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Kölner KarnevalWie Bund und Länder für ausgefallene Sitzungen aufkommen wollen

Lesezeit 6 Minuten
Hänneschen WEISER 160122

Große Teile des Kölner Karnevals fallen 2022 erneut aus.

Köln – NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) und Karnevals-Offizielle aus dem Land hatten im Dezember Vereine und Veranstalter aufgerufen, alle Sitzungen der kommenden Karnevals-Session freiwillig abzusagen. Auf Verbote will man wohl mit Rücksicht auf den Koalitionspartner FDP und zur Vermeidung eines generellen Kultur-Lockdowns verzichten. Damit Künstler, Saalbetreiber, Techniker etc. trotzdem bezahlt werden können, wolle das Land Ausgleichszahlungen übernehmen, so hieß es. Die Anträge gehen allerdings erst einmal an den Sonderfonds für Kultur des Bundes und sollen dann über die jeweiligen Landesministerien verteilt werden. Die Frage, ob über den Kulturtopf auch für Brauchtumsveranstaltungen wie Karneval Geld ausgeschüttet wird, sorgt bei vielen Betroffenen für Verunsicherung. Ein Überblick über die wichtigsten Fragen und Antworten:

Die Staatskanzlei sprach auf Anfrage dieser Zeitung von „enger Abstimmung mit dem Bund, um die landesseitige Unterstützung bestmöglich auf die Hilfsprogramme des Bundes (Sonderfonds Kultur, Überbrückungshilfen) abzustimmen, die die Karnevalsvereine grundsätzlich ebenfalls in Anspruch nehmen können. Daneben sind auch noch einige rechtliche und verwaltungstechnische Fragen zu klären, woran wir ebenfalls mit Hochdruck arbeiten.“ Viele offene Fragen, die wir mit Hilfe des zuständigen NRW-Ministeriums für Kultur und Wissenschaft zu beantworten versuchen.

Ist eindeutig geklärt, dass eine Unterstützung der Karnevalisten aus dem Sonderfonds des Bundes gesichert ist?

Die Voraussetzungen einer Förderfähigkeit von Karnevalsveranstaltungen im Rahmen des Sonderfonds des Bundes für Kulturveranstaltungen (SfK) sind laut Kultusministerium eindeutig geregelt. Grundlegende Voraussetzung sind Einnahmen aus dem Verkauf von Tickets und ein nachweisbares Defizit. Der kulturelle Teil der Veranstaltung muss im Vordergrund stehen und sich klar vom „geselligen“ Teil abgrenzen.

Was heißt das für den Karneval?

Karnevalssitzungen fallen unter den Begriff Kulturveranstaltungen, weil sie laut Ministerium „einen klaren kulturellen Bezug und ein eindeutiges kulturelles Programm“ haben. Dabei seien die Einnahmen aus der Gastronomie unerheblich, wie Festkomitee-Justitiar Joachim Wüst, der bei der Ausarbeitung beteiligt war, es interpretiert. In den großen Kölner Sälen wie Gürzenich, Maritim oder Sartory spiele das ohnehin keine Rolle, weil die Gastronomie vom Saalbetreiber übernommen werde. Es gilt aber auch für Festzeltveranstaltungen oder in kleineren Sälen, wo der veranstaltende Verein die Bewirtung selbst durchführt, weil es ein durchgängiges Bühnenprogramm gibt.

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Welche Rolle spielt der Faktor Gastronomie?

Wenn so genannte gemischte Veranstaltungen sowohl einen kulturellen als auch einen geselligen Anteil haben, dann wird laut Ministerium geprüft, ob die Gastronomieeinnahmen über 50 Prozent der veranstaltungsbezogenen Einnahmen liegen. Trifft dies nicht zu, ist die Veranstaltung im SfK förderfähig. Hierunter fallen Bälle oder Partys, die zwar einige Livebands auf der Bühne haben, hauptsächlich aber Musik vom Band laufen lassen. Veranstaltungen ohne Bühnenprogramm werden nicht gefördert. Derzeit sind allerdings Bälle und Partys verboten, da sie laut Corona-Schutzverordnung auch als Tanzveranstaltungen gelten. Durch das Verbot werden alle veranstaltungsbezogenen Verträge unwirksam. Ob dennoch eine Förderung beantragt werden kann, ist derzeit noch offen.

Wie viele Registrierungen beziehungsweise Anträge auf Ausgleich von Karnevalsveranstaltern und -vereinen sind bisher gestellt worden, wie viele davon kommen aus Köln?

Ein Antrag im Rahmen des Sonderfonds setzt eine Registrierung der jeweiligen Veranstaltung voraus. Erst wenn die Registrierung und die freiwillige, öffentliche Absage der Veranstaltung erfolgt sind, kann ein Antrag gestellt werden. Registrierungen und Anträge von Veranstaltern aller Art werden zentral für ganz Deutschland über eine von der Hansestadt Hamburg koordinierte IT-Plattform gesammelt und anschließend an die Länder weitergereicht. Aus Nordrhein-Westfalen sind bislang insgesamt 1500 Registrierungen eingegangen, davon rund 360 Registrierungen aus Köln. Ein Antrag kann erst gestellt werden, wenn diese Schritte erfolgt sind und sobald der Termin der registrierten Veranstaltung verstrichen ist.

Wer entscheidet über die Anträge?

Zuständig für die Anträge im Sinne der formal bewilligenden Behörde sind in Nordrhein-Westfalen die Bezirksregierungen. Eine Erhebung der Anträge nach Art der Veranstaltung beziehungsweise des Antragsstellers (etwa Karnevalsverein) wird nicht vorgenommen.

Wie hoch ist die Gesamtsumme der zur Verfügung stehenden Mittel?

Für den Sonderfonds hat der Bund insgesamt Mittel in Höhe von 2,5 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt.

Können Vereine und Veranstalter sich noch registrieren?

Das Land NRW hat sich laut Ministerium beim Bund erfolgreich dafür eingesetzt, dass die Frist zur Registrierung und Anzeige der freiwilligen Absage einer Veranstaltung bis zum 31. Januar verlängert wurde. Die längere Frist ermöglicht es vielen weiteren Veranstaltern, die bisher noch keine Registrierung vorgenommen hatten, doch noch eine Ausfallabsicherung zu beantragen. Da die Registrierungsfrist derzeit noch läuft und Anträge erst nach Verstreichen des eigentlichen Termins der Veranstaltung gestellt werden können, ist derzeit nicht absehbar, in welcher Höhe Mittel aus dem Sonderfonds beantragt werden.

Zu welchem Prozentsatz sollen die Kosten abgesagter Veranstaltungen übernommen werden?

Im Rahmen des Sonderfonds werden mit dem Modul Ausfallabsicherung (ab 2000 Personen) beziehungsweise der integrierten Ausfallabsicherung im Modul Wirtschaftlichkeitshilfe (bis 2000 Personen) 90 Prozent der tatsächlich entstandenen veranstaltungsbezogenen Kosten erstattet, sagt das Ministerium. Das erste Modul ist für Großveranstaltungen wie etwa die „Lachende Kölnarena“ relevant.

Die alternativen Karnevalsmacher wie Stunksitzung, Fatal Banal oder Deine Sitzung haben ebenfalls alles abgesagt. Erhalten sie ebenfalls staatliche Unterstützung?

Wenn der kulturelle Anteil der Veranstaltung im Vordergrund steht, sind laut Ministerium auch diese Karnevalsveranstalter grundsätzlich über den Sonderfonds förderfähig. Die Stunksitzung etwa ist bereits seit letzten Sommer registriert. Da es sich hier aber um Ensemble-Programme handelt, ist die Beantragung sehr kompliziert.

Der klassische Rosenmontagszug in Köln wurde ebenfalls abgesagt. Inwieweit kann das Festkomitee als Veranstalter mit staatlicher Unterstützung rechnen? Gilt das auch für andere Städte und kleinere Züge?

Wie bereits erläutert, sind nur bestimmte Karnevalsveranstaltungen im Rahmen des Sonderfonds förderfähig. Daneben steht den Karnevalsvereinen grundsätzlich auch die Überbrückungshilfe IV des Bundes mit den Sonderregelungen für die Veranstaltungs- und Kulturbranche zur Verfügung. Die Landesregierung befindet sich derzeit in Gesprächen mit dem Bund, um die detaillierte Ausgestaltung zu konkretisieren. Die Landesregierung prüft darüber hinaus, inwieweit ergänzende Unterstützungsmaßnahmen erforderlich sind. Diese Prüfung dauert derzeit an. Auch durch das Landesprogramm „Neustart Miteinander“ könnten unter bestimmten Voraussetzungen durch die freiwillige Absage von Karnevalsveranstaltungen entstehende Ausfallkosten aufgefangen werden.

Wie lange wird es dauern, bis einzelne Anträge bearbeitet und entschieden werden? Wann können die Vereine und Veranstalter mit ihrem beantragten Geld rechnen?

Grundsätzlich ist die Bearbeitungszeit von der Qualität und der Anzahl der eingereichten Anträge abhängig. Die für die Abwicklung zuständigen Bezirksregierungen können daher keine Angabe zur durchschnittlichen Dauer der Antragsbearbeitung machen.

Was bedeutet das für die Künstler?

Wenn die Politik ihre Versprechungen einhält, werden Künstler, Techniker und Saalbetreiber, die ja wegen der Lockdown-Verbote 2021 leer ausgingen, ihre Gagen zu 100 Prozent erhalten, ohne aufzutreten. Eine Rabattierung, um den Vereinen die zehn Prozent Differenz in der Erstattung auszugleichen, ist nicht möglich, da die Verträge nicht nachträglich verändert werden dürfen.

Also haben die Vereine diesmal den Schaden?

In gewisser Weise ja, weil sie maximal 90 Prozent ihrer Kosten erstattet bekommen. Man kann aber davon ausgehen, dass es zu einer rückwirkenden Rabattierung etwa durch kostenlose Auftritte oder Mietminderungen in der kommenden Session kommen wird. In der Szene sind alle voneinander abhängig, ein pfleglicher Umgang miteinander ist zu erwarten. Als gutes Zeichen hierfür sei an die Benefizaktion #NitAllein aus der letzten Session erinnert.

Wurde bereits Geld ausgezahlt?

Ja, allerdings nicht an Karnevalisten, da deren Veranstaltungen ja gerade erst abgesagt werden. Die Veranstalter von „Himmel un Äad“ etwa, einem vorweihnachtlichen Konzert in der Lutherkirche, haben bereits Geld bekommen. „Himmel un Ääd“ fand zwar statt, allerdings mit einer freiwilligen Corona-Selbstbeschränkung bei den Zuschauern. So konnten statt üblicherweise 320 Besuchern nur 200 Gäste dabei sei. Die Beihilfe des Sonderfonds wurde in weniger als drei Wochen nach Antragstellung überwiesen.