandenen zeitgemäßen Trends und den Traditionen des Brauchtums, wurschtelt man vor sich hin wie seit Jahr und Tag. Korps, Redner, Band, Redner, Tanzgruppe, Redner… – eine Sitzung eben, wie der Rheinländer sie kennt und in der Session täglich erleben kann, die TV-Zuschauerin oder der TV-Zuschauer in Bayern, Sachsen oder Hamburg aber eben nicht.
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Allein auf die zumindest hier bekannten Namen zu setzten, ist einfach zu dünn, die bunte Vielfalt, die der Karneval bietet, bleibt auf der Strecke. Zu einer Geburtstagsfeier sollte man sich etwas gönnen, mal was anders machen, überraschen. Wo sind die gemischten Brassbands, die allerorts die Säle zum Eskalieren bringen? Die weltmusikalischen Rapper mit kölschen Texten? Die neuen Damengesellschaften und -garden, die sich im Verbund Agrippinas Töchter nennen? Die starken Rednerinnen der alternativen Sitzungen? Die rockenden Frauen von Mätropolis oder Michael Kuhl und Mica Frangenberg mit ihrem historischen Mottolied?
„Ov krüzz oder quer“ – das wäre der richtige Ansatz beim Programmmachen, um draußen im Land zu zeigen, wie bunt Karneval sein kann. Stattdessen sehen wir eine Amateurtheatervorstellung einer Garde zu Musik der 1950er Jahre, die bei vereinseigenen Sitzungen funktioniert („Guck mal, unser Präsident sieht heute aber lustig aus!“), aber keinen Brandenburger hinterm Ofen hervorlockt.
Frauen im Kölner Karneval weiterhin unterrepräsentiert dargestellt
Das soll definitiv keine Kritik an den Auftritten der einzelnen Künstler sein. Die Qualität der kölschen Bands ist mittlerweile auch in der Breite überragend, die Spitzenredner machen ihre Sache sehr gut, und auch die Tanzgruppen zwischen Tradition und Leistungssport wissen zu überzeugen. Aber während im Saal Frauen und Männer gleichberechtigt und etwa gleich an Zahl miteinander feiern, ist das Frauenbild auf der Bühne von Vorgestern. Die einzige Solokünstlerin kommt als papageienhaft geschminkte Putzfrau (!) im Kittelschurz und versucht in einer seltsamen Mischung aus Verzäll- und Sangesfragmenten bekannter kölscher Lieder lustig zu sein.
Ansonsten gibt es in den Tanzgruppen Mädchen in sehr kurzen Röcken und Spitzenhöschen sowie vier Alibi-Winkemariechen im auf U50 getrimmten Elferrat. „Ist nicht dein Ernst, Alter“, würden alle U30, die überhaupt vor dem Fernseher sitzen, wohl sagen und wären raus. Und auch die deutlich ältere Mehrheit der Fernsehgucker kann das eigentlich nicht ernst nehmen. Alle Kritiker und -innen, die zu Unrecht sagen, der Karneval sei nicht reformierbar, werden bestätigt. Wie gesagt – Chance kläglich vergeben. Das wird auch der WDR im Zusammenschnitt kaum retten können.