Wir treffen den Kölner Schauspieler Sahin Eryilmaz. Er spricht über seine Kindheit in Seeberg und seine Liebe für den Tatort.
Schauspieler aus dem Kölner Norden„Seeberg war die beste Schule, durch die ich gehen konnte“
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Der Kölner Schauspieler Sahin Eryilmaz ist Sonntag, 18. Februar, im Dortmunder Tatort „Cash“ zu sehen.
Copyright: Luis Zenho Kuhn
„Das war die schwerste Zeit meines Lebens“, sagt Schauspieler Sahin Eryilmaz („Tatort“, „Club der roten Bänder“) und meint das verheerende Erdbeben, das vor einem Jahr die Türkei erschüttert hat. „Meine Familie war sehr stark betroffen. Mein bester Kumpel hat 80 Angehörige verloren. Leider wird das in den Medien oft vergessen, Menschen leben dort aber immer noch in den Zelten“, sagt der 40-Jährige.
Wir treffen den Schauspieler am Eigelstein in seinem Stammcafé. In der Nacht, in der sich die Katastrophe vom 6. Februar gejährt hat, sei er um kurz nach 2 Uhr aufgewacht: der Zeitpunkt, als das Erbeben im Jahr zuvor (Ortszeit kurz nach vier) losgegangen sei. Zeit zum Trauern habe er aber zunächst nicht gehabt.
„Ich war die ganze Zeit auf Autopilot und musste funktionieren, um Hilfen zu organisieren. Innerhalb von 14 Tagen habe ich als Teil einer Menschenkette 23.564 Kisten getragen, die per LKW in die Türkei fuhren oder per Flugzeug einflogen.“ Zählen musste er die Kisten, weil einige Staaten dies bei Einreise verlangt hätten.
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Der Kölner Schauspieler Sahin Eryilmaz trifft sich gern am Eigelstein, die Cafés kennt er gut.
Copyright: Annika Ginster
Sahin Eryilmaz: Rollen ab 40 werden interessant
Es sind emotionale Tage Anfang Februar für den Kölner, der im nächsten Dortmunder Tatort „Cash“ (18. Februar) zu sehen sein wird. Am 7. Februar wurde Eryilmaz zudem 40. Ein gutes Alter, privat wie beruflich, wie er findet. „Ich fühle, dass ich im Leben angekommen bin. Ich empfinde das Älterwerden als absolut positiv. Ich habe auf das Leben, wie ich es jetzt führe, in den letzten zwölf Jahre hingearbeitet.“ Sein Sohn ist zehn Jahre alt.
„Durch Kinder lernt man nicht nur sich selbst kennen, sondern auch neue Trends und Technologien.“ In der Schauspielerei werde man ab einem gewissen Alter für andere Rollen angefragt. „Ab 40 fängt eine interessante Zeit an. Beispielsweise wäre ein vom Schicksal gezeichneter Staatsanwalt sehr spannend zu spielen. Ich möchte Charaktere spielen, die tiefgründig und ambig sind, die Brüche haben, eine Verletzlichkeit in sich tragen und nah am Leben sind.“
Eryilmaz hat in vielen Produktionen des Öffentlich-Rechtlichen mitgespielt, allein etwa zwölfmal beim Tatort. Ein Format, das er liebt und niemals missen möchte. Auch nicht dessen Vorspann: „Der soll so bleiben“, findet er. Dazu gehört die Netflix-Produktion „Skylines“ (2019) zu seinen persönlichen Favoriten.
Kindheit in Köln-Seeberg: „gute Schule“
Alle Filme, die er unter der Regie von Lars Becker mitgemacht hat, seien ebenfalls Herzensprojekte. „Fast zehn Filme habe ich mit ihm gemacht. Das war für mich immer ein Highlight. Am Set ist alles eingespielt, da läuft es freundschaftlich und familiär ab“, so Eryilmaz, der in Köln-Seeberg aufgewachsen ist, mittlerweile aber in Eigelstein-Nähe wohnt. Dort gefällt ihm das Durchmischte und Familiäre.
Auch wichtig: die zentrale Lage. „Wenn ich zu Drehterminen muss, geht das sehr schnell.“ An seine Kindheit im Kölner Norden hegt er dennoch schöne Erinnerungen. „Es war eine sehr schöne Zeit, mit viel Abenteuer. Das war die beste Schule, durch die ich gehen konnte. Dort habe ich Enttäuschungen erlebt, Abschiede genommen, gelernt, mit einfachen Dingen glücklich zu sein. Schlimme Dinge sieht man überall, das ist kein Problem, das es nur in Seeberg gibt.“
Dass man auch Zeuge von Gewalt und Misere wird – daraus zieht Eryilmaz einen persönlichen Nutzen. „Wenn ich heute in brenzlige Situationen gerate, dann zittern mir nicht mehr die Hände, ich weiß genau, was zu tun ist, um die Situation zu schlichten.“
Kölner Schauspieler über rechtsextreme Umtriebe
Diese Seeberg-Attitüde, „die Furchtlosigkeit als Mindset“, wie der 40-Jährige das beschreibt, sei aber bei dem aktuellen rechtsextremen Umtrieben im Land nicht angebracht, sagt er. Da will er wachsam bleiben, nicht in Panik verfallen. „Am Anfang habe ich es nur beobachtet, aber inzwischen wird mir immer klarer, wie gefährlich es ist, dass diese Menschen an die Macht kommen können.“
Doch die Demokratie sieht er nicht in Gefahr: „Der Zusammenhalt hier ist so stark, dass die keine Chance hätten“. Er persönlich will sich von niemandem auf seine türkische Herkunft festnageln lassen. „Meine Nationalität ist Welt und meine Religion ist Liebe. Ich möchte an dem Ort leben, den ich liebe und das ist hier.“ (mit miz)