- Die Sommerferien stehen kurz bevor, Flugzeuge dürfen seit Montag wieder europäische Urlaubsziele ansteuern. Doch Mindestabstand im Flugzeug gilt nicht.
- Warum werden die Airlines nicht gezwungen, einen von drei Plätzen freizulassen – selbst wenn das höhere Ticketpreise bedeutet?
- Ein Kommentar.
Die Deutschen haben sich erstaunlich gut daran gewöhnt, neuerdings auf Abstand zu bleiben. Lange vermisste Freunde und Familienmitglieder werden längst nicht umarmt wegen Corona. Der Handschlag gilt gut 100 Tage nach dem Karneval in Heinsberg im ganzen Lande als ausgestorben. Ziemlich diszipliniert stehen die Deutschen auf Klebestreifen in der Supermarkt-Kette, um den 1,50-Mindestabstand einzuhalten. Und beim Fliegen?
Am Boden gelten die gleichen Regeln. Abstand am Check-In, jede zweite Kontrollstelle bleibt aus Hygiene-Gründen zu, um mehrere Meter Sicherheitsabstand zu gewährleisten. Im Wartebereich des Köln/Bonner Airports ist jeder zweite Sessel mit roten Warnschildern gesperrt.
Und dann im Flieger? Da sitzen die Passagiere wie die Sardinen in der Blechbüchse nebeneinander. Abstand: wenige Zentimeter. Drehen beide Sitznachbarn in entgegengesetzte Richtungen ihre Köpfe, sind sie unfreiwillig auf Knutsch-Distanz. Muss das sein? Schunkeln, Tanzen, Klönen an der Theke, sogar Gottesdienste – alles mit Nähe ist verboten, nur die Airlines bekommen mal wieder eine Sonderregel.Sie begründen dies damit, dass die Klimaanlage alles herausfiltert. Doch ob man Viren so überhaupt filtern kann angesichts ihrer Größe ist fraglich. Flugzeugfilter erfassen alles, was größer ist als 300 Nanometer, doch ein Coronavirus ist nur 60 bis 140 Nanometer groß, sagt die Wissenschaft.
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Warum werden die Airlines nicht gezwungen, einen von drei Plätzen freizulassen? Das sei nicht gewinnbringend, heißt es von den Fluggesellschaften. Die EU hat zwar Leitlinien zu Flugreisen veröffentlicht. Darin empfiehlt sie auch, mit Hilfe leerer Sitze für Abstand zwischen Passagieren zu sorgen, daran halten müssen sich die Fluglinien aber nicht. Sollte zum Beispiel in einem ausgebuchten Flieger kein Abstandhalten möglich sein, sollten „andere vorbeugende Maßnahmen“ getroffen werden. Dazu zählt die EU unter anderem eine strikte Handhygiene und Gesichtsmasken. Auf Flügen der Lufthansa und ihrer Tochter-Airlines gilt bereits seit Anfang Mai die Pflicht, eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen.
Die Internationale Luftverkehrsvereinigung IATA lehnte strengere Abstandsvorgaben in Flugzeugen ab. Fluglinien könnten nicht kostendeckend arbeiten, wenn sie für Distanz zwischen Passagieren sorgen müssten, schrieb IATA in einer Stellungnahme: Sitze frei zu lassen, sei wirtschaftlich untragbar.
Jeden zweiten Tisch im Restaurant frei zu lassen, ist für Gastronomen auch ein harter Schlag im Sinne von „wirtschaftlich untragbar“, aber leider ein notwendiger. Im Sinne der Gesundheit aller müssen für Lufthansa und Co. die gleichen Abstands-Regeln gelten. Das ist obendrein nicht nur ein gesundheitlicher, sondern auch ein wirtschaftlicher Aspekt. Gesetzt den Fall, eine mögliche zweite Corona-Welle schwappte über die Welt, würde das mit einem zweiten Lockdown ausgerechnet die Fluggesellschaft mit unvorstellbarer Härte treffen. Also ist es auch in deren Sinne, Corona durch Hygiene-Maßnahmen weiter konsequent einzudämmen. Dass das im Umkehrschluss zu höheren Ticketpreisen führen wird, ist die Kröte, die Reisende und Airlines dann gemeinsam schlucken müssten.