Der Uni-Rektor spricht im Interview darüber, wie digital die Hochschule in der Pandemie wurde.
Derzeit hat die Universtät 50.000 Studierende. Künftig soll sie nicht mehr wachsen.
Trotz der Pandemie war 2020 ein erfolgreiches Jahr für die Hochschule.
Köln – Herr Freimuth, normalerweise ist der Campus ein sehr lebendiger Ort. Wegen der Corona-Pandemie ist das anders. Was vermissen Sie am meisten?Axel Freimuth: Wir vermissen alle das Leben auf dem Campus, den direkten Kontakt zu den Kolleginnen und Kollegen und den Studierenden. Aber bei einer Einrichtung mit 50.000 Studierenden und tausenden Mitarbeitern muss man vorsichtig sein. Deshalb sind wir zurückhaltend mit Präsenzangeboten, haben aber den Betrieb durch Einsatz digitaler Medien aufrechterhalten.
Der Unterricht fand in den vergangenen Monaten vorwiegend digital statt. Was läuft gut in dieser virtuellen Hochschule und was muss noch besser werden?
Die Lehrveranstaltungen an der Universität laufen derzeit 80 bis 90 Prozent digital. Prüfungen müssen mitunter in Präsenz und dabei unter besonderen Sicherheitsvorkehrungen stattfinden. Wir haben dafür zum Beispiel die großen Messehallen gemietet. Bestimmte Praktika, zum Beispiel im Labor, laufen weiter, wir haben sie aber so organisiert, dass nicht zu viele Personen Kontakt miteinander haben. Es freut uns, dass das Feedback von Studierenden und Lehrenden zum digitalen Unterricht bislang überwiegend positiv ist.
Sie haben im Frühjahr flächendeckend Online-Formate fast aus dem Stand realisiert. Wie ist das gelungen und warum hat das in den Jahren zuvor nicht geklappt?
Ich war selber überrascht, wie schnell und reibungslos das in der gesamten Universität organisiert wurde. Im Gegensatz zu vielen Schulen haben wir ein digitales Rückgrat, sei es ein leistungsstarkes Rechenzentrum, unser relativ junges Center for Data and Simulation Science oder das modern aufgestellte Zentrum für Hochschuldidaktik. Wichtig war es, sehr schnell alle vorhandenen Angebote zu vernetzen und der Krisensituation anzupassen. Eltern von Schulkindern erleben leider häufig, dass Datenleitungen aufgrund der vielen Nutzerinnen und Nutzer zusammenbrechen, bei uns konnten binnen weniger Wochen hunderte von Angeboten ruckelfrei digital angeboten werden. Ein Kraftakt, den alle Universitätsangehörigen gemeinsam gestemmt haben. Aber ich bin ehrlich: Uns allen fehlt der direkte Austausch, eine Universität braucht eben auch Präsenz.
Gibt es verbindliche Standards in der Hochschule dafür, wie Dozenten mit der digitalen Lehre umgehen sollen?
Natürlich gelten die selben inhaltlichen Qualitätsvorgaben, die für die Lehre in Präsenz gelten auch im Digitalen. Das Format ist ein anderes und wir probieren hier verschiedene Möglichkeiten aus. So gibt es inzwischen Software, über die anspruchsvolles kollaboratives Arbeiten bei gleichzeitiger Beachtung des Datenschutzes möglich ist. Zugleich muss man sehen, dass sich die Art des Lernens verändert hat. Neben klassischen längeren Formaten, werden auch sogenannte Micro-Credentials, also kleinteilige Lernangebote nachgefragt. Viele Studierende informieren sich auch über kommerzielle Kanäle wie Youtube und nutzen die dort angebotenen oft sehr komprimierten Tutorials. Hier müssen wir darüber nachdenken, wie das unsere Lehre mittelfristig verändert.
Studierende, die gerade mit dem Studium begonnen haben, kennen das normale Universitätsleben nicht. Haben diese Hochschüler ein Jahr verloren?
Nein, es war uns wichtig, dass hier keine Nachteile entstehen. Diese Studierenden waren zwar vielleicht nur ein oder zweimal an der Uni, konnten aber digital ihren Vorlesungen folgen, an Seminaren teilnehmen und Abschlüsse machen. Das ist ein großer Erfolg, aber soll kein Dauerzustand werden. Wir haben uns vorgenommen, dass wir auf jeden Fall für die Studierenden der ersten drei Semester im Sommersemester Präsenzveranstaltungen anbieten. Wir können das Infektionsgeschehen nicht voraussagen, ich hoffe aber, dass wir mindestens 20 Prozent der Veranstaltungen in Präsenz anbieten können.
Wird die Uni Köln noch weiter wachsen?
In manchen Bereichen, wie in der Informatik, ist das notwendig, insgesamt sind wir aber am Kapazitätslimit. Mehr Wachstum wäre mit unserer Infrastruktur nicht zu realisieren. Wir sind eine der größten Universtäten Deutschlands, im internationalen Vergleich sind wir deutlich größer als das Normalmaß. Wir sollten eher übergreifend wieder etwas kleiner werden und die Qualität der Lehre noch weiter steigern. Wir müssen unbedingt die Betreuungssituation für die Studierenden verbessern. Nach wie vor ist das Verhältnis von Betreuenden und Studierenden im internationalen Vergleich völlig unausgewogen. In stark nachgefragten Bereichen wie der BWL kommen rund 100 Studierende auf einen Professor.
Finanzielle Probleme
Im neuen Hochschulbarometer sagen neun von zehn Hochschulleitern, dass sie die wirtschaftliche Lage für ihre Hochschule mit Sorge sehen. Teilen Sie die Sorge?
Wir hatten in den vergangenen Jahren Schwierigkeiten im finanziellen Bereich und das obwohl wir bei Drittmitteln und bei den Mitteln aus dem Hochschulpakt zugelegt haben. Fast alle Hochschulen haben das Problem, das bestimmte Kosten aus dem Ruder laufen. So sind die Bau- und Energiekosten in den letzten Jahren stark gestiegen, der Ausbau von Infrastruktur wird immer aufwendiger. Es muss klar sein: Man kann zum Beispiel keine vernünftige biomedizinische Forschung machen, wenn es nicht den entsprechenden Gerätepark gibt. Der muss regelmäßig erneuert werden, sonst ist man nicht wettbewerbsfähig. Das setzt uns unter Druck. Wenn wir Forschungsgelder einwerben, brauchen wir zusätzliche Mittel, um diese sogenannten Overheads abdecken zu können. Mittlerweile gibt es zwar erfreulicherweise Overhead-Mittel bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft, nur liegen die Zuschüsse bei 21 Prozent, müssten aber bei 40 Prozent der Gesamtkosten liegen. Ähnlich war es beim Hochschulpakt: Wir mussten Geld einsetzen, um mehr Personal einzustellen, damit wir mehr Studienplätze anbieten können. Wir hätten das Geld auch für Gebäude einsetzen können, dann hätten wir aber kein Personal einstellen können. In diesen schwierigen Zeiten fühlen wir uns aber grundsätzlich vom Staat sehr gut finanziert, ich will hier nicht unangemessen klagen.
Was waren, außer der Pandemie, die wichtigsten Ereignisse für die Universität 2020 und was werden sie 2021 sein?
2020 war trotz der Pandemie eines der erfolgreichsten Jahre für die Universität. Wir haben sieben Sonderforschungsbereiche hinzugewonnen beziehungsweise verlängert bekommen und liegen nun bei insgesamt 15. Wir haben auch die Zahl der Graduiertenkollegs verdoppelt und erneut eine Alexander-von-Humboldt-Professur erhalten. Es scheint, dass im Lockdown meine Kolleginnen und Kollegen noch viel intensiver Anträge und Publikationen geschrieben haben, trotz der zusätzlichen Belastungen durch die digitale Lehre. Und wir haben uns sehr gefreut, dass wir den europäischen Hochschulverbund „EUniWell“ als federführende Universität einwerben konnten. Beteiligt sind hier neben Köln die Universitäten Birmingham, Florenz, Nantes, Leiden, Linnaeus und Semmelweiß.Zudem bauen wir gerade ein großes Innovationszentrum für Start-ups, das in drei Jahren stehen soll. Es wird der Dreh- und Angelpunkt an der Universität sein, was Unternehmensausgründungen angeht. Und wir wollen künftig im Bereich der LehrerInnenbildung neue Akzente setzen. Wir sind hier die größte Einrichtung Europas und wollen unsere Reputation noch weiter ausbauen. Zudem werden wir bereits in diesem Jahr auch Projekte anstoßen für die nächste Runde der Exzellenzinitiative.
Axel Freimuth
Axel Freimuth (64), studierte Physik in Köln. Nach Promotion und Habilitation in Köln wurde er 1996 an die Uni Karlsruhe berufen. 1998 wurde er Professur für Experimentelle Festkörperphysik an der Uni Köln. Von 1999 bis 2000 war er Geschäftsführender Direktor des II. Physikalischen Instituts, von 2003 bis 2005 Dekan der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät der Uni Köln. Seit April 2005 ist er Rektor der Hochschule. Freimuth war von 2008 bis 2010 Vorsitzender der Landesrektorenkonferenz NRW. (ris)
Haben Sie inzwischen analysiert, warum die Uni Köln 2019 bei der Exzellenzinitiative keinen Zuschlag erhalten hat?
Das Thema hat mich sehr umgetrieben. Wenn man sich die Leistungsparameter ansieht, steht die Uni Köln hervorragend da. Aber wir mussten im Zug des doppelten Abiturjahrgangs eine Größensteigerung von 30 Prozent stemmen. Das war wesentlich schwieriger als jetzt auf digital umzuschalten und hat uns sehr in Anspruch genommen. Und natürlich sind auch andere Standorte stark aufgetreten. Es ist schade, aber normal, dass man in einem Wettbewerb mal nicht zum Zug kommt.