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Ausbau der Ost-West-AchseKölner Streit um Umgang mit AfD – SPD auf Distanz zum Tunnelbündnis

Lesezeit 6 Minuten
Im April hat die KVB auf der Ost-West-Achse getestet, wie sich 90 Meter lange Stadtbahnen zwischen dem Bahnhof Köln-Messe/Deutz und Neumarkt auf den Verkehr auswirken.

Im April hat die KVB auf der Ost-West-Achse getestet, wie sich 90 Meter lange Stadtbahnen zwischen dem Bahnhof Köln-Messe/Deutz und Neumarkt auf den Verkehr auswirken.

Der Umgang mit der AfD bei der Abstimmung im Rat sorgt für heftige Diskussionen. CDU und FDP behaupten, das Verhalten der AfD sei ohne Belang.

Im zweiten Anlauf nach der Vertagung in der Dezember-Sitzung will der Stadtrat am Donnerstag kommender Woche (13. Februar) über den Stadtbahn-Ausbau der sogenannten Ost-West-Achse entscheiden. Kommt die unterirdische oder die oberirdische Lösung? Wir beantworten die wichtigsten Fragen.

Wofür steht der Begriff Ost-West-Achse?

Für den Umbau von 34 der 37 Haltestellen der Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB) zwischen dem rechtsrheinischen Bensberg und dem linksrheinischen Weiden-West. Die Strecke der Linie ist 26,5 Kilometer lang, täglich nutzen sie mehr als 100 000 Fahrgäste. Im Rechtsrheinischen fährt sie teils unterirdisch wie auch die Linien 7 und die 9, die dort auch verkehren. Die Linie 9 zweigt aber am Neumarkt ab, die 7 an der Kreuzung der Aachener Straße/Gürtel. Auf eben jener Strecke zwischen Bensberg und Weiden-West soll die Fahrgast-Kapazität um 50 Prozent erhöht werden. Statt 60-Meter-Bahnen sollen dort 90-Meter-Stadtbahn fahren. Die große Frage lautet aber: Braucht es einen Tunnel vom Heumarkt Richtung Westen? Und wenn ja, wie lange soll dieser Tunnel werden.

Wie ist der Sachstand?

In einer Sondersitzung des Verkehrsausschusses am kommenden Dienstag, 11. Februar, dürften die Sachfragen kaum noch eine Rolle spielen. Da sind bis auf die eindringliche Warnung des Verkehrsdezernenten, die große Lösung des Tunnelbündnisses einschließlich eines Metrolinienkonzepts würde alle bisherigen Planungen und damit zehn Jahre Vorarbeit zunichtemachen, alle Argumente ausgetauscht. Der politische Streit dreht sich seit dem Tabubruch des CDU-Kanzlerkandidaten Friedrich Merz im Bundestag beim Umgang mit der AfD um die Frage. Wie kann der Stadtrat verhindern, dass die AfD beim Thema Ost-West-Achse zum Zünglein an der Waage wird?

Die Visualisierung zeigt die Hahnenstraße, wenn ein Stadtbahntunnel gebaut würde.

Die Visualisierung zeigt die Hahnenstraße, wenn ein Stadtbahntunnel gebaut würde.

Wer bräuchte die Stimmen der AfD wofür?

Der Rat der Stadt Köln hat 90 Sitze, dazu kommt die Stimme von Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos). Für eine absolute Mehrheit sind also 46 Stimmen nötig. Um einen Antrag durchzubringen, kann allerdings auch eine relative Mehrheit reichen – wenn es Enthaltungen oder nicht anwesende Stimmberechtigte gibt.

Dem Tunnelbündnis gehören die CDU mit 20 Sitzen, die SPD mit 19 Sitzen, die FDP mit fünf Sitzen und wohl auch die Oberbürgermeisterin an: das macht 45 Stimmen.

Diese demokratischen Parteien können gegen den Antrag des Tunnelbündnisses stimmen: die Grünen mit 26 Sitzen, die Linken mit sechs Sitzen, Volt mit vier Sitzen, die Partei mit drei Sitzen, Klima Freunde & Gut mit zwei Sitzen und der Einzelmandatsträger Thor Zimmermann. Das macht: 42 Stimmen.

Das bedeutet: Sollten alle Ratsmitglieder anwesend sein, braucht das Tunnelbündnis eine weitere Stimme für die absolute Mehrheit. Die Befürworter der oberirdischen Variante haben nach derzeitigem Stand für ihren gemeinsamen Antrag 36 Stimmen sicher. Das sind die Stimmen von Grünen, Volt und Linken. Zur absoluten Mehrheit fehlen ihnen also zehn Stimmen. Geht man davon aus, dass es bei CDU, SPD und FDP keine Abweichler gibt, wäre die absolute Mehrheit also nur mit der AfD zu erreichen.

Die AfD selbst hatte zuletzt gesagt, sie habe sich noch nicht entschieden und der Ausbau der Ost-West-Achse sei ein Problem, das für ihre Wähler keine Rolle spiele.

Was sagen die Fraktionen zu diesem Dilemma?

Aus Sicht der grünen Fraktionschefin Christiane Martin kann es „bei dem sich abzeichnenden Abstimmungsverhalten“ der 90 Ratsmitglieder und der Oberbürgermeisterin „sowohl für den Tunnel als auch gegen den Tunnel nur mit Stimmen der AfD eine Mehrheit geben. Das darf nicht passieren. Ich fordere erneut meine Kollegen von CDU, SPD und FDP auf, nach einer Lösung zu suchen, die eine Mehrheit aus dem demokratischen Spektrum der Fraktionen bekommt.“

CDU, SPD und FDP wollen das Nahverkehrsnetz in Köln beim Ausbau der Ost-West-Achse durch Metrolinien (farbig hinterlegt) erweitern.

CDU, SPD und FDP wollen das Nahverkehrsnetz in Köln beim Ausbau der Ost-West-Achse durch Metrolinien (farbig hinterlegt) erweitern. Quelle: CDU/SPD/FDP Köln

Gibt es denn überhaupt noch Gespräche?

Nach Informationen unserer Zeitung ist der Gesprächsfaden zwischen den Grünen und der SPD, die dem Tunnelbündnis aus CDU und FDP beigetreten ist, nicht abgerissen.

Heißt das, bei CDU und FDP wird sich nichts mehr bewegen?

Wohl kaum. Beide wollen von absoluten Mehrheiten nichts wissen und klammern die AfD bei ihren Rechenexempeln einfach aus. „Wir haben 45 Stimmen und bekommen eine relative Mehrheit auch ohne AfD hin“, sagt FDP-Fraktionsmitglied Ralph Sterck. „Wie die AfD abstimmt, ist mir egal. Wir haben 45 Stimmen. Das Problem liegt bei den Grünen. Ohne die AfD bekommen sie ihre 46 Stimmen nicht zusammen.“

Sieht die CDU-Fraktion das genauso?

Ähnlich. „Wir sprechen nicht mit der AfD“, sagt die verkehrspolitische Sprecherin Teresa de Bellis. „Wir wissen, dass wir keine absolute Mehrheit haben. Mir wäre es auch lieber, wir hätten eine breite Zustimmung. Ich gehe auch davon aus, dass es am Ende einen Bürgerentscheid geben wird. Aber wir lassen nicht zu, dass wir uns von der AfD abhängig machen. Wir haben eine Tunnellösung in der Verbindung mit dem Metrolinienkonzept. Wir haben eine Kaskadenlösung mit Rückfallebene. Das ist die Tunnellösung der Verwaltung vom Heumarkt bis zur Moltkestraße. Wir zählen die AfD nicht.“

Und die SPD? Steht sie angesichts dieser Rechenspiele noch fest zum Tunnelbündnis?

Eher nein. Die Möglichkeit, einen Antrag mithilfe der AfD durchzubringen, heizt die internen Diskussionen an. Die Reaktion der Bürgerschaft auf das Verhalten von CDU-Chef Friedrich Merz und seiner Fraktion im Bundestag sei „enorm“ gewesen, sagt SPD-Ratsmitglied und Bürgermeister Ralf Heinen: „Die Leute gehen aktiv dagegen auf die Straße, das zeigt die Verunsicherung, wenn nicht gar Spaltung im Land.“ Für ihn stehe deshalb fest: „Die AfD darf und wird nicht das Zünglein an der Waage sein.“

Christian Joisten, Chef der Kölner SPD-Ratsfraktion, stellt klar: „Die SPD im Kölner Rat wird sich bei einer Abstimmung auf keinen Fall von der AfD abhängig machen. Wir machen nicht den Merz.“ Die Rechnungen sind heikel, da dem Tunnelbündnis eine Stimme zur absoluten Mehrheit fehlt. Ob eine relative Mehrheit im Reigen der demokratischen Kräfte des Rates moralisch ausreichend wäre, will Joisten nicht diskutieren. Er sagt: „Wir müssen dafür sorgen, dass die AfD keine Wirkmacht entfaltet.“

Den SPD-Fraktionschef beschäftigt aber auch der Hinweis des Kölner Verkehrsdezernats, wonach der sehr umfassende Antrag des Tunnelbündnisses dazu führen würde, dass sich der Beginn des Ausbaus der Ost-West-Achse wieder um rund zehn Jahre verschiebt. „Wir sind bereit zu entscheiden, damit zügig mit dem Ausbau losgelegt werden kann. Köln kann sich keine weitere Hängepartie leisten“, sagt Joisten. Das wäre mit dem Änderungsantrag der Grünen möglich, der den oberirdischen Ausbau vorsieht und gleichzeitig eine Option für einen späteren Tunnelbau offenlässt. Das geht Joisten aktuell aber noch nicht weit genug, er sagt: „Wir wollen Verbindlichkeit. Ohne Tunnel ist ein Kapazitätsausbau nicht zu schaffen.“

Noch ist also nicht entschieden, mit wem die SPD stimmt. Joisten sagt: „Wir reden diese Woche noch sehr intensiv mit allen Beteiligten.“