Nach 15 Monaten präsentiert der Fußverkehrsbeauftragte der Stadt seine Arbeit. Ein Blick auf die bisherige Bilanz.
Macht er wirklich einen Unterschied?Diese Verbesserungen hat Kölns Chef-Fußgänger nach einem Jahr bewirkt
Vor 15 Monaten stand Nico Rathmann auf dem Deutzer Rheinufer. An diesem Vorzeigeboulevard, an dem Fußgänger wohl sehr viel mehr Platz haben, als sie wirklich brauchen, stellte die Stadt damals ihren ersten Fußverkehrsbeauftragten vor. Seitdem hat Rathmann sich vor allem mit Orten beschäftigt, an denen die Lösung nicht schon gebaut wurde, sondern noch gesucht wird. Oder an denen um die Platzverteilung gestritten wird.
„Wir spielen Fuß- und Radverkehr nicht gegeneinander aus. Der Hauptgegner für den Fußverkehr ist der Autoverkehr“, sagt Rathmann, als er am Mittwochmittag auf der Ehrenstraße steht, die seit dem vergangenen Sommer eine Fußgängerzone mit Fahrrädern ist. Straßen wie die Ehrenstraße seien für den Fußverkehr sehr wichtig: Hier fühle sich ein Weg wesentlich kürzer an, weil es viel zu sehen gebe. „Die Wege müssen objektiv und auch subjektiv sicher sein. Sie müssen sich also auch sicher anfühlen“, sagt Rathmann.
Ehrenstraße als reine Fußgängerzone? „Wäre besser“
Hört man sich unter den Verkehrsexperten im Stadtrat um, dann sagen viele: Nico Rathmann tritt bislang kaum auf. „Ich würde mir ein sichtbareres Auftreten wünschen“, sagt einer, gerade auf der Ehrenstraße. Ein anderer habe ihn bislang in einem einzigen Fachgespräch gesehen. Die Idee, aus der Ehrenstraße eine reine Fußgängerzone zu machen, steht immer wieder im Raum. Schließlich verläuft parallel der Radschnellweg auf der Magnusstraße. Reicht der nicht aus? Rathmann selbst sagt: „Natürlich wäre eine reine Fußgängerzone besser.“ Er habe in seiner Arbeit „nur die eigene Brille“, also die des Fußgängers, auf. Aber es sei völlig normal, dass man Kompromisse finden muss, mit denen auch andere Verkehrsteilnehmer leben können. „Mir ist vor allem wichtig, dass möglichst viele Fußgängerzonen entstehen – nicht, dass jede 100-prozentig perfekt ist.“
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Auf einem Presserundgang will Rathmann am Mittwochvormittag deutlich machen, worin seine Arbeit besteht. Vielleicht auch, weil das in den vergangenen 15 Monaten manch einem noch nicht ganz klar wurde. An der Ecke Ehrenstraße / Friesenwall holt er einen Zollstock aus der Tasche und vermisst die Breite des Fußweges: 2,30 Meter. Auf seine Initiative hat der Stadtvorstand einer Mindestbreite von zwei Metern pro Fußweg bei Sanierungen und Neubauten zugestimmt, bislang waren es 1,50 Meter. Allerdings als Ziel, nicht als feste Vorgabe – Ausnahmen bleiben möglich. Am Friesenwall hat die Stadt die komfortable Breite erreicht, indem sie die Außengastro mit Markierungen auf die Straße verschoben hat.
Mehr Platz für Fußgänger beim Überqueren der Schaafenstraße
Rathmann spaziert weiter über den Rudolfplatz bis zur Schaafenstraße. Einem Journalisten versucht er seine Rolle zu erklären: „Dadurch, dass ich da bin, wird das Interesse für das Thema geweckt. Und dadurch entsteht Druck.“ Allerdings: Es ist der erste öffentliche Termin Rathmanns. An der Schaafenstraße hat er vor der Kneipe Ex-Corner dafür gesorgt, dass an der Kreuzung in alle Richtungen fünf Meter Platz ohne Parkplätze entsteht. So können Fußgänger, auch Kinder und Menschen im Rollstuhl, die Lage überblicken und die Straße sicher kreuzen. Markiert mit Fußgängern in Regenbogenfarben, abgesichert mit Pollern. „Fast alle Unfälle entstehen, wenn Fußgänger die Straße überqueren“, sagt er.
Ein weiteres Beispiel: An der Ecke Lindenstraße / Habsburgerring hat die Stadt feste Radmarkierungen vor der Ampel installiert und die rote Radwegmarkierung so begrenzt, dass Fußgänger bequem vor der Straße warten können, ohne dabei von Radfahrern gestört zu werden. Ein Erfolg, findet Rathmann. Sein Chef heißt Thorsten Siggelkow und ist Leiter des Amtes für nachhaltige Mobilitätsentwicklung. Er spaziert mit und betont die Bedeutung seines Chef-Fußgängers bei jeder Gelegenheit. „Er ist innerhalb der Verwaltung eine wichtige Stimme. Er setzt ein Gleichgewicht zwischen Fuß- und Radverkehr innerhalb der Verwaltung durch.“ Wirklich? Sein, wenn man so will, Konterpart heißt Jürgen Möllers. Er ist Radverkehrsbeauftragter und hat ein Team von rund 20 Planern um sich, mit denen die Verwaltung seit Jahren Radwege saniert, ausbaut und neu errichtet.
Kölner Politiker: „Rathmann hat kein Team hinter sich“
Auf Nachfrage sagt Siggelkow, man könne beides nicht miteinander vergleichen. Möllers habe ein beschlossenes Radverkehrskonzept, das ihm eine klare Marschroute vorgibt. Rathmann ist innerhalb der Verwaltung ein Berater, er gibt den Planern Hinweise dafür, wie sie Verkehrssituationen zugunsten des Fußverkehrs anpassen können. So zum Beispiel an der Ecke Magnusstraße / Hohenzollernring: Eine Baustelle stellt derzeit den regulären Gehweg zu. Eine Umleitung sollte zunächst nur Radfahrer an der Straße entlangführen, ist jetzt aber auch für Fußgänger geöffnet – weil Rathmann es eingefordert hat. Es sind kleine Nachbesserungen wie diese, die er nach einem Jahr als Erfolge präsentiert. Ein Fußgängercheck in Kalk und Nippes, für den die Stadt sich zuletzt eine Förderung gesichert hat, soll helfen, Rathmann näher an die Strukturebene zu bringen.
Von einem Poliker ist zu hören: „Es ist verständlich, dass er noch nicht aktiver werden konnte. Er hat kein Team hinter sich.“ Köln ist, auch das gehört zur Wahrheit, die erste deutsche Millionenstadt, die überhaupt einen Fußverkehrsbeauftragten für das gesamte Stadtgebiet eingestellt hat. Es sei auch für Initiativen wie den „Fuß e.V.“ gut, einen klaren Ansprechpartner zu haben, betont Thorsten Siggelkow. Wirklich zufrieden ist der Fußgänger-Verein mit Rathmanns Arbeit noch nicht. „Ich habe Nico Rathmann als sympathisch erlebt, er will sicher etwas bewirken“, sagt etwa Gunda Wienke, Mitgründerin des Vereins. „Aber er ist für die Stadt eine Art Feigenblatt, er hat nicht das Standing und die Ressourcen, um wirklich Einfluss zu nehmen.“ Auf der Aachener Straße habe er schlicht die Verwaltungsposition vertreten, „als der Fußgängerbereich de facto privatisiert worden ist. Er steht auf verlorenem Posten.“
Gemeint ist die Neugestaltung der Meile, bei der die Gastronomie auf die Radstreifen ausgewichen ist und die Räder auf die Straße geschickt wurden. Wienke hätte sich wesentlich mehr Gehweg und weniger Gastronomie gewünscht. Rathmann nennt es eine „Einigung, mit der alle zufrieden sind.“ Ihm gehe es letztlich nicht um Maximalforderungen, sondern um Lösungen für alle. Strukturell hat Rathmann die Gehwege bislang nicht verbessert, erste Schritte auf dem Weg zu mehr Wertschätzung für Fußgänger ist die Stadt mit ihm aber gegangen. Siggelkow schließt nicht aus, dass Rathmann künftig auch Mitarbeiter bekommt: „Die Diskussion wird irgendwann kommen.“ Noch hält er jedoch die Füße still.