Köln – Bis zum vierten Verhandlungstag hatte er gewartet, dann machte der bekannte Kölner Strafverteidiger Wolfgang Heer seine mehrfach ausgesprochene Drohung wahr. Im Verfahren um Reemtsma-Entführer Thomas Drach lehnte der Anwalt am Freitag den Vorsitzenden Richter Jörg Michael Bern und dessen Schwurgerichtskammer wegen der Besorgnis der Befangenheit ab. Es ist das nächste Störfeuer im Verfahren um vier bewaffnete Raubüberfälle auf Geldtransporter in Köln und Hessen.
Verteidiger Wolfgang Heer wirft Richter Willkür vor
Sein Mandant, Drachs mutmaßlicher Komplize Eugen W., hege Zweifel daran, dass Richter Bern neutral über ihn urteilen werde, argumentierte Anwalt Heer. So habe der Richter mehrere Einwände der Verteidigung einfach weggewischt und völlig willkürlich gehandelt. Etwa sei er in die Beweisaufnahme eingestiegen, obwohl noch nicht alle Überwachungsvideos vorgelegen hätten. Der Mandant habe den Eindruck, dass Bern ihm nicht die bestmögliche Verteidigung ermöglichen wolle.
Ausführlich rügte Heer, dass Richter Bern den Zeugen am vergangenen Verhandlungstag mit Verweis auf den Infektionsschutz freigestellt hatte, ob sie bei ihrer Aussage die Maske abnehmen wollten. Ohne die Mimik zu erkennen, könne man die Aussagen nicht auf ihre Glaubwürdigkeit hin bewerten, hatten mehrere Verteidiger beanstandet. Richter Bern hat diesen Punkt offenbar überdacht. Denn am Freitag bat der Richter plötzlich doch einen Zeugen, den Mundschutz abzunehmen. Heer grinste daraufhin schelmisch. Über den Befangenheitsantrag muss nun eine andere Strafkammer entscheiden.
Heer wurde einst von Beate Zschäpe abgelehnt
Das Gefühl, in einem großen Verfahren abgelehnt zu werden, kennt Heer allzu gut. Seine Mandantin Beate Zschäpe wollte ihn und zwei weitere Kollegen im NSU-Prozess als Pflichtverteidiger absetzen. Das Verhältnis galt als zerrüttet. Später forderte auch Heer, das Mandat abgegeben zu dürfen. Das Gericht hatte das abgelehnt, Heer blieb bis zum Schluss in dem Mammut-Prozess, der mehr als fünf Jahre dauerte. Auch im Drach-Verfahren kündigte Heer bereits an, mit den angesetzten 53 Prozesstagen sicher nicht auszukommen.
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Heer scheint einer dieser Anwälte zu sein, die außerhalb der Hauptverhandlung durchaus Charme versprühen, sich ansonsten aber im Angriffsmodus befinden. So fragte Heer die Staatsanwältin in einer Pause freundlich, ob sie mit zum Rauchen komme, in der Verhandlung aber warf er ihr eine „schludrige“ Aktenführung vor. Die Dolmetscherin, für den mitangeklagten Niederländer zuständig, wird von Heer so regelmäßig kritisiert, dass es Freitag aus ihr heraus platzte: „Ich würde Sie bitten, mir nicht zu sagen, wie ich meine Arbeit machen soll!“ „Ich wollte Sie nicht belehren“, ruderte Heer da zurück.
Anwalt von Thomas Drach schließt sich Befangenheitsantrag nicht an
Thomas Drach hörte sich das Geplänkel an, zeitweilig versank er tief in seinem Stuhl. Hatten sich die Verteidiger bisher noch jedem Antrag der Kollegen angeschlossen, verneinte dies Anwalt Andreas Kerkhof auf die Frage des Richters, ob er das auch bei dem Vorwurf der Befangenheit tun wolle. Zuvor hatte Kerkhof den Richter gebeten, doch für etwas weniger strenge Kontrollen zu sorgen, wenn er im Gerichtsgebäude mit seinem Mandanten sprechen wolle. Versprechen konnte Bern das nicht.
An diesem Freitag sagten abermals Polizeibeamte zum angeklagten Raubüberfall bei Ikea in Godorf im März 2018 aus. Nachdem ein mit einer Maschinenpistole bewaffneter Räuber einem Geldboten rund 76.000 Euro abgenommen hatte, brannte kurz darauf an einem Feld in Immendorf der Flucht-BMW. Polizisten berichteten, dass sie nach Eintreffen die Straßen abgesucht hätten. „Wir haben unter Autos und in Mülltonnen geschaut“, berichtete ein Beamter. Etwa, um Waffen zu finden. Von den Tätern, einer davon soll Drach gewesen sein, fehlte jede Spur. Der Prozess wird fortgesetzt.