ParkanlageWas Sie noch nicht über den Kölner Grüngürtel wussten
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Es gibt noch viel zu entdecken und zu erforschen im Grüngürtel.
Das zeigt das Buch „Eine Grünanlage mit Geschichte“.
Köln – Viele Kölner meinen, den Grüngürtel gut zu kennen. Schließlich haben die meisten schon als Kinder in der von Konrad Adenauer geschaffenen Grünanlage gespielt und nutzen sie noch heute für den Sonntagsspaziergang. Wer aber weiß schon, dass er dabei an manchen Stellen – wie am Friedenswäldchen – durch das ehemalige Flussbett des Rheins spaziert, dass er auf römische Grabanlagen stoßen kann oder auf das Gelände des „Reichsarboretums“, eines Lehrgartens der Baumarten?
Es gibt noch viel zu entdecken und zu erforschen im Grüngürtel. Er ist eben „eine Grünanlage mit Geschichte“, wie sich ein neues Buch nennt, das sich mit dem Äußeren Grüngürtel, den darin enthaltenen preußischen Festungsbauten, aber auch mit vielen weitgehend unbekannten Aspekten des Geländes beschäftigt. Entstanden ist es als Festschrift zum 70. Geburtstag des Adenauer-Enkels Konrad Adenauer, der sich als Vorsitzender des Vereins „Fortis Colonia“ für die Erhaltung und Erforschung der Festungsbauten einsetzt.Es war Adenauers Großvater, der als Kölner Oberbürgermeister schon 1920 die Schaffung des Grüngürtels zu einer „Lebensfrage Kölns“ ernannte: „Jetzt muss es sich entscheiden, ob Köln dereinst eine riesige Steinwüste sein wird, oder aber eine Stadt, deren Bewohner ein menschenwürdiges Dasein führen können.“ Um dieses Ziel zu erreichen, gebe es nur eine Möglichkeit: die Umwandlung des Geländes um die preußischen Forts in Grünanlagen für alle Kölner. Mit rund 4.000 Hektar war dies die größte noch unbebaute Fläche auf Kölner Stadtgebiet.
Arbeiten mit Sprengstoff
Zwischen 1873 und 1914 hatten die Preußen Köln zu einer Garnisonsstadt gemacht, die von einem Ring von zwölf Forts und 23 Zwischenwerken mit davor liegenden Rayons (Militärgelände mit freiem Schussfeld) umgeben war. Nach der Niederlage im Ersten Weltkrieg mussten diese Festungen geschleift werden. Diese zu beseitigen und durch Grünanlagen zu ersetzen wurde zu einer ähnlich großen Aufgabe wie die Errichtung der Forts. Dies umso mehr, als die Stadt nach dem Krieg kaum über Geld verfügte. Die Zustimmung der Stadtverordneten wurde deshalb auch dadurch beflügelt, dass die Anlage des Grüngürtels nicht nur viele Arbeitslose von der Straße holte, sondern auch vom Reich als „Notstandsarbeit“ gefördert wurde.
In dieser Zeit des Umbruchs am Stadtrand zu wohnen, war kein Vergnügen, denn außer Muskelkraft wurde bei den Arbeiten vor allem Sprengstoff eingesetzt. „Kaum muss die Nacht vor dem Morgen weichen, dann beginnt schon der Tanz. Klirrende Fensterscheiben, tanzende Teller und Tassen in den Küchenschränken, wackelnde Bilder an den Wänden sind die ersten Anzeichen. (...) Denn Salve auf Salve rollt über die entsetzte Einwohnerschaft der unglücklichen Orte und ununterbrochen sind diese und der Stadtwald in dicke Rauch- und Staubwolken eingehüllt“, hieß es in einem Zeitungsartikel.
Die erhaltenen Forts
„Zum Glück sind die schöneren Forts erhalten geblieben“, sagt Henriette Meynen, die Ehrenvorsitzende von Fortis Colonia, „gesprengt wurden nur die einfacheren, strategisch wichtigen Anlagen.“ An ihre Stelle trat ein Nebeneinander von Wiesen, Wald und Gewässern, unterbrochen von künstlichen Erhebungen, unter denen sich oft noch gesprengte Festungsanlagen oder Trümmer aus dem Zweiten Weltkrieg verbergen. Die erhaltenen Forts wurden häufig zu Gartenanlagen umgestaltet und der Öffentlichkeit zur Nutzung überlassen. Von Anfang an hatten Adenauer, Stadtplaner Fritz Schumacher und Gartenbaudirektor Fritz Encke die Vorstellung, ein „soziales Grün“ zu schaffen. Einrichtungen wie die „Freiluga“ („Freiluft- und Gartenarbeitsschule“), Sportstätten, Planschbecken und „Reigenplätze“ sollten allen Bürgern gehören. „Dies bedeutete eine Sozialreform, die zumindest auf lokaler Ebene insbesondere die ärmere Bevölkerung aus ihren beengten Wohnverhältnissen herauslocken und den Kindern eine Perspektive bieten wollte“, sagt Autor Dieter Klein-Meynen. Eine herausragende Rolle spielten dabei die Sportanlagen. Durch den Bau des Stadions auf 80 Hektar Grundfläche wurde Köln zur führenden Sportstadt in Deutschland und bewarb sich sogar um die Olymischen Spiele von 1936, die dann allerdings doch nach Berlin vergeben wurden.
Ein Arboretum mit Mammutbaum
Nicht immer gingen die Arbeiten im Grüngürtel problemlos vor sich, weil das Gelände manche Geheimnisse barg. Bei Anlage der Jahnwiese tauchte ein römischer Gutshof im Boden auf, in Müngersdorf waren es 149 römische Gräber und südlich des Zollstocker Weihers eine römische Grabkammer aus großen Quadern. Besonders wechselhaft ging es auf dem Gelände zwischen der Dürener und der Bachemer Straße zu. Eigentlich sollten hier ein Botanischer Garten und das neue Botanische Institut der Universität angelegt werden, als man auf die Reste einer bandkeramischen Siedlung stieß. Das Bauvorhaben wurde gestoppt und jahrelang gegraben. Die wissenschaftlichen Ergebnisse waren über Jahrzehnte richtungsweisend, doch der Botanische Garten kam nach der Unterbrechung nicht mehr zustande.
Einige Jahre nachdem Adenauer als Oberbürgermeister durch die Nazis bereits abgesetzt worden war, sollte hier ein Teil des „Reichsarboretums“, eines auf mehrere Städte in Deutschland vereilten Lehrgartens für Bäume, angelegt werden. Was davon umgesetzt wurde, ist heute nicht mehr bekannt. Vielleicht auch deshalb, weil Soldaten der benachbarten Etzelkaserne frisch gesetzte Nadelhölzer geschlagen haben sollen, um sie als Weihnachtsbäume nach Hause tragen zu können. Erst 1958, also etliche Jahre nach dem Krieg, wurde der Grundgedanke eines Arboretums mit exotischen und seltenen Hölzern – unter anderem einem Mammutbaum – umgesetzt.
In den folgenden Jahrzehnten war der Umgang mit dem Grüngürtel Adenauers großer Idee nicht immer angemessen. Während im Kölner Süden mit dem Forstbotanischen Garten neue Grünflächen geschaffen wurden, setzte man im Norden den neuen Ortsteil Bocklemünd-Mengenich in den Verlauf des hier noch nicht ausgebauten Grüngürtels.
„Gefahren für den Grüngürtel gehen von seiner Weitläufigkeit aus, denn diese weckt Begehrlichkeiten“, beschreibt Klein-Meynen ein altes Problem. Bei jedem Eingriff in das Grün – selbst wenn es im Namen des Sports erfolge, wie bei der vom 1. FC Köln gewünschten Erweiterung seines Geländes – sei eine „sorgfältige Güterabwägung“ geboten. Auch die vom Verfall bedrohten preußischen Forts bedürften erhöhter Aufmerksamkeit. Diese will Fortis Colonia ihnen verschaffen.Fortis Colonia (Hg.): Eine Grünanlage mit Geschichte. Festungsbauten und Äußerer Grüngürtel in Köln. 271 Seiten, 24,95 Euro.