Prof. Christian Karagiannidis (Städtische Klinik Merheim) und Prof. Michael Hallek (Uni-Klinik) plädieren für ein entschiedeneres Vorgehen in Richtung geplanter Klinikfusion.
Die Ärzte sind sich sicher: Ohne Fusion verursacht die Privatisierung von Krankenhäusern eine Konkurrenz innerhalb der Stadt – zulasten der Patienten.
Ein Interview.
Köln – Herr Karagiannidis, Herr Hallek, worum geht es bei der geplanten Fusion zwischen der Unikliniken und den Städtischen Kliniken?
Karagiannidis: Es geht nicht primär darum, einfach nur Krankenhäuser zusammenzulegen. Es geht um eine Vision, den Gesundheitsstandort Köln zum Vorbild für die Krankenhausstrukturreform in Deutschland zu machen. Und das auf höchstem Niveau und für alle Krankenhäuser in Köln. Herr Laumann hat ein Gutachten bekommen, in dem vorgesehen ist, dass sich die Krankenhausstrukturen in Nordrhein-Westfalen grundlegend ändern sollen. Wir denken dort nicht mehr in Betten, sondern in Spezialisierungen und Schwerpunkten.
In dem Gutachten einigen sich die Krankenhäuser im Idealfall untereinander, wer was macht. So werden die einzelnen Schwerpunkte deutlich aufgewertet und die Behandlung verbessert sich qualitativ durch die große Routine, die in den Schwerpunkten entsteht. Auf der anderen Seite brauchen wir aber auch eine breite, menschennahe Grundversorgung, bei der nicht die Technik, sondern der Mensch und die Pflege absolut im Vordergrund stehen. Das ist uns in der ökonomischen Medizin teilweise verloren gegangen.
Karagiannidis: Hier kommen verschiedene Faktoren zusammen. Wir haben eine hohe Krankenhausdichte mit allen Versorgungsstufen, wir haben dringenden Reformbedarf und wir haben eine Größe, die sich für eine Umstrukturierung noch gut überschauen lässt. Wir müssen das immer aus Sicht des Patienten denken: Als Patient will ich immer qualitativ bestmöglich versorgt werden, ohne aber einer Übertherapie zugeführt zu werden. Diese Gefahr schwingt durch das jetzige System der Fallpauschalen bei hoher Krankenhausdichte immer mit.
Hallek: Ich stimme voll zu. Für die Behandlung von Krebspatienten muss ich sagen: Es gehört sich einfach, dass wir das onkologische Spitzenzentrum, das wir hier aufgebaut haben, nicht nur für Patienten auf einer Rheinseite zur Verfügung stellen, sondern intensiv mit den Städtischen Kliniken und insbesondere mit dem Krankenhaus Merheim kooperieren, um allen Kölnerinnen und Kölnern die bestmögliche Behandlung anzubieten.
Was alternativ passieren kann, sehen wir in anderen deutschen Millionenstädten, wie Hamburg oder München: Hier haben sich private Investoren in die kommunale Krankenhaus-Landschaft eingekauft – und plötzlich stehen die Krankenhäuser in Konkurrenz zueinander. Die gemeinsame Versorgung von Hautkrebspatienten zum Beispiel wurde in München vor kurzem beendet.
Seit Jahren ist in der Schwebe, ob es zur Fusion kommt oder nicht.
Hallek: Ja, und diese Hängepartie ist schlecht für die Stimmung in beiden Kliniken. Die Mitarbeiter wissen nicht, was kommt. Und Spitzenleute, wie wir gerne für bestimmte Bereiche nach Köln berufen würden, sind auch nicht begeistert über eine unklare Perspektive.
Wirkt sich dieser Status negativ auf die Behandlungen aus?
Karagiannidis: Durchaus. Aus Patientensicht ist klar: Ich möchte operiert werden, meine Krebserkrankung soll erfolgreich behandelt werden. Viele Untersuchungen belegen: Je mehr Expertise an einem Ort vorhanden ist, je häufiger operiert wird, desto besser sind die Heilungschancen. Das ist der Grund, warum große Zentren für Patienten am besten sind. Und in Köln zögern wir, diese patientenzentrierte Entscheidungen zu treffen.
Argumentieren Sie hier nebenbei für das Ende des Krankenhauses Holweide? Das ist defizitär, weil hier zu wenig operiert wird – und Sie fordern mehr Operationen pro Krankenhaus.
Karagiannidis: Nein, mein Thema ist das nicht. Das ist Sache der Stadt. Aus dem Krankenhaus Holweide kann man sehr viel Gutes machen. Holweide ist der größte Kölner Rettungsbezirk, Köln wird vor allem rechtsrheinisch wachsen – das müssen wir für die künftige Planung berücksichtigen. Ebenso wichtig wie die High-End-Medizin ist auch die medizinische Grundversorgung. Standortdiskussionen würde ich daher nie isoliert führen, sie sind immer abhängig vom Gesamtkonstrukt einer neuen Planung für die gesamte Stadt. Köln muss hier endlich nachhaltig und innovativ denken.
Hallek: Von außen kann ich sagen, dass es überhaupt nicht darum geht, ein Krankenhaus zu schließen. Es geht darum, Krankenhaus-Strukturen so zu gestalten, dass jeder Bürger – auch im Umkreis von Holweide – optimal versorgt wird. Das bedeutet: Besser als heute. Und dabei kann es sein, dass es sinnvoller ist, einige Bereiche nach Merheim zu verlegen und dafür andere in Holweide zu beheimaten und sogar auszubauen. Und alle werden zufrieden sein.
Weil in Holweide zu wenig operiert wird?
Hallek: Es ist wissenschaftlich nachgewiesen, dass eine Mindestmenge an Operationen zu besseren Ergebnissen führt. Wir werden das in den kommenden Jahren im Übrigen über das Landeskrebsregister auch messen und nachweisen können. Im Falle einer Klinikfusion können wir die Überlebenschancen in einigen Bereichen durch wachsende Fallzahlen und somit größere Erfahrung mit Sicherheit steigern. Wir wollen weniger auf ökonomische Parameter achten und mehr auf das, was den Patienten wirklich nützt.
Kritiker behaupten, der Fokus bei der Klinikfusion liege zu stark auf der Spitzenmedizin – und zu wenig auf der Grundversorgung.
Hallek: Das stimmt schlicht nicht. Wir planen mit einem umfassenden Konzept für eine stabile Grundversorgung. Wir können die Patienten ja nicht ständig über den Rhein schicken. Und wir wollen für eine möglichst hohe Qualität in der Behandlung eng zusammenarbeiten. Beide Ziele lassen sich im Miteinander eher erreichen als in Konkurrenz.
In der klinischen Infektiologie etwa gibt es in Merheim und an der Uniklinik jeweils große, aber unterschiedliche Expertise, die wir noch besser nutzen wollen, um auf künftige Pandemien besser vorbereitet zu sein. Wir haben in der Corona-Pandemie gemerkt, wie entscheidend es ist, gut untereinander und mit den Gesundheits-Einrichtungen der Stadt zu arbeiten. Das wollen wir auch in Zukunft tun, es ist im Interesse aller.
Was würde ohne eine Klinikfusion drohen?
Hallek: Die Privatisierung von Krankenhäusern, eine Konkurrenz innerhalb der Stadt – zulasten der Patienten. Dabei muss gute Medizin nicht mal unwirtschaftlich sein. Die Reihenfolge ist aber entscheidend: Erst kommt der Patient, dann der Blick auf das Geld. Qualität in der Behandlung ist im Übrigen immer der erste Schritt, um wirtschaftlich zu werden. Wir wollen Qualität.
Warum hat sich NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann um das Thema bislang nicht gekümmert, wenn es so viele Chancen mit sich bringt?
Hallek: Ich glaube, die pandemische Situation der vergangenen Monate hat viele Entscheidungen verzögert. Zudem muss man regeln, wer die Schulden der vergangenen und etwaige Defizite der kommenden Jahre übernimmt. Dann muss man sicherstellen, dass die anderen Unikliniken in Nordrhein-Westfalen mitgenommen werden muss. Dass diesen Häusern am Ende Gelder fehlen, darf nicht das Resultat unserer Kölner Pläne sein. Es ist also komplex. Aber inhaltlich ist aus meiner Sicht klar, in welche Richtung es gehen muss. Wir haben die einmalige Chance, eine stabile, hochwertige Versorgung zu schaffen und gleichzeitig weltweit einmalige Forschungsprojekte umzusetzen: Wir schaffen eine Patienten-nahe Innovationskultur. Das ist unser Anspruch.
Karagiannidis: Dass man über solche Entscheidungen gründlich nachdenkt, ist richtig. Aber wir sind jetzt sind in einer anderen Situation als vor ein oder zwei Jahren. Die Corona-Defizite setzen uns alle schwer unter Druck. Jetzt muss Köln mal nach vorne, mit viel positiver Energie und Visionen für die Zukunft, sonst fällt Köln irgendwann ganz weit zurück. So gut die Chancen sind, so groß ist auch die Gefahr, sie zu verpassen.
München hat einen riesigen Biotech-Standort, Berlin holt schwer auf. Es gibt nicht unendlich viele Experten im Gesundheitswesen. Wir müssen um diese Leute kämpfen. Und wenn ich das abschließend sagen darf, ich würde alle Kölner Krankenhäuser in einem Kraftakt digitalisieren und miteinander verknüpfen. Für die PatientInnen und die Forschung. Diese Chance zu verpassen wäre fatal.