Köln – Sie geben Seminare für Studenten, korrigieren Bachelorarbeiten und nehmen Prüfungen ab. Viele Lehrkräfte mit besonderen Aufgaben stemmen an der Kölner Universität Aufgaben, die auch Professoren übernehmen könnten.
Der Unterschied: Im Gegensatz zu den Kollegen werden die Lehrkräfte, aber auch die anderen wissenschaftliche Mitarbeiter nur auf Zeit bezahlt. 76 Prozent der 5400 wissenschaftlichen Mitarbeiter an der Kölner Hochschule arbeiten befristet. „Jedes Jahr muss ich um meinen Vertrag bangen“, sagt zum Beispiel Christine Paul.
Paul hat Erziehungswissenschaften in Bielefeld studiert und anschließend einen Vertrag als wissenschaftliche Mitarbeiterin erhalten, in dessen Rahmen sie ihre Promotion zum Thema „Mehrgenerationenwohnen“ machte. Als sie 2001 schwanger wurde, warf es sie zeitweise aus dem wissenschaftlichen Betrieb, weil es damals keine Kita-Plätze für Kleinkinder gab.
Auf das erste Kind folgten 2004 und 2006 zwei weitere. Paul gab die Wissenschaft aber nicht auf, bildete sich fort, nahm Honoraraufträge an Hochschulen an. Die Promotion beendete sie schließlich 2013. Seitdem ist sie an der Kölner Universität als Lehrkraft für besondere Aufgaben angestellt. Auf Zeit.
In den vergangenen dreieinhalb Jahren hat Paul insgesamt acht Verträge unterzeichnet. Derzeit arbeitet sie als Post-Doktorandin auf zwei halben Stellen mit dem Schwerpunkt Lehre an der Humanwissenschaftlichen Fakultät der Universität Köln, die beide auf zwei Jahre befristet sind. Kein Einzelfall. Vielmehr kennt Paul Kollegen, die sich seit sieben oder sogar seit 15 Jahren mit Kettenverträgen über Wasser halten. Dabei sei die Arbeit am Institut mehr und mehr geworden, schließlich sei die Zahl der Studenten seit dem Doppelabi-Jahrgang 2011/2012 massiv gestiegen.
Mitarbeiter arbeiten praktisch Vollzeit
Paul muss mindestens 13 Stunden in der Woche lehren. Mit Vor- und Nachbereitungen habe sie damit gut 40 Stunden pro Woche zu tun. Kaum Zeit also, um sich fortzubilden, auf Tagungen zu gehen, Konferenzen zu besuchen oder gar zu publizieren. Überstunden im zwei- oder dreistelligen Bereich seien üblich. Offiziell beklagen würden das allerdings nur die wenigsten – aus Angst, dass der nächste Zeitvertrag nicht unterschrieben wird.
Die unsichere Arbeitssituation hat Folgen: Die Akademiker überlegen sich zweimal, ob sie eine Familie gründen oder auch nur in Urlaub fahren. Seit dem Jahr 2000 konnte Paul es sich nur zweimal leisten, länger als eine Woche am Stück eine Auszeit zu nehmen „Wir reden da aber nicht von Italien, sondern vom Münsterland oder der Nordsee.“ Und: Wer Lücken im Lebenslauf aufweist oder nur als Teilzeitkraft beschäftigt wird, läuft Gefahr, im Alter arm zu sein, weil die Rente nicht reicht. Paul rechnet derzeit mit 300 Euro.
Tamina Fuchs (34, Name geändert) hat die Nase vom Wissenschaftsbetrieb voll und wird wohl in die freie Wirtschaft wechseln. „Man hat an der Uni keine Perspektive, obwohl man schuftet und sich abrackert“, sagt die Umweltwissenschaftlerin, die als Post-Doktorandin an der Hochschule arbeitet.
Seitdem sie ihre Promotion im Jahr 2010 begann, „habe ich mich von einer befristeten Stelle zur nächsten gehangelt“ – teilweise mit Laufzeiten von nur 14 Monaten. Derzeit nimmt sie Elternzeit in Anspruch. Wenn diese 2019 vorüber ist, läuft ihr Vertrag drei Monate später aus.
Schon die Zeit als Post-Doktorandin sei kein Zuckerschlecken, so Fuchs. Erwartet wird von den Wissenschaftlern, dass sie während dieser Zeit an möglichst vielen Hochschulen – am besten auch im Ausland – arbeiten, um unterschiedliche Erfahrungen zu sammeln. „Familienfreundlich ist das nicht“, so Fuchs. Der Wissenschaftsbetrieb sei offenbar für Singles gemacht worden. Oder für Männer, die ihre Familien zu Hause lassen könnten, während sie an anderen Orten forschen.
Die größte Hürde für wissenschaftliche Mitarbeiter wie Fuchs ist die Sechs-Jahres-Frist. Die Forscher dürfen nur sechs Jahre vor und sechs Jahre nach der Promotion im wissenschaftlichen Betrieb auf sogenannten Haushaltsstellen an der Uni arbeiten. Nach der Doktorarbeit wird es für die Wissenschaftler schnell eng. Wer es nach sechs Jahren nicht auf eine Professorenstelle geschafft hat, muss sich an den Hochschulen mit Zeitverträgen auf Drittmittel-Projektstellen durchschlagen – oder den Job wechseln.
Hochschule verspricht, keine extrem kurzen Verträge abzuschließen
In der Führungsebene der Universität ist das Problem bekannt. „Wir brauchen einen gut qualifizierten akademischen Mittelbau“, sagt Prorektor Martin Henssler. Verbesserungen seien bereits durchgeführt worden: Einerseits verpflichte sich die Hochschule im Rahmen des Konzeptes „Gute Arbeit“, keine extrem kurz befristeten Verträge abzuschließen.
Künftig sollen sich diese zumindest an der Laufzeit der Fördergeldgeber orientieren. Mit anderen Worten: Unterstützt der Bund oder die EU ein Projekt über drei Jahre, sollen auch die wissenschaftlichen Mitarbeiter für diese Zeit verpflichtet werden.
Zudem arbeite die Uni derzeit an einem Personalplan, mit dem etwa 100 neue Dauerstellen geschaffen werden sollen. Weiter will die Hochschule unbefristete Stellen für Hochschuldozenten schaffen, die aus dem akademischen Mittelbau stammen. „Damit soll das System durchlässiger werden“, so Henssler.
Vieles sei aber vom Geld abhängig. Die Uni verfüge zwar über ein Budget von 734 Millionen Euro, 45 Prozent der finanziellen Mittel stammten aber aus befristeten Förderungen. Befristete Mittel bedeuteten eben auch befristete Mitarbeiter.
Forschung und Lehre
Akademische Mitarbeiter unterhalb der Professorenebene, kann man in drei Gruppen einteilen. Wissenschaftliche Mitarbeiter sollen forschen. Nachdem sie den Doktorgrad erworben haben, haben sie sechs Jahre Zeit, um eine Professur zu erhalten.
Lehrkräfte mit besonderen Aufgaben sind akademische Mitarbeiter, die besonders in der Lehre eingesetzt werden. Diese Mitarbeiter wurden seit Mitte der 2000er Jahre vermehrt eingestellt, um den gestiegenen Lehrbedarf abzudecken.
Lehrbeauftragte sind Honorarkräfte, die als freie Mitarbeiter stundenweise beschäftigt und entlohnt werden. (ris)
Dass ein Teil der Nachwuchsforscher seine Stellen räumen muss, sei andererseits durchaus gewollt. Man wolle keine Verhältnisse wie in Österreich, wo die meisten Mitarbeiter des Mittelbaus feste Stellen hätten. „Irgendwann sind dann alle Stellen besetzt, es müssen aber auch künftige Generationen eine Chance haben, sich an der Hochschule auf Nachwuchsstellen zu qualifizieren“, betont Henssler.
Paul hält nicht alle Argumente der Universität für überzeugend. Von den geplanten 100 Stellen gingen beispielsweise die meisten nicht in den Mittelbau, kämen also nicht den wissenschaftlichen Mitarbeitern und Lehrkräften für besondere Aufgaben zugute. Der Anteil der neuen Stellen liege damit unter einem Prozent gemessen an der Gesamtzahl der wissenschaftlichen Mitarbeiter.